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© WDR-Pressestelle/Fotoredaktion

Krimi: Köln, ein Jammertal

Der „Tatort: Kaltes Herz“ lässt kein Problemfeld aus. Im Fokus steht das Elend der vernachlässigten Jugend.

Dieser „Tatort“ ist, wenn schon nicht erstklassig, dann doch wenigstens in einer Randnotiz historisch zu nennen. Knapp drei Wochen, bevor am 3. März 2009 das Stadtarchiv von Köln einstürzte und zwei Menschen in den Tod riss, drehten dort Regisseur Thomas Jauch und sein Team einen halben Tag lang für den 46. Fall der Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär). Der Drehtag – ein Freitag, der 13. (Februar) – war, so gesehen, ein Glückstag wenigstens für alle am Film Beteiligten, denn das Gebäude hielt noch stand.

In dem Fall „Kaltes Herz“ ist nicht mehr als ein Raum mit Schränken voller Akten zu sehen, laut Drehbuch der Keller des Jugendamts. Ein Mitarbeiter der Behörde ist in der Wohnung einer Klientin erstochen worden. Die alleinstehende junge Stefanie (Miriam Horwitz) war in die Disco gegangen und hatte ihre kleine Tochter zuvor eingeschlossen. Doch die Polizei findet nur die Leiche des Mannes, das vernachlässigte Kind ist verschwunden.

Der Kölner „Tatort“, das bedeutet: Bratwurst und Kölsch am Rhein, ein dicker Kommissar im dicken Ami-Schlitten, ein zweiter mit Hang zur Einsamkeit und auch sonst jede Menge Probleme. Kaum ein „Tatort“-Team, das die Liste der gesellschaftlichen Missstände nicht derart fleißig abarbeiten würde wie Ballauf und Schenk. „Kaltes Herz“ ist da keine Ausnahme, im Gegenteil: Atemberaubend, wie viele kritische Themen man in so einem Krimi unterbringen kann. Drogensucht, Prostitution, Selbstverstümmelung, Amtsmissbrauch, Sozialbetrug, die Überforderung junger Mütter, das Abservieren junger Väter, die wirtschaftliche Not von Pflegefamilien, die Überlastung von Jugendamt-Mitarbeitern. Wohlwollend könnte man sagen, dass es keine simplen Schuldzuweisungen gibt. Keine der zahlreichen Figuren in diesem Film ist nur böse. Alle haben unser Verständnis und unser Mitleid verdient. Das kann ziemlich erschöpfend sein und das Gegenteil bewirken: Dass einem alle Figuren eher gleichgültig werden.

Von dem Dreigestirn im Polizeipräsidium ist keine Entlastung zu erwarten. Humor und Wortwitz, den Ballauf und Schenk anfangs durchaus aufblitzen lassen durften, spart sich der WDR offenbar komplett für sein lustiges Münsteraner Team vom Munde ab. Schenk ist der Opa im Oldtimer, was von Mal zu Mal weniger originell wird. Diesmal kriegt er – der Oldtimer, nicht der Opa – den Kolbenfresser. Passt irgendwie. Ballauf hatte seine Midlife-Krise bereits im letzten Fall („Klassentreffen“) aufgefrischt, dafür wird Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) weiter als eigenständige Figur aufgebaut.

Aber wie? Mit einer persönlichen Notlage, die bestens ins übervolle Sorgenpaket dieses Krimis passt: Franziska ist schwanger – schuld ist, kein Scherz, ein Frosch im Karneval, der längst wieder weitergehüpft ist. Soll sie das Kind austragen oder abtreiben? Ein wahrlich großer Konflikt, der beim Publikum vor allem Verständnis für gestresste Mütter wecken soll. Das wirkt eher kalkuliert als glaubwürdig.

Nun könnte man es in diesem Kölner Jammertal dennoch halbwegs aushalten, wenn eine spannende Geschichte erzählt würde. Aber in ihrem Ehrgeiz, das ganze Elend der vernachlässigten Jugendgeneration in einen Film zu packen und dabei möglichst viele Spuren zu legen, verheddert sich der Film im Dschungel der Figuren und Handlungsstränge. Sogar das Verschwinden der kleinen Tochter von Stefanie – eigentlich ein Grund, um ordentlich aufs Tempo zu drücken – erscheint fast wie eine polizeiliche Routineangelegenheit.

Diesen „Tatort“ konnte nicht einmal Charly Hübner retten. Der Spezialist für originelle Nebenrollen gibt einen Jugendamt-Mitarbeiter, dessen Überforderung Hübner sehr kontrolliert und sparsam zum Ausdruck bringt. Ein schwacher Trost, aber immerhin ein Trost.

„Tatort: Kaltes Herz“, ARD, 20 Uhr 15

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