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Krimi: Zu viel des Bösen

Bayerischer Clash der Kulturen: Dritter„Polizeiruf“ mit Matthias Brandt und Anna Maria Sturm, die als Kripobeamtin Anna Burnhauser verhindern will, dass ihre Schwester einen Mörder heiratet.

Der Bayer als solcher ist wortkarg, besonders so einer vom Dorf. Und wenn er doch mal was sagt, dann poltert und brüllt er. Als Mensch aus dem Norden, als Berliner zum Beispiel, versteht man ihn schlecht. Das ist dem Bayern egal. Er redet Klartext und zwar in der Mundart, so ist er nun mal.

Dieser „Polizeiruf“ führt in so ein Dorf voller knorziger Originale am Rande der Bayerischen Alpen, und man könnte ja denken: Soll doch der Dorfpolizist nach dem Rechten sehen, was hat die Münchner Kripo dort verloren? Aber Anna Burnhauser (Anna Maria Sturm), Assistentin des Hanns von Meuffels (Matthias Brandt), den es erst kürzlich vom hohen Norden nach München verschlagen hat und dem es sowieso schwerfällt, sich in der Bayernmetropole einzuleben, also die Anna, die stammt aus eben jenem kleinen Dorf, in dem vor zwölf Jahren ein Mord geschah, wobei der Verdächtige, der Xaver (Daniel Christensen), frei kam. Das war alles schon sehr aufwühlend für die Leute dort. Nun weiß man ja: Es gibt eine neue Technik der Beweissicherung, genannt DNA-Bestimmung, und laut dieser Technik lässt es sich nicht von der Hand weisen: Der Xaver muss es doch gewesen sein. Anna Burnhauser, ganz aufgeregt, weil ihre eigene Schwester kurz davor steht, sich mit dem Xaver zu verheiraten, fährt in ihr Dorf, um zu verhindern, dass ein Mörder ihr Schwager wird. Sie kommt gerade noch rechtzeitig. Das Dorf wacht auf und nimmt den Xaver erneut ins Visier.

Wie kommt nun Hanns von Meuffels da hinein? Mentalitäts- und mundartmäßig gar nicht, das wird schwierig. Die Dörfler lehnen ihn ab, und er kann die Hinterwäldler seinerseits nicht mögen. Aber er muss nun in Ordnung bringen, was seine Assistentin verbockt hat. Die hat gemeint, den Xaver verhaften zu müssen, was gar nicht geht, denn: Ni bis in idem. Niemand darf zwei Mal wegen derselben Sache vor Gericht gestellt werden. Als von Meuffels der Anna die Leviten liest, versucht er schon mal, sich dem Bayerischen anzupassen, und brüllt ganz furchtbar. Die Anna wird so klein mit Hut beziehungsweise Lockenpracht. Wie konnte sie so entgleisen.

Wo von Meuffels schon mal da ist, bleibt er auch, um die Sache zu Ende zu bringen. Das Dorf nimmt das Gesetz in die eigene Hand und bereitet die Lynchjustiz vor. Der Bulle aus München steht vor der Aufgabe, den mutmaßlichen Mörder zu schützen. Das ist nicht gerade der Job, den man sich erträumt, wenn man zur Kripo geht. Aber so ist das nun mal. Über all den Menscheleien steht das Gesetz. Dessen Geltung zu schützen ist sozusagen die oberste Priorität für jeden Kommissar.

Hans Steinbichler inszeniert den Clash der Kulturen – bayerisches Dorf gegen Münchner Großkotz – ohne falsche Scham. Es gibt kaum Schnittmengen zwischen den Kulturen. Die Dörfler schweigen, brüllen oder heulen, und von Meuffels, der auch mal brüllt, murmelt Verwünschungen in sich hinein.

Man findet nicht zueinander, weder sprachlich, noch emotional, noch dramaturgisch. Der Kommissar bleibt ein Fremdkörper in dieser unter einer alten Schuld grau und steif gewordenen Dorfgemeinschaft. Nicht einmal Xaver, der ihm das Leben verdankt, zollt ihm Anerkennung. Man könnte diese Ferne von jedem Kompromiss oder irgendeiner Verständigung als Konsequenz würdigen, wenn nicht die Inszenierung der Dörfler als verstockte Gewalttäter (Drehbuch: Stefan Kolditz) einem bald den Eindruck eines unerfreulichen „Zuviel des Bösen“ aufzwänge.

Im Grunde ist in der Geschichte vom „Sleeping Murder“ (so der Titel eines Agatha-Christie-Klassikers mit ähnlichem Inhalt) gar nicht so viel Drama drin, wie Kolditz und Steinbichler herauszukitzeln versuchen. Da musste dann mit viel theatralischem Jammer nachgeholfen werden. Kommissar Hanns von Meuffels, der bald alles durchschaut, steht kühl-überlegen abseits und verteidigt das Gesetz. Als Figur, auf die es ankommt, ist es ihm diesmal versagt, das Publikum in die Geschichte hineinzuziehen. Anders als in Steinbichlers bravourösem erstem „Polizeiruf“ mit Matthias Brandt, in dem der Kommissar einem sterbenden Attentäter sein Geheimnis entlockte, überzeugt die Konfrontation von Meuffels mit dem überlebensbayerischen Dorf nicht wirklich.

„Polizeiruf 110: Schuld“,

20 Uhr 15, ARD

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