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Medien: Kulturphilosophie zur Fußball-EM

verrät, was Sie nicht verpassen sollten Wer auf den Punkt fit sein will, sollte sich langsam warm laufen. Flache Pässe aus dem Fernsehsessel, Rekapitulation der wichtigsten Fairplay-Regeln, Wechselbäder unter der häuslichen Dusche.

verrät, was Sie nicht verpassen sollten Wer auf den Punkt fit sein will, sollte sich langsam warm laufen. Flache Pässe aus dem Fernsehsessel, Rekapitulation der wichtigsten Fairplay-Regeln, Wechselbäder unter der häuslichen Dusche. In zehn Tagen beginnt die Fußball-Europameisterschaft.

Auch das Radio widmet dem bedeutenden Ereignis allerhand Vorspiele. Wussten Sie, dass Jurek Becker an einem „Fußball-Roman“ geschrieben hat? Leider ist das Werk nie fertig geworden. Aber es gibt eine zwanzig Jahre alte Archivaufnahme, in der Becker aus dem Fragment vorliest. Im Mittelpunkt steht ein Fußballer namens Kilian.

Einerseits bestreitet der Mann gerade ein Länderspiel gegen Belgien, andererseits denkt er fieberhaft über eine Flucht nach. Soll er seine Mannschaft noch vor dem Abpfiff verlassen? Natürlich ist die DDR gemeint, die vor zwanzig Jahren von einer ersten großen Ausreisewelle erschüttert wurde. Aber in Beckers Text geht es eben auch um Fußball. Weil der Autor ein Liebhaber dieses Sports ist. Weil der Ball ja trotz aller individuellen Seelennöte weiter rollen muss (2. Juni, 20 Uhr 30, Deutschlandfunk, UKW 97,7 MHz).

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Zu den existentiellen Grundlagen des Spiels führt uns das schöne Feature „Solo für den Fußball“ von Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza. Wahrscheinlich hat jeder von uns angesichts eines simplen Fußballs schon mal über die Verbindung von technischer Primitivität und größter Seelenwirkung nachgedacht. Man werfe unter eine Gruppe von Männern eine stabile Gummikugel und sofort beginnen sie begeistert zu tanzen.

Hoffmann und Nendza erzählen die lange, wechselvolle Geschichte des Sportgeräts. Die Chinesen nahmen federgefüllte Ledersäcke, die Azteken spielten Fußball aus religiösen Gründen. Es gibt auch ziemlich viel Kulturphilosophie zum Thema. Der offizielle EM-Ball 2004 heißt übrigens „Roteiro“, ein absolutes HighTech-Produkt, benannt nach dem Logbuch des Weltentdeckers Vasco da Gama (6. Juni, 20 Uhr 05, Deutschlandfunk).

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Alles über die Schlachtgesänge der Fußballtrunkenen erfahren Sie in Johannes Sistermanns Feature „Fußgesänge ballrund“. Was sich in rauen Kehlen oft bis zur Unverständlichkeit abschleift, wird hier penibel ans Licht gebracht (7. Juni, 14 Uhr 05, SWR 2, Kabel UKW 107,85 MHz).

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Weil auch Verächter des Sports ihre Rundfunkgebühren bezahlen, sei noch das Hörspiel „Chat Lines“ von Heiner Grenzland empfohlen. Der Autor hat den anarchischen Fluss der Kommunikation in den Chatrooms des Internets als musikalisches Material betrachtet. Eine Wort-Klang-Welt, in der Texte, Melodien, Sprachen und Rhythmen durcheinander wirbeln. Überall Anonymität, die nach Intimität sucht. Chaotische Oberflächen, hinter denen sich Geschichten entdecken lassen (7. Juni, 0 Uhr 05, Deutschlandradio, UKW 89,6 MHz).

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Man kann im Radio natürlich auch einfach nur gute Musik hören. Etwa in der Reihe „Blues live“, die diesmal den Gitarristen Duke Robillard porträtiert. Eine zentrale Figur des weißen Blues. Eine absolute Ohrenweide (4. Juni, 21 Uhr 05, Deutschlandfunk).

Tom Peukert

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