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KRITISCH gesehen: Pelzig auf der Zunge

Neues aus der Anstalt. ZDF.

Neues aus der Anstalt. ZDF. Mittendrin und doch nur dabei, so wirkt der Erwin Pelzig, der Neue in der ZDF-Kabarettanstalt. Pelzig soll Lothar Dombrowski und Oberstleutnant Sanftleben nachfolgen, eigentlich soll er sie vergessen machen. Denn die beiden, das waren die bärbeißigen Alter Egos von Georg Schramm. Einer, der nicht Kabarett macht, der Kabarett arbeitet, ins Publikum hineindonnert, der mit seinen Wutattacken auf Überwältigung setzt. Das ist die Tour von Pelzig nicht. Er ist hinterfotziger, er lässt den Witz blinzeln, er sät nicht den Wortsturm eines Schramm, er erntet seine Pointen auf leisere Art und Weise. Die aktuellen Themen zwischen schwarz-gelber Null-Regierung, der Integration der schwäbischen Hausfrau in den Stuttgart-21-Protestrausch, das hat er alles drauf, das hat er im Griff. Pelzig alias Frank-Markus Barwasser ist mehr als ein reiner Wortakrobat, er nutzt Hilfsmittel wie Fotos betender Muslime im Kölner Dom vor langer, langer Zeit nicht, er bringt nochmals den ZDF-Radikalkonservativen Gerhard Löwenthal vor Augen.

Das ergibt mal mehr, mal weniger Sinn, das macht schon lachen – und kann das Grundproblem nicht verdecken: Wer ist der Erwin Pelzig? Ein Typ mit fränkischer Tracht unterm Cordhut, okay, aber was, wer, warum steckt in dieser Type? Schramm konnte mit seinem Rentner und seinem Obristen sofort Position beziehen. Das kann Barwasser mit Pelzig nicht.

Anstaltsleiter Urban Priol hat das offenbar erkannt. Er fegt dem neuen Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation den Cordhut vom Kopf. Eine Geste, mehr als das. Erwin Pelzig ist in die führende Kabarettanstalt gekommen, das muss er kapieren, als „Frankenheimer“ wird er immer ein Fragezeichen für den Zuschauer verkörpern. Barwasser muss entweder den Pelzig überwinden oder die Figur besser in die Sendung integrieren. Die Qualitäten dazu hat er, gar keine Frage.

Er sollte sich den Urban Priol genau anschauen. Der rast wie ein Hamster im Lachrad durch die fast 60 Minuten, es scheint, als hätte Priol nach Schramms Abschied an Bewegungsfreiheit gewonnen. Priol ist der Chef, er ist böser, direkter, er will wehtun, weil ihm die Zustände wehtun. Er ist politisch verstört, verstörend.

„Neues aus der Anstalt“ ist auch in der neuen Formation die beste Narretei im deutschen Fernsehen. Der Live-Mix aus Spielszenen, Duett-Duellen und Soli verlangt allen Protagonisten alles ab. Wer da auftritt, dem muss klar sein, dass der Vorgänger beim Publikum gerade abgeräumt hat. Das gilt für Priol, das gilt für Andreas Rebers, der als Anstalts-Geistlicher einen fast schon unheimlichen Alles-Integrierer gibt. Da fällt schrecklich schnell auf, was abfällt: Helmut Schleich mit einer abgestandenen Bayern-Preußen-Nummer, Jürgen Becker, der katholisch auf muslimisch reimen will. Menschlich anständig, abgestanden im Geschmack.

Da liegt der Erwin Pelzig des Frank-Markus Barwasser um Längen vorne. Aber leichte Siege, das können seine Sache nicht sein. Wie hat Schramm gesagt? „Ich habe Herrn Pelzig als einen Mann mit beträchtlichem Quälpotenzial kennen und schätzen gelernt.“ Also. Joachim Huber

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