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Voller unterdrückter Ängste, aber dennoch fest entschlossen: Stefan Schenk (Jörg Schüttauf) will seinen Sohn Jakob aus den Fängen des Islamischen Staats reißen.

© WDR/zeroonefilm/Michael Kotschie

Konvertiten-Drama: Vom Reihenhaus ins Kalifat

Hunderte junge Deutsche schlossen sich dem IS an: Der ARD-Film „Macht euch keine Sorgen“ erzählt das reale Szenario als Vater-Sohn-Drama in der Mittelschicht.

Die Schenks sind eine intakte Mittelschichtsfamilie: Reihenhaus, gepflegter Garten, die Eltern sind berufstätig, haben drei Kinder und führen eine harmonische Ehe. Am Frühstückstisch wird mit Marie, dem jüngsten Kind, gebetet. Ihren gerade erwachsen gewordenen Sohn Jakob wähnen Stefan (Jörg Schüttauf) und Simone (Ulrike C. Tscharre) im Spanien-Urlaub, doch dann stehen Beamte des Landeskriminalamts (LKA) vor der Tür. Vermutlich habe sich Jakob in Syrien dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen, eröffnen sie den ungläubigen Eltern.

Die versuchen vergebens, Jakob zu erreichen, forschen in seinem Umfeld nach, befragen den Imam der örtlichen Moschee, holen sich Rat bei einer Expertin. Der älteste Sohn David (Leonard Scheicher), der bereits ausgezogen ist, wirft den Eltern vor, Jakob immer zu verständnisvoll behandelt zu haben. Aber jetzt gilt es alles zu tun, um ihn zu retten. Gemeinsam wird gegoogelt: „How to get to the IS“ (Wie komme ich zum IS?).

Im Mittelpunkt des differenzierten Dramas „Macht euch keine Sorgen“ stehen also das familiäre Umfeld, die Sorge um den verlorenen Sohn, die Überforderung und Ratlosigkeit, die Selbstzweifel und Schuldgefühle. Die Eltern begegneten Jakobs (Leonard Carow) Übertritt zum Islam mit Toleranz. „Der Islam ist nicht das Problem“, sagt der Vater. Die Mutter findet es „trotzdem richtig, dass wir unseren Kindern grundsätzlich vertrauen“.

Es ist müßig, dem Film vorzuwerfen, dass Jakobs Wandlung zum Konvertiten und gar zum IS-Anhänger nur in Ansätzen erzählt wird. Diese Schlüsselfrage, die etwa in dem ARD-Zweiteiler „Brüder“ ausführlich behandelt wurde, wird hier bewusst auf das Nötigste reduziert. Das Drehbuch von Kathi Liers und Jana Simon setzt nicht nur zeitlich anders an, es hält sich auch konsequent an die Perspektive des Vaters, der einsehen muss, dass er die Entwicklung Jakobs nicht wahrgenommen hat.

Dann endlich meldet sich Jakob per SMS

Die knapp 1000 aus Deutschland nach Syrien ausgereisten IS-Unterstützer stammen nicht nur aus zerrütteten oder prekären Familienverhältnissen. Deutlich zu machen, dass es jeden treffen kann, war ein Anliegen der Macher. Dennoch ist es nur schwer nachvollziehbar, dass diese Bilderbuch-Filmfamilie die Radikalisierung eines ihrer Kinder so gar nicht mitbekommen haben will.

Offenbar ist der unsichere Teenager Jakob einem Freund aus der Nachbarschaft, zu dem er bewundernd aufblickt, in den Heiligen Krieg gefolgt. Dann endlich meldet sich Jakob per SMS, ruft später seinen Vater sogar an. Er klingt verängstigt, man hört Schreie im Hintergrund. Stefan Schenk beschließt, in den Nahen Osten zu fahren, um Jakob mit dem letzten Ersparten freizukaufen. David reist mit.

Es beginnt ein abenteuerliches Intermezzo in einem nicht näher bezeichneten Land im Grenzgebiet zu Syrien (in Jericho gedreht): Den empfohlenen Kontaktmann können Vater und Sohn nicht auf Anhieb auftreiben. Zermürbendes Warten, Hitze, Staub, ein versuchter Raubüberfall, dann doch die überraschende Wende. Jakob ist wieder da, müde, ausgezehrt und stumm.

Der Inszenierung von Emily Atef („3 Tage in Quiberon“) gelingt es vor allem, die Auswirkungen und Konflikte innerhalb der Familie überzeugend zu erzählen. Die Mutter bleibt zwar etwas im Schatten, ist aber diejenige, die in den Gesprächen mit dem Imam und später mit den beiden Lehrerinnen Contra gibt. Der Vater ist voller Selbstzweifel und unterdrückter Ängste. Jörg Schüttauf spielt ihn als ehrenwerten Familienvater, der etwas naiv und leichtgläubig wirkt, aber entschlossen ist, seinem Sohn zu helfen.

In der zweiten Hälfte des Films werden die Ereignisse nach Jakobs Ankunft in Deutschland erzählt. Der IS-Rückkehrer wird festgenommen und verhört. Wegen seines „Heimwehs“ habe er Syrien wieder verlassen, behauptet Jakob. Die Spannung, ob er nicht vielleicht doch mit einem Terrorauftrag versehen vom IS laufen gelassen wurde, wird geschickt aufrechterhalten. Leonard Carow überzeugt vollkommen als in sich gekehrter, einsamer junger Mann – als Attentäter kann man ihn sich zwar kaum vorstellen, aber die Ungewissheit über Jakob trägt den Film bis zum Ende. Im Gegensatz zum packenden „Brüder“-Thrill entfaltet sich die Spannung in diesem Vater-Sohn- Drama leise und unaufgeregt, sodass man fast erleichtert ist, wenn einer Mitspielerin beim Badminton mal der Kragen platzt und sie Jakob zur Rede stellt.

„Macht euch keine Sorgen“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15

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