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KRITISCH gesehen: In der Kalauer-Kaschemme

Dritter Stock links. ARD.

Dritter Stock links. ARD. Sebastian mit Nazi-Uniform und Fußballpuschen, mitten im WG-Wohnzimmer. Hannes kniet vor ihm, weil der Reißverschluss der Uniform klemmt. Maxi drückt von hinten dagegen. Plötzlich kommen Christian und Petra herein herein. Erstarren. Das Studiopublikum kreischt. Schaukelt sich zum orgiastischen Lach-Höhepunkt hoch. Dann die Schlusspointe, ein müder verbaler Gag „Das ist das Coverfoto für einen neuen PEGIDA-Song.“ Frenetischer Applaus. 45 Minuten Comedy und Satire im Ersten sind vorbei. „Dritter Stock links“ ist überstanden. Hurra!

Der Kritiker lebt noch. Gerade so. ZDF-Satire-Sendungen wie „Die Anstalt“ oder die „heute-show“ bieten nicht einfach nur langweiliges Bühnen-Kabarett. Der Inhalt wird in Spielform dargeboten. Schauplatz der „Anstalt“ ist ein Irrenhaus, die „heute-show“ ist als Nachrichtensendung aufgebaut. Weil das quotentechnisch gut läuft und weil die ARD dem ZDF die guten Quoten nicht gönnt, weil Nachrichtenstudio und Anstalt als Schauplatz schon vergeben sind, gab’s beim Ersten sicher ausgedehnte und Brainstorm-intensive Marathonsitzungen. Das geniale Ergebnis: Warum findet so eine Kabarettsendung nicht einmal in einer WG statt?

Sebastian Pufpaff spielt den linken, kritischen, scharfen Kabarettisten Sebastian Pufpaff. Maike Kühl, Star des Düsseldorfer Kom(m)ödchens, ist in der Sendung seine Frau und eine Referentin auf Karrierekurs. Der Dritte – Hannes Ringlstetter, Kabarettist und Musiker aus Straubing in Bayern. Er spielt Kühls Halbbruder, der von seiner Frau wegen Untreue rausgeschmissen wurde und prompt in der WG untergeschlüpft ist.

Die Spielszenen werden von Fake-Interviews unterbrochen, die die Kabarettisten in ihren Rollen geben. Das erinnert an „Stromberg“. Allerdings waren dort die einzelnen Sendungen als Dokumentationen aufgebaut. Und da hatten die Interviews dann auch einen Stellenwert. Sie lieferten eine weitere Ebene der Komik. In der Kabarett-WG sind sie formal sinnlos – und inhaltlich witzlos.

So weit, so gut? Gut, dass die ARD mal was Neues ausprobiert. Gut, dass die ARD mal andere Kabarettisten vor die Kamera holt. Dann reicht’s aber auch schon mit den Gutheiten. Wenn schon Kabarettisten WG-Bewohner darstellen müssen, dann sollten deren schauspielerische Fähigkeiten wenigstens etwas über denen eines Laiendarstellers liegen. Ob etwas witzig ist, hängt von der Idee ab. Davon, wie neu die Idee ist. Und wie diese Idee anschließend dargeboten wird: Hannes in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Je suis Hannes“. Das ist alles, nur kein Brüller.

Die Dialoge zwischen den dreien – so kunstvoll, lebensecht und ausdrucksstark wie bei einer Schüleraufführung von Schmierentheaterdirektor Emanuel Striese. „Guten Morgen, liebe Schwester. Dein Handy ist noch beim Gerd.“ „Schröder?“ „Nein, beim Gerd vom Café Kaputt.“ „Was ist das für ein komischer Name?“ „Gerd halt.“ „Nein, Kaputt.“ „Das ist eine Absturzkneipe hier in Berlin. Da war ich gestern.“ „Aha, ich wusste gar nicht, dass mein Handy trinkt.“

In welchem Paralleluniversum ist das wirklich komisch? Früher kam das laute Lachen vom Band. Heutzutage wird vor Publikum gespielt. Die Anwesenden wurden vor Aufzeichnung sicher eindringlich und mit voll geladenen Maschinengewehren dazu aufgefordert, über alles, aber auch wirklich alles zu lachen. Auf der ARD-Internetseite steht zur Kabarett-WG folgendes PR-Geschwafel: „In ,Dritter Stock links‘ trifft messerscharfes Politkabarett auf Comedy und Sitcom, Leidenschaft auf verkifftes Phlegma, Analyse auf pure Emotion.“ Vielleicht hätte man besser diesen PR-Text verfilmen sollen. Die Kabarett-WG – nicht mal eine Kalauer-Kaschemme. Richard Weber

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