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Wir treffen uns später am Rhein. Die Ermittlungen gehen dem Kölner Hauptkommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär, l.) sehr an die Nerven. Kollege Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, im Hintergrund) schaut sich das lieber mal aus der Ferne an. Foto: WDR

© WDR/Uwe Stratmann

Krimi: Nervenkrieg Entführung

Ganz ohne sozialpolitische Schnörkel: Der Kölner „Tatort“ endlich mal wieder als solider und spannender Krimi. Da darf's am Ende auch wieder die rituelle Currywurst sein.

Irgendwo in einer verlassenen Industriehalle. Ein junger Mann sitzt gefesselt auf einem Stuhl und redet auf seine beiden Entführer ein. Seine Eltern würden ihnen schon das Geld geben, sagt er. Und: „Klingt vielleicht komisch, aber lassen Sie mich bitte nicht allein.“ Die Entführer verschließen seinen Mund mit einem neuen Streifen Klebeband und gehen wortlos hinaus. Sie gehen nicht brutal vor, wirken routiniert, beinahe teilnahmslos. Dennoch ist es vielleicht nicht so klug, dass der 22-jährige Sohn eines Bauunternehmers irgendwann erklärt, die finanzielle Situation seines Vaters sei „beschissen“. Die Entführung, je länger sie dauert, spitzt sich zu. Und die „Tatort“-Frage des Abends lautet schlicht: Wer sind die beiden hinter der Maske?

Die Auflösung am Ende ist eine von nur wenigen Möglichkeiten und nicht einmal übermäßig verblüffend. Dennoch ist dem WDR mit „Keine Polizei“, dem 52. „Tatort“ aus Köln, ein spannender, wendungsreicher Film um einen Mord und zwei Entführungen gelungen. Hier wird ausnahmsweise kein Thema zur Debatte gestellt, werden keine sozialen Probleme mehr oder weniger vordergründig beackert. Und auch das Privatleben der Kommissare als schmückendes Beiwerk kommt angenehm kurz. Lydia Rosenberg (Juliane Köhler), mit der Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) seit einiger Zeit ein Techtelmechtel hat, hat sogar das erste Mal richtig was zu tun. Als Polizeipsychologin wird sie als Betreuerin der Eltern des Entführungsopfers eingesetzt. „Keine Polizei“ ist, was der „Tatort“ – in Köln und anderswo – beileibe nicht immer schafft: Einfach ein solider, schnörkelloser Krimi.

Das ist vor allem das Verdienst von Norbert Ehry. Der erfahrene Drehbuchautor legt nicht verwirrend viele Spuren, sondern konzentriert sich, geometrisch gesprochen, auf ein klares Handlungsdreieck: Auf die Eltern des entführten Jungen, auf ein verdächtiges Brüderpaar und auf deren mutmaßliche frühere Opfer. Etwas konstruiert wirkt nur der Beginn des Films mit einer Leiche, die am Schluss wieder eine Rolle spielt: Ein Rentner wird tot in einem Park gefunden. Er soll versucht haben, die Entführung zu verhindern. Ballauf und Kollege Schenk (Dietmar Bär) finden nach einer Weile heraus, wer das Opfer von Kidnappern wurde. Die Eltern haben bis dahin die Anweisung der Entführer befolgt, die Polizei nicht einzuschalten. Vor allem der Vater, Bauunternehmer Markus Wächter (Thomas Heinze), empfängt die Kommissare frostig.

Das Muster der Entführung weist auf einen früheren Fall. Der damals beschuldigte Jürgen Karg (Robert Gallinowski) konnte nicht überführt werden. Nun sitzt er wegen eines anderen Delikts im Knast, hat aber bisweilen Freigang. Sein Zwillingsbruder Andreas war nicht belastet worden, ist aber als Frührentner erstaunlich wohlhabend. Ganz im Gegensatz zum damaligen Opfer, dessen Sanitärbetrieb durch die Lösegeldzahlung pleiteging. Heute ist Elmar Thom (Oliver Bröcker) ein Wrack und nur noch Hilfskraft im Büro der Fahrschule, die er mit seiner Frau Heike (Katharina Wackernagel) betreibt.

Ehry, der bereits seinen vierten „Tatort“ für das Kölner Team schrieb, und Regie-Routinier Kaspar Heidelbach, der schon den elften Film mit Behrendt und Bär inszenierte, erzählen die Entführung nicht als rasante Action, sondern als Nervenkrieg. Als Psychoterror für die in Ungewissheit lebenden Eltern, als Trauma mit Spätfolgen für das Entführungsopfer und auch als besondere Belastungsprobe für die Polizisten. Zumindest Ballauf verwandelt sich bisweilen in einen ungeduldigen, bösen Cop. Der Autor hat sich offenkundig bei realen Fällen bedient, Parallelen zur Reemtsma-Entführung liegen auf der Hand. Täter Thomas Drach war verurteilt worden, das Lösegeld ist bis heute nicht gefunden. Aus dem Gefängnis heraus soll er auch seinen Bruder Lutz versucht haben zu erpressen, weil der einen Teil des Geldes verprasst habe. Für den Film ist das nicht weiter relevant, außer dass es Ehry gelungen ist, an die Realität anzuknüpfen und dennoch eine ganz eigene Geschichte zu entwickeln. Schön zu sehen, dass Autoren beim Kölner „Tatort“ auch noch etwas anderes abliefern dürfen als sozialpolitische Abhandlungen. So weit, dass sie das rituelle Currywurst-Futtern mit Dom-Panorama am Ende mit in den Rhein kippen, geht die Freiheit aber nicht.

„Tatort: Keine Polizei“;

ARD, 20 Uhr 15

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