zum Hauptinhalt
Auch ein Beitrag zum Thema mediale Weiblichkeitsinszenierungen im Frauenfußball: das Fotoshooting der Nationalspielerin Fadime Gülüc (Filiz Koc) auf dem Feld. Später liegt sie tot in der Kabine. Kommissarin Odenthal muss ran. Und DFB-Chef Zwanziger…Foto: SWR

© SWR/Krause-Burberg

Krimi-Spezial: Die Schönheit steht auf dem Platz

Gefangen im Klischee: Die ARD, der DFB und ihr gut gemeinter „Tatort“ zur Frauenfußball-WM.

Die Vorfreude auf die Frauenfußball-WM in Deutschland, die laut Werbeslogans ja „die schönste WM aller Zeiten“ werden soll, die Vorfreude wächst. 5,77 Millionen Zuschauer haben den 3:0-Sieg der DFB-Auswahl im letzten Testspiel gegen Norwegen im Fernsehen verfolgt. Die ZDF-Übertragung aus Mainz war damit am Donnerstag dieser Woche die meistgesehene Sendung. Der Marktanteil betrug 19,5 Prozent. Frauenfußball-Ketzer werden sagen: Vielleicht gab es an dem Abend nichts Besseres im Fernsehen. Andere wiederum werden sich darüber freuen, das, je näher diese Weltmeisterschaft rückt, Magazine, Shows, Talks und Feuilletons mit dem Thema Frauenfußball bestückt werden. Sogar Krimis. Am Sonntag ermittelt „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal alias Ulrike Folkerts im Falle einer ermordeten Nationalspielerin, leibhaftig unterstützt von Bundestrainer Joachim Löw, Manager Oliver Bierhoff und vor allem von DFB-Chef Theo Zwanziger.

Fußball-Gesichter im „Tatort“, da war doch was? Genau, Berti Vogts hatte 1999 mit einem Kaninchen auf dem Arm einen legendären Auftritt beim NDR-„Tatort“, damals mit Manfred Krug. Vogts’ Sätze („Gib dem Kaninchen eine Möhre extra, es hat uns das Leben gerettet“) sind in Erinnerung geblieben. Zwanziger möchte mit dem „Gag-Auftritt“ allerdings nicht verglichen werden. Auch Neu–Kollegin Ulrike Folkerts beteuert bei der Vorstellung des Krimis in Berlin, dass der DFB-Chef seine Sache vor der Kamera recht gut gemacht habe.

Nach dem Hannoveraner „Tatort“ mit Ermittlerin Maria Furtwängler zum Tabu-Thema Homophobie im Profifußball ist „Im Abseits“ bereits der zweite „Tatort“ in diesem Frühjahr, der quasi in Zusammenarbeit mit dem DFB entstanden ist. Auf den ersten Blick haben sich da zwei gefunden. Der „Tatort“ soll vom DFB profitieren, der Fußballbund von des Deutschem liebsten Krimi. Eine „absolute Win-win-Geschichte“, sagt Ulrike Folkerts. Vielleicht gibt es aber auch ein bisschen was gutzumachen. Bis 1970 war Frauenfußball in Deutschland offiziell tabu, wie Theo Zwanziger, bei der PK an seiner Krawatte nestelnd, einräumen muss. Eigentlich undenkbar in Zeiten der „schönsten WM aller Zeiten“ 2011: Als Kind durfte „Tatort“-Kommissarin Ulrike Folkerts in einem Dorf bei Kassel noch in keinem Verein spielen.

Die Idee, Ulrike Folkerts als Botschafterin für die Frauenfußball–WM zu gewinnen, hatte Zwanziger 2008. Auch das Ansinnen, via bekanntem TV–Krimi das Thema Frauenfußball/Migration/Diskriminierung mehr ins allgemeine Bewusstsein zu bringen. Der SWR-„Tatort“ sei besonders geeignet für Stoffe mit sozialem Hintergrund. Der Wunsch-Krimi des DFB-Bosses? „Spannende Handlung, Action, konfliktträchtige Situation, soziale Missstände thematisieren, aufrütteln.“

Dem Buch von Jürgen Werner ist anzumerken, dass es nicht einfach ist, das alles sowie die Ecken und Kanten des Frauenfußballs klischeefrei im Primetimekrimi unterzubringen: im Mordfall an der türkischstämmigen Starkickerin des FC Eppheim mit seinem Sammelsurium an Verdächtigen; neidische Mitspielerinnen, skrupelloser Manager, vernachlässigter Freund, zwielichtige Platzwarte und Boulevard-Fotografen, nicht zuletzt die strenggläubige Familie.

Regisseur Uwe Janson findet gemächliche Bilder zwischen Duschkabine, Spielfeld und Multikulti. Doch spätestens, wenn zum wiederholten Male Erklärungen/Botschaften wie die mit dem lange verbotenen Frauenfußball oder die Sache mit dem verkommenen Profifußball („früher war alles besser“, „die Wahrheit liegt auf dem Platz“) beim Tribünenplausch verkauft werden, dazu Assistent Mario Kopper (Andreas Hoppe) den skeptischen Macho gibt, der meint, dass Frauenfußball „wie Kreisliga bei den Männern“ ist, wird es des Guten ein wenig zu viel.

Im Sinne der Diskussion, wie sehr im Vorfeld der am nächsten Sonntag beginnenden Frauenfußball-WM körperliche Attraktivität und mediale Weiblichkeitsinszenierungen der Kickerinnen eine allzu große Rolle spielen, hätte dieser „Tatort“ außerdem durchaus auf das Unterwäschen-Fotoshooting der türkischstämmigen Nationalspielerin Fadime Gülüc direkt auf dem Spielfeld (!) verzichten können. Ulrike Folkerts ärgert sich selber darüber, wenn das Spiel allein nicht reicht und Frauen auf dem Platz auch noch attraktiv sein sollen. Sie verweist auf die Männer, bei denen sie nicht viele Schönheiten ausgemacht hat. „Sind das sexy Boys? Da ist mal einer dabei.“

Gespielt wird das Opfer, die schöne Kickerin, von der Deutsch-Türkin Filiz Koc, die auch im wahren Leben Model und Fußballerin ist. Dass sich beides, Model und Fußballerin, nicht ausschließt, beweist der aktuelle „Playboy“ mit fünf fast nackten Spielerinnen vorne drauf. Oder soll es zumindest beweisen.

Ob Theo Zwanziger den „Playboy“ liest? Mit seiner Trauerrede in diesem Krimi legt der DFB-Chef jedenfalls einen lupenreinen Auftritt hin. O-Ton Zwanziger: „Fadime, ruhe in Frieden.“ Dem ist aus „Tatort“-kritischer Sicht nichts mehr hinzuzufügen.

„Tatort - Im Abseits“, ARD, 20.15 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false