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Szene aus der Produktion "Is this the end" von der Oper Brüssel, die bei Arte Concert abzurufen ist.

© Arte/Simon van Rompey

Klassische Musik in den Medien: Im Smoking auf dem Sofa

Wer klassische Musik genießen will, greift jetzt zur Fernbedienung: Arte startet seine digitale Opernsaison und auch andere Sender haben Einiges im Angebot.

Das hätte sich Olivier Mantei, der Intendant der Pariser Opéra Comique, bis vor Kurzem auch nicht träumen lassen: Dass er mal der Übertragung einer Aufführung aus seinem Theater im Fernsehen entgegenfiebern würde. Jetzt allerdings, wo auch in Frankreich erneut alle Bühnen geschlossen sind, ist die Zusammenarbeit mit dem Kultursender Arte für ihn die einzige Möglichkeit, überhaupt ein Publikum zu erreichen.

Ohne die Aussicht auf die TV-Produktion hätte Mantei die Neuinszenierung der Barockoper „Hippolyte et Aricie“ von Jean-Philippe Rameau wahrscheinlich gar nicht bis zur Premiere bringen können. Dank der Opernsaison von Arte aber wird sich in Paris der Vorhang am 14. November öffnen – wobei ihm Saal dann kein Zuschauer sitzen, sondern lediglich Kameras stehen werden.

Seit 2018 veranstaltet Arte in Zusammenarbeit mit 21 europäischen Musiktheatern und Festivals eine eigene digitale Opernspielzeit, bei der jeden Monat neue Produktionen hinzu kommen, die kostenfrei abzurufen sind, mit Untertiteln in sechs Sprachen. Technisch funktioniert das wie bei der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker: Man ruft auf seinem Computer oder Smart-TV die Webseite des Senders auf und wählt dort die Rubrik „Arte Concert“. Die Opern werden jeweils als Livestream gezeigt und sind anschließend mehrere Monate als Video-on-Demand verfügbar.

Aus Zürich wird eine Verdi-Oper übertragen

Auch für Andreas Homoki von der Oper in Zürich ist das Arte-Engagement die Rettung. Denn auch sein Haus musste jetzt wieder dicht machen. In der Schweiz dürfen zwar theoretisch Live- Aufführungen mit maximal 50 Zuschauerinnen und Zuschauern stattfinden – aber der Aufwand einer Musiktheaterproduktion stünde in keinem Verhältnis zum kleinen Häuflein der Zuhörer.

Schon gar nicht, wenn eine große Chor-Oper wie Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“ auf dem Spielplan steht. Dieses Werk erarbeitet Homoki gerade mit seinem Ensemble, am 6. Dezember wird die Premiere um 17 Uhr live bei Arte zu erleben sein. In Zürich spielt das Orchester dabei übrigens nicht im Graben und auch der Chor agiert nicht auf der Szene – die beiden Künstlerkollektive sitzen im Probenzentrum, das rund einen Kilometer entfernt liegt. Ihre Stimmen und Klänge werden von 60 Mikrofonen aufgenommen und dann per Glasfaserkabel ins Opernhaus übertragen.

Arte spendet den Klassikfans Trost

Nach dem dritten Probentag traten im Kanton Zürich die verschärften Corona-Beschränkungen in Kraft. Die Aussicht, dass Arte die Premiere zeigt, hätte das Team aber motiviert, weiter zu machen, berichtet der Intendant. Die Prager Staatsoper dagegen musste ihren für November geplanten Beitrag, Bedrich Smetanas „Dalibor“, ins Frühjahr 2021 verschieben, weil in Tschechien noch nicht einmal Proben gestattet sind.

Für alle Klassikfans, die unter dem zweiten Kultur-Lockdown leiden, dürfte sich die Arte-Website in den kommenden Wochen zu einer Hauptquelle des Trostes entwickeln. Neben den Musiktheaterstücken – aktuell beispielsweise ein „Parsifal“ aus Palermo und eine „Turandot“ aus Barcelona – finden sich hier ebenfalls Konzertmischnitte jeglicher Stilrichtung. Und auch der Geiger Daniel Hope hat sein bewährtes Corona-Livestream-Format der „Hope@Home“-Wohnzimmerkonzerte erneut aufgenommen. Diesmal präsentiert er unter dem Motto „Next Generation“ vor allem junge Künstlerinnen und Künstler.

3sat bietet ein Österreich-Special

Doch nicht nur Arte versorgt die Musikhungrigen zuverlässig, auch viele andere Sender machen in ihren Mediatheken interessante Klassik-Angebote. Vier Highlights der leichten Muse bietet beispielsweise 3sat noch bis Ende November bei seinem Österreich-Special. Da ist Franz Lehars Operetten-Evergreen „Die lustige Witwe“ in einer opulenten Freiluft-Produktion der Seefestspiele Mörbisch, da gibt es das Musical „I am from Austria“, eine Aufzeichnung des diesjährigen Sommernachtskonzerts aus dem Park des Schlosses Schönbrunn und die Hommage an „Mein Wien“ von Startenor Jonas Kaufmann. In der Mediathek des WDR findet man eine Dokumentation über die legendären drei Tenöre, beim Bayerischen Fernsehen einen Film über die Geschichte der Wiener Philharmoniker.

Analog im Fernsehen wird 3sat am 5. Dezember um 20.15 Uhr Vincenzo Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ zeigen, die Belcanto-Version des Romeo-und-Julia- Stoffes, in Christof Loys Züricher Inszenierung. Am 12. Dezember, ebenfalls um 20.15 Uhr, folgt dann eine viel gelobte Fassung von Beethovens „Fidelio“, die Mitglieder der Berliner Philharmoniker zusammen mit Insassen der Justizvollzugsanstalt Tegel erarbeitet haben.

Ob es dagegen bei 3sat am 17. Dezember mit der Ausstrahlung eines Auftritts von Daniel Barenboim und dem West Eastern Divan Orchestra in Bonn zum Abschluss des Beethoven-Jahrs klappt, wird man sehen. Die aktuelle Entwicklung der Pandemie macht den Fernsehleuten die Planungen nicht leicht, wie Christian Schäfer-Koch von der Pressestelle des ZDF betont. Das Zweite würde sich freuen, wie gewohnt ein Adventskonzert aus Dresden sowie das Neujahrskonzert aus Wien zeigen zu können. Genauso geht es dem RBB mit dem Silvesterkonzert aus der Berliner Philharmonie.

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