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Medien: Kerner bittet zum Verhör

Das Beste, was das Fernsehen kann, ist, einen Eindruck von Menschen zu vermitteln. Dazu taugen Talkshows einfach viel besser als noch so tiefgründige Zeitungsreportagen.

Von Barbara Nolte

Das Beste, was das Fernsehen kann, ist, einen Eindruck von Menschen zu vermitteln. Dazu taugen Talkshows einfach viel besser als noch so tiefgründige Zeitungsreportagen. Deshalb war es auch so interessant, als Robert Hoyzer am Dienstagabend bei Kerner zu Gast war. Hoyzer, den man zuvor nur von Fotos kannte. Ein blonder, gut aussehender Mann mit entschlossenem Blick, der in zahlreichen Fußballspielen extra falsch pfiff, was dreist ist, irrsinnig, aber auch mutig, wenn man weiß, was für ein Hexenkessel so ein Fußballstadion ist, wie Fans und Spieler schon bei strittigen Entscheidungen auf Schiedsrichter losgehen. In der „Kerner“-Show war dieser Mann erstmals zu erleben.

Johannes B. Kerner wusste um das Pfund, das er mit Hoyzer hatte. Er setzte ihn ans Ende der Sendung. Normalerweise kommen in den 23-Uhr- Talkshows die stärksten Gäste zu Anfang, weil sich ein Teil der Zuschauer im Verlauf der Sendung ins Bett verabschiedet. Diesmal würden sie aufbleiben. Die anderen Geladenen – die Schlagersängerin Michelle und die Schauspielerinnen Marion Kracht und Barbara Schöne – waren so zu sagen die Vorgruppe, und sie führten vor, dass Kerners Sendung zurzeit nicht im allerbesten Zustand ist.

Gegen halb zwölf, endlich: Robert Hoyzer und sein Anwalt. Kerner setzte seinen rügendsten Gesichtsausdruck auf, den er im Repertoire hat. Damit klar war: Hier ist kein Wohlfühl-Kerner am Werk, sondern ein kritischer Zeitgenosse. Er fragte nach dem Café King, den ersten Anwerbeversuchen und den Geldübergaben. Kerner hakte immer kritisch nach, als Sportjournalist war er schon immer sehr gut. Hoyzer antwortete ernst, hoch konzentriert. Was auffiel, dass er sich nie bei seinen Schiedsrichterkollegen entschuldigte. Sonst wirkte er nicht sympathisch, aber auch nicht unsympathisch, eigentlich vor allem erstarrt, was der Situation geschuldet war, denn die Kerner-Sendung war nichts anderes als ein Verhör vor dem Fernsehgericht. Es wurde um die öffentliche Stimmung verhandelt.

Der Schiedsrichterkollege Jürgen Jansen, auch der Manipulation verdächtigt, wahrscheinlich von Hoyzer, hatte sich in der vergangenen Woche ebenfalls bei einer von ihm selbst einberufenen Pressekonferenz ausfragen lassen. Erstaunlich, dass Schiedsrichter sich so den Medien übergeben. Als glaubten sie doch an den Videobeweis, den sie für Fußballspiele so strikt ablehnen. In einer ergreifenden Rede plädierte Jansen für seine Unschuld. Hoyzer wollte bei Kerner nur mildernde Umstände: Er sei verführt worden, trage die volle Schuld und wolle zur Aufklärung des Falles beitragen. Der modische Anzug, die Schweinsteiger-Frisur – man glaubt Hoyzer als jemanden zu erkennen, der aus der Schiedsrichterrolle ausbrechen wollte, die bei aller Ehrenhaftigkeit zu den uncoolsten gehört.

Aber Kerner selbst wurde, anders als sonst, nicht psychologisch. Er fragte Fakten ab, verlangte Schuldeingeständnisse. Hoyzer musste der Böse bleiben, das war wichtig. Kerner wollte den Kritikern keinesfalls eine Vorlage geben, die moniert hatten, Hoyzer habe im Unterhaltungsprogramm nichts verloren. Umgekehrt könnte man fragen: Was ist so schlimm an Hoyzer? Das Fernsehen empfängt doch auch Erpresser, Zwangsprostituierten- Kunden, Immobilienbetrüger. Robert Hoyzer ist auch ein Betrüger. Man muss es so sagen: Mehr auch nicht.

Aber Kerner ließ keine Relativierung zu. Am Ende fragte er, was Hoyzer selbst als angemessene Strafe empfände. Gefängnis? Natürlich redete sich Hoyzer da heraus, was soll er auch sagen. Aber Kerner insistierte. Das war unfair, wenn man das im Fall Hoyzer überhaupt sagen darf. Mit seinem Schlusssatz zog Kerner seinen Kopf noch aus der letzten Kritikerschlinge. „Hoffen wir einfach mal“, sagte er im drohenden Ton des gesunden Volksempfindens, „dass es eine gerechte Strafe gibt.“ Nein, keiner kann Kerner vorwerfen, dass er zu nett war. Nur, dass er ein Opportunist ist.

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