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Ein "Meinungskartell" sieht Ex-Bundespräsident Christian Wulff bei der Berichterstattung über seinen Fall "am Werk".

© dpa

"Kompletter Blödsinn": Medien wehren sich gegen Wulff-Vorwürfe

Erneut kritisiert Ex-Bundespräsident Christian Wulff die Medien. Der Presserat findet die Vorwürfe absurd, auch „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann kontert - und veröffentlicht Briefe des früheren Staatsoberhaupts.

Wer mit der Berichterstattung deutscher Medien unzufrieden ist, kann sich jederzeit beim Presserat über einen Artikel beschweren, der nach seiner Meinung gegen den deutschen Pressekodex verstößt. Christian Wulff bevorzugt einen anderen Weg. Erst nutzte der Ex-Bundespräsident die Veröffentlichung seiner Biografie „Ganz oben Ganz unten“, um sich als Opfer einer Medienjagd zu erklären, jetzt legte er im „Spiegel“ noch einmal nach.

Ein „Meinungskartell“ sei „am Werk“ gewesen bei der Berichterstattung über seinen Fall, klagte der 55-Jährige. Politik dürfe sich „von einflussreichen Medienmachern nicht in die Enge treiben lassen“, künftig sollten „die Regularien des Presserats“ deshalb „überdacht“ werden – eine Forderung, die der Presserat selbst absurd findet.

"Keinerlei Bedarf, etwas an den Regeln zu ändern"

„Vielleicht hätte Herr Wulff die Institution selbst erst einmal ausprobieren sollen, bevor er sich darüber beschwert, dass das Instrumentarium nicht ausreichend ist“, sagte Arno Weyand vom Presserat. „Wir sehen keinerlei Bedarf, derzeit etwas an den Regeln zu ändern, die sich in den vergangenen 60 Jahren bewährt haben.“

Beschwerden über die Berichterstattung zum Fall Wulff hat es beim Presserat tatsächlich gegeben. 14 Stück wurden bisher eingereicht, unter anderem gegen „Spiegel“, „Bild“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, den „Schwarzwälder Boten“ und die „Augsburger Allgemeine“, eine Beschwerde richtete sich auch gegen den Tagesspiegel. Kritisiert wurde in den meisten Fällen eine Verletzung von Ziffer zwei des Pressekodexes, die journalistische Sorgfaltspflicht, sowie von Ziffer neun des Kodexes, wonach Menschen nicht in ihrer Ehre verletzt werden dürfen mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild. 13 Beschwerden wurden als unbegründet bewertet, über eine weitere wird auf der kommenden Sitzung am 9. September entschieden.

Wulffs Vorwurf sei "kompletter Blödsinn"

Der Deutsche Journalisten-Verband weist Wulffs Kritik ebenfalls zurück. „Der Vorwurf des Meinungskartells ist kompletter Blödsinn“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Von der ungeklärten Finanzierung seines Eigenheims über Urlaube bei Freunden aus der Wirtschaft bis hin zur möglichen Vorteilsannahme habe damals die Palette der Ungereimtheiten gereicht. Es sei Aufgabe der Medien, ihre Wächterfunktion in der Demokratie wahrzunehmen. Ob sich Wulff durch anfangs ungeklärte private Kreditgeschäfte möglicherweise in Abhängigkeit begeben habe, sei für die Öffentlichkeit durchaus von Belang gewesen. „Wer daraus im Nachhinein ein Meinungskartell konstruiert, hat die Wirklichkeit aus dem Blick verloren.“

Ein Dank für den "lieben" "Bild"-Chefredakteur

Auch „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann pariert am Montag Wulffs Vorwurf, die „Bild“ hätte ihn „zum Abschuss freigegeben“. Auf Twitter veröffentlichte er Archivmaterial wie einen Brief, in dem Wulff dem „lieben“ Kai Diekmann für die „Unterstützung“ zur Wahl dankte. Das sei für ihn „Ermutigung, Ansporn und Verpflichtung zugleich“. "Und so furchtbar hat der Bundespräsident unter der @Bild-Hetze gelitten - 10 Wochen nach Islam-Rede", spöttelte Diekmann und twitterte das Foto einer Weihnachtskarte, in der Wulff Diekmann „für manch guten Ratschlag“ dankte.

Dass Wulff die Berichterstattung über seinen Fall offensichtlich verzerrt sieht, stellte dann auch noch die Bundespressekonferenz (BPK) klar. Wulff hatte sich in dem "Spiegel" über den Umgang mit seinem Freispruch beschwert. Regierungssprecher Steffen Seibert sei in der Bundespressekonferenz von den Journalisten gefragt worden, was Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Einstellung von "Wetten, dass..?" sage, sein Freispruch sei dagegen gar nicht Thema gewesen. Wo keine Frage sei, könne Merkel auch keine Antwort geben, so Wulff. Daraufhin veröffentlichte Bundespressekonferenz-Vorsitzender Gregor Mayntz am Montag einen Auszug aus dem Protokoll. "Am Tag des Wulff-Freispruches (27. Februar) hat es keine Bundespressekonferenz gegeben. In der Bundespressekonferenz am folgenden 28. Februar ist in der Tat nicht nach Wulff gefragt worden. Aber auch nicht nach ,Wetten, dass…'", schreibt Mayntz. Nach der Reaktion der Kanzlerin auf die Entscheidung zur Einstellung der ZDF-Sendung sei erst am 7. April gefragt worden. "Der von Wulff konstruierte Zusammenhang existiert also nicht", betonte Mayntz. Außerdem stehe es dem Regierungssprecher jederzeit frei, von sich aus Stellung zu nehmen zu Angelegenheiten, die ihm wichtig erscheinen. "Insofern ist Wulffs  Darstellung auch falsch, Frau Merkel könne keine Antwort geben, wenn sie nicht gefragt werde", teilte Manytz mit.

Wulff steht es weiterhin frei, sich beim Presserat zu beschweren. Ob er Erfolg hat, bleibt am Ende jedoch dem Expertengremium überlassen. Sonja Álvarez

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