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Tilo Jung im Gespräch mit Fatah-Sprecher Husam Zomlot.

© Youtube

Krautreporter - Jung & Naiv: Verrannt im Nahostkonflikt

Tilo Jung war im Nahen Osten unterwegs. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht Jung zu den Krautreportern gehören würde, die angetreten sind, den Journalismus zu retten. Für seine Kolumne "Jung & Naiv" sprach er mit einem Fatah-Politiker. Herausgekommen ist ein unsägliches Interview. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Zugegeben: Der Nahostkonflikt ist eine furchtbar komplizierte Angelegenheit. Seit Jahrzehnten bekämpfen sich Israelis und Palästinenser – und keiner versteht so recht, warum es für diesen Streit bislang keine Lösung gibt. Da kann man gerade als Außenstehender mangels Übersichtlichkeit rasch verzweifeln und sich kopfschüttelnd abwenden: Ach herrje, lasst mich doch einfach in Frieden.

Es geht selbstredend auch anders. Man bemüht sich, das Schwierige möglichst verständlich zu machen. Bei der Sendung mit der Maus mit ihren Sachgeschichten funktioniert das recht gut. Warum dieses Erklärprinzip nicht für den vermaledeiten Konflikt zwischen den beiden Völkern nutzen? Weil es nicht funktioniert! Der Krautreporter Tilo Jung – einer von denen, die Online den Journalismus gewissermaßen neu erfinden wollten, – hat sich mit seiner Rubrik "Jung und Naiv" gen Nahen Osten aufgemacht und sich im dortigen politischen Dickicht hilflos verirrt.

Dabei hätte Fatah-Sprecher Husam Zomlot mit aufklärerischem Impetus eigentlich eine Schneise des Lichts schlagen sollen. Aber daraus wurde nichts. Denn der atemberaubenden Naivität der Fragen hatte auch er kaum etwas anderes entgegenzusetzen, als einige Propaganda-Floskeln und peinliche - und unwidersprochene - Vergleiche.

Das Video vom Gespräch finden Sie hier.

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Zum Beispiel sieht er in seiner Fatah so etwas wie eine SPD auf Palästinensisch. Okay, das mag man noch als Quatsch durchgehen lassen. Doch richtig hanebüchen wird es, wenn Zomlot die islamistische Hamas, als Christdemokraten bezeichnet. "Wirklich?", fragt da Interviewer Tilo Jung knallhart nach. "Da hab ich noch nie was von gehört. Die Hamas wäre so etwas wie Angela Merkels Partei in Deutschland, nur mit Gewalt?" Das Ja als Antwort verhallt unwidersprochen in den Weiten des Internets. Und der Hinweis darauf, dass die Hamas weiterhin Israel jedes Existenzrecht abspricht, fehlt gleich ganz. Dafür darf der Fatah-Vertreter einfach mal so das heutige Israel mit den rassistischen Nazis des "Dritten Reichs" gleichsetzen. "Es ist traurig, dass Leute, die in deinem Land selbst Opfer einer solchen Reinheitsideologie wurden, die zur Vernichtung von Millionen von Menschen führte, dass diese Leute jetzt genauso denken." Dabei hat der Interviewer mal zu Protokoll gegeben, man müsse die Leute triezen, damit sie aus ihrem Sprachschema herauskommen.

Aber es gibt sehr ambitionierte investigative, wirklich wahnsinnig provokante Fragen an den Palästinenser. Etwa, ob er jüdisch sei. Der fragt zu Recht perplex zurück: "Ob ich Jude bin? Nein, ich bin kein Jude, ich bin Palästinenser." Ach so, sieh an! Auf diesem arg bescheidenen Niveau bewegt sich das gesamte Gespräch. Ist ja auch wirklich sehr kompliziert, das mit dem Nahostkonflikt. Aber Achtung. Vielleicht ist das Ganze als Satire gedacht gewesen. Dafür spricht, dass in der nächsten Folge ein jüdischer Siedler aus dem Westjordanland zu Wort kommen soll. Der wird uns dann sicherlich ausführlich erklären, warum er sein politisches Zuhause bei den deutschen Vertriebenen sieht. Warum auch nicht? Im Nahen Osten scheint nach diesem Interview schließlich alles denkbar.

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