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Karriere weg vom Arbeitsamt. Bayerischer Filmpreis, Grimme-Preis – Matthias Brandt, 50, ist einer der besten Schauspieler Deutschlands. Los ging’s im „Sport Studio“. Foto: SWR

© SWR/Telekult

Künstler: Drei unten, drei oben

„Ich war ja als Kind schon berühmt.“ Ein sehenswertes Porträt zeigt auch unbekannte Seiten des Schauspielers Matthias Brandt.

Matthias Brandt ist ein Phänomen. Einen so öffentlichen Beruf wie die Schauspielerei zu ergreifen, und dann noch als Sohn des legendären Ex-Kanzlers, womit die immer so hervorgehobene, Matthias Brandt eigene Diskretion im Grunde doch konterkariert wird. Genau das mache seine Größe, seine Tiefe und Unverwechselbarkeit aus, sagt der Regisseur Hans Steinbichler und fügt eines der spannendsten Porträtpuzzle in der neuen Folge der Reihe „Deutschland, deine Künstler“, die Matthias Brandt gewidmet ist, zu einem schönen Bild zusammen.

Kann schon sein, dass der Anspruch der seit fünf Jahren recht erfolgreichen ARD-Porträtreihe, deutschen Künstlern wie Till Brönner oder Hannelore Elsner bei der Arbeit „über die Schulter blicken“, die Kamera heranzulassen an „intime Prozesse der Kreativität“, im Falle Brandt etwas zu selbstgefällig wirkt. Zudem fast ausnahmslos Produktionen des Ersten angespielt werden: vom neuen „Polizeiruf“ aus München mit Brandt als exzellent-schrägem Nordlicht-Kommissar Hanns von Meuffels über das Sozial-Drama „In Sachen Kaminski“ bis zum jüngsten Dreh „Entscheidung bei Kunduz“, in dem Brandt die tragische Figur des Oberst Klein spielt. Ausnahme: Matti Geschonnecks für das ZDF gedrehter Thriller „Entführt“, wo Brandt mal einen Bösen mimt. Da ist in 45 Minuten viel von Genie, Kunst und Persönlichkeit die Rede. Andererseits, es dürfte sich im ganzen Land kein Kollege, Maskenbildner, Filmkritiker (oder Zuschauer) finden, der etwas Schlechtes, Nachteiliges über Matthias Brandt zu sagen hätte.

Der 1961 in Berlin geborene und lange Zeit in Bonn lebende Schauspieler ist der jüngste Sohn des früheren deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt und Frau Rut. Seine Brüder sind der Schriftsteller und Filmemacher Lars Brandt und der Historiker Peter Brandt, den die Autorin Inga Wolfram genauso vor die Kamera bekommen hat wie den ersten Schauspiellehrer Peter Meinhardt oder die Kollegen Axel Milberg und Martina Gedeck.

Die Klasse von Matthias Brandt? Wie man durch seine Augen in seine Seele schauen kann (Gedeck), seine altmodische, in der Branche vollkommen unübliche Höflichkeit (Milberg) oder eben jene Diskretion, die Steinbichler anspricht. Der Regisseur hat mit Brandt den zweiten, stark diskutierten „Polizeiruf“ um einen Terroranschlag auf einen Münchner Fußgängertunnel inszeniert, der 2011 wegen angeblich jugendgefährdender Szenen auf einen undankbaren Sendeplatz am Freitag um 22 Uhr verlegt worden ist.

Das hat auch Matthias Brandt nicht gefallen. Man kann sich schon vorstellen, dass der leise Mann auch sehr laut werden kann, nicht nur vor der Kamera wie im letzten „Polizeiruf“ oder bei einer Lesung mit der Kabarettistin Cordula Stratmann. Eher unbekannte Brandt-Bilder sind das über die humoristische Seite des Schauspielers, die durch Szenen einer musikalischen Lesung von Hitchcocks „Psycho“ ergänzt werden. Überraschend auch die Sequenz aus einem „Aktuellen Sport Studio“ mit Hajo Friedrichs, in das sich Kanzler Willy Brandt 1974 nur mit Sohn Matthias wagte. Der musste seinen Vater an der Torwand vertreten. Drei unten, drei oben.

Das sehenswerte Porträt enthält sich, Gott sei Dank, des allzu vordergründigen Versuchs, Brandts Werdegang als Schauspieler (nach dem Abitur ließ sich Brandt aus Verlegenheit vom Arbeitsamt zur Schauspielschule Hannover vermitteln, nicht unbedingt zur Freude seines oft abwesenden Vaters) und dessen Karrierestart in dem Drama „Im Schatten der Macht“ mit dem Psychologem „Vatermord“ in Verbindung zu bringen. 2003 spielte Brandt in diesem Fernsehfilm, der die letzten Tage vor dem Rücktritt Willy Brandts vom Amt des Kanzlers schildert, die Rolle des Günter Guillaume. Der Sohn in der Rolle des Mannes, der seinen Vater zu Fall brachte! Na und, sagte Brandt sinngemäß, überlegt und locker, mit dunkler Brille und Anzug aus dem Ledersofa heraus. Wenn er einen „Vatermord“ im Sinn gehabt hätte, hätte er ganz andere Sachen gemacht. Da gibt es in der Arbeit nichts zu bereinigen. Außerdem: „Ich war ja als Kind schon berühmt.“

Am Ende fährt einer der besten und bekanntesten Schauspieler Deutschlands, der mit Frau und Kind in Berlin wohnt, auf dem Fahrrad mit MP3-Player und Kopfhörer durch die verregnete Hauptstadt. Matthias Brandt lächelt in die Kamera. Irgendwie diskret.

„Deutschland, deine Künstler“,

ARD, 22 Uhr 55

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