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Auf nach Kiel. Sarah Brandt (Sibel Kekilli) ermittelt mit Kommissar Borowski.Foto: NDR

© NDR/Marion von der Mehden

Krimi: Gegen den Trend

Mehmet Kurtulus geht, Sibel Kekilli kommt: Der NDR setzt in Hamburg und Kiel auf neue „Tatort“-Formationen.

Wenn in diesen Tagen vom NDR-„Tatort die Rede ist, dann meistens mit einem Bedauern oder Staunen im Ton. Gerade ist bekannt geworden, dass der ungewöhnliche Hamburger Ermittler Cenk Batu alias Mehmet Kurtulus nach nur sechs Folgen – vier davon sind bereits ausgestrahlt – aufhören wird. Das geschehe auf eigenen Wunsch des Schauspielers und „überhaupt nicht zur Freude“ des neuen NDR-Fernsehfilmchefs Christian Granderath. Umso erfreulicher oder vielleicht sogar erstaunlicher, dass bei einem anderen NDR-„Tatort“ eine türkischstämmige, deutsche Schauspielerin als Ermittlerin fester ins Team rückt. Im Oktober 2010 spielte Sibel Kekilli im Kieler „Tatort“ erstmals die unkonventionelle Sarah Brandt neben dem von Axel Milberg verkörperten Kommissar Borowski. Noch bis zum 31. März entsteht in Kiel der zweite „Tatort“ mit Kekilli, bei dem Sarah Brandt nun als junge Polizeianwärterin auftritt.

Damit übernimmt Kekilli offiziell die Nachfolge von Maren Eggert, die zuvor die coole Kriminalpsychologin Frieda Jung spielte und dem Kommissar dabei eher im rhetorischen und emotionalen Bereich weiterhalf. Mit Sibel Kekilli wird es offenbar deutlich handfester. Schon in ihrem ersten Fall „Borowski und die Frau am Fenster“ soll Sarah Brandt bei den Ermittlungen in eigenen Polizeireihen in ein gefährliches Duell geraten.

Mut zum Neuen also beim NDR-„Tatort“. „Ich halte eine türkischstämmige, deutsche Schauspielerin als Ermittlerin in der Primetime für sehr verdienstvoll“, sagt Fernsehfilmchef Granderath. Man müsse sehen, dass man das so populär wie möglich hinbekommt. Der Hamburger „Tatort“ mit dem verdeckten Ermittler Cenk Batu hatte immer wieder Lob von der Kritik bekommen. Der Fahnder blieb aber Schlusslicht auf der Beliebtheitsskala der „Tatort“-Ermittler. Zuletzt schalteten 6,83 Millionen Zuschauer den Hamburger „Tatort“ ein, weniger als sonst. Damit habe Kurtulus’ Abschied aber nichts zu tun, sagt Granderath zum Tagesspiegel. „Mehmet sagte uns im September vergangenen Jahres, dass er seine Prioritäten in Zukunft anders setzen will.“ Er probiere alles Mögliche aus. Der „Tatort“-Strand sei für ihn abgesurft. In diesen Tagen starten für den Schauspieler, der im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie aus der Türkei nach Salzgitter kam, Dreharbeiten in einem internationalen Film auf Malta.

Wer Kurtulus’ „Tatort“-Nachfolger in Hamburg werden wird, das steht noch nicht fest. Die Hansestadt bleibt ein schwieriges Pflaster, was des Deutschen liebsten Krimi betrifft. Schon Robert Atzorn, Kurtulus’ Vorgänger, hielt es als existenzialistisch angehauchter, stets dunkel gekleideter Kommissar Jan Casstorff mit sieben Jahren nicht sehr lange in der Krimi-Primetime aus. „Wir sitzen an Konzepten“, sagt Christian Granderath. Ihm imponiere die Idee des Hessischen Rundfunks, einen Ulrich Tukur zum außerplanmäßigen „Tatort“-Ermittler zu machen. „Die Frage ist: Wer passt zum NDR, wer passt zu Hamburg?“

Wie gut Sibel Kekilli zu Kiel und zu Axel Milberg passt, wird sich zeigen müssen. Kekilli freue sich, dass sie im „Tatort“ keine Deutsch-Türkin spielen müsse, sagte die Schauspielerin, die für ihre Darstellung im Kinofilm „Die Fremde“ jüngst zum zweiten Mal den Deutschen Filmpreis erhielt. „Ich finde es klasse, dass der NDR mich hier im ,Tatort’ nicht als Deutsch-Türkin, sondern als junge Frau ohne Migrationshintergrund besetzt.“

Viel zu verlieren hat das neue „Tatort“-Team Borowski/Brandt nicht. Das Duo Borowski/Jung rangierte zuletzt mit 7,51 Millionen Zuschauern auf Platz 14 in der Publikumsgunst der beliebtesten „Tatort“-Ermittler.Markus Ehrenberg

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