zum Hauptinhalt

Medien: Kritisch gesehen: Wohlfeile Politikerschelte

Frontal 21. ZDF (Dienstag).

Frontal 21. ZDF (Dienstag). / Report Mainz. ARD (Montag). "Ich weiß nichts und Sie wissen nichts, Herr Lüg", bellte einst Herbert Wehner den ARD-Reporter Ernst-Dieter Lueg an. Der blieb gefasst: "Ich danke für das Interview, Herr Wöhner." Schwer vorstellbar, dass einer wie Lueg beleidigt gewesen wäre, nur weil ihn einer aus dem Kabinett anblaffte. Schwer vorstellbar aber auch, dass einer wie Wehner einen Gedanken daran verschwendet hätte, ob er auch gut "rüber kam". Man polterte (Wehner), trank (Strauß) und schnupfte (Schmidt) sich durch die zweieinhalb Kanäle, die es gab. Dass sich die Politiker nun allesamt als Entertainer geben, hat nicht zuletzt mit dem Fernsehen selbst zu tun, das sich gerade darüber beschwert.

Wahlen werden im Fernsehen gewonnen, das weiß jeder junge Hinterbänkler. Es geht um die passende Geste zur Krawatte, die schlagfertige Pointe. Können es Fernsehmenschen - wie es Claus Richter, verantwortlich für "Frontal 21" (ZDF), und ARD-Kollege Fritz Frey ("Report Mainz") nun tun - den Politkern wirklich verübeln, dass sie sich und ihre Auftritte stilisieren? Es ist schließlich das Medium Fernsehen, das ihnen die lockeren Talkrunden von Sabine Christiansen, Maischberger, Illner oder Bio beschert hat. Der Vorwurf der Politmagazine trifft in Wahrheit die ungeliebte Konkurrenz aus dem eigenen Haus. Das Spiel der Polit-Magazine, um ein paar Fakten wöchentlich einen Skandal zu ranken, funktioniert nicht mehr, seit sich Politiker aussuchen können, wo sie auftreten. "Frontal 21"-Moderator Theo Koll offerierte den BBC-Moderator Jeremy Paxman als Vorbild, der einem britischen Innenminister vierzehnmal hintereinander dieselbe Frage stellte.

Dabei kann auch das Schweigen der Politiker beredt sein. Zum Beispiel jenes des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, der zunächst Verfechter der Kampagne für das Holocaust-Mahnmal war. Als die Kampagne scheiterte, ging er auf Tauchstation ("Kein Interview zu diesem Thema"). Sagt das nicht ebenso viel aus wie ein paar O-Ton-Floskeln?

M.B.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false