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Unter Wasser zum Happy End. Wenn Lotte Baierl (Yvonne Catterfeld) und Hans Hass (Benjamin Sadler) tauchen gehen, wird alles schwerelos und traumschön. Foto: ZDF

© Petro Domenigg

Leben wie im Drehbuch: Tauchen heißt lieben

„Das Mädchen auf dem Meeresgrund“: Der ZDF-Film schildert, wie Lotte und Hans Hass sich unter und über Wasser fanden.

In der zweitschönsten Szene des Films versucht Hans Hass, der Tauchpionier aus Wien, einen Filmproduzenten als Finanzier seiner neuen Expedition zum Roten Meer zu gewinnen. Der Produzent, ein leicht aufgedunsener und ziemlich aufgeblasener Herr, lässt sich gerade im Hotel massieren, während Hass auf ihn einredet und Hass' Assistent gierig auf die bereitgestellten Fischhäppchen schielt. Der Produzent hingegen zeigt kein Interesse an Fischen, schon gar nicht im Film. Bis Lotte in der Tür auftaucht. Eine hübsche, blonde Frau – mit einem Schlag erkennt der Filmprofi, wie ein Dokumentarfilm über die Unterwasserwelt zum Kassenschlager werden kann.

Tatsächlich war „Abenteuer im Roten Meer“ 1951 ein großer Erfolg. Bilder von Rochen und Haien, damals noch schwarz-weiß, dazu unter Wasser aufgenommene Töne – das waren absolute Raritäten. Verpackt wurden die spektakulären Naturaufnahmen als „Dokudrama“, wie man heute sagen würde. Lotte Baierl, die Sekretärin von Hans Hass, spielte sich selbst: Eine Frau, die als Taucherin und Fotografin großen Mut beweist, auf einem Schiff voller Männer und in einem Meer voller Ungeheuer. Auch im wahren Leben hatte die Geschichte ein Happy End: Kurz nach den Dreharbeiten heirateten Hans und Lotte, wobei der Heiratsantrag aus dramaturgischen Gründen im ZDF-Film von Kairo aus vor die Haustür von Lottes elterlicher Wohnung in Wien verlegt wird. Noch über 60 Jahre später sind sie miteinander verheiratet. Ganz am Ende des Films sind beide zu sehen: Er ist heute 92, sie 83 Jahre alt – ein betagtes Liebespaar.

Auf der Grundlage des Buchs „Das Mädchen auf dem Meeresgrund“, das Lotte Hass 1970 veröffentlicht hatte, erzählen Christoph Silber (Buch) und Ben Verbong (Regie) die Geschichte vom forschen Wiener Mädchen, das Sartres „Wege zur Freiheit“ liest und sich im Expeditionsteam von Hans Hass (Benjamin Sadler) unentbehrlich macht. Yvonne Catterfeld gibt die lebenslustige, strahlende Heldin im heute eher züchtig wirkenden Badekostüm. Als Taucherin im Meer wurde sie allerdings meistens gedoubelt. Immerhin darf sie auch mal traurig und wütend sein, während Benjamin Sadler den Hans Hass durchgängig als trockenen Knochen ohne erkennbare Gefühlsregungen spielen muss. Er ist ein gestrenger Forscher, kein Abenteurer, und von Frauen an Bord hält er ohnehin wenig. „Ab jetzt sind Sie ein Mann“, sagt er zu Lotte, als sie das Forschungsschiff in Ostafrika besteigen, und lässt die junge Frau erst einmal das Deck schrubben. Eine Emanzipationsgeschichte also, die allerdings im ZDF-Film sehr konventionell endet. Die Selbstbefreiung der abenteuerlustigen Fotografin gipfelt darin, nicht nur sein „Schmuckstück“ vor der Kamera zu spielen, sondern es als seine Ehefrau auch sein zu dürfen.

Fünfziger Jahre eben. Doch wie spießig diese Zeit wirklich war, kann man in diesem Film nicht nachvollziehen. Auch Afrika sieht so malerisch aus, wie man sich den Orient in „Tausendundeiner Nacht“ vorstellt. Und die Härte einer Forschungsreise auf einem Segelschiff wird mit ein paar Kakerlaken eher zart angedeutet. Allzu glatt und glänzend hat Ben Verbong die Geschichte für den Fernseh-Mainstream inszeniert. Passend dazu wird in dieser ZDF/ORF-Koproduktion unter lauter Österreichern seltsamerweise perfektes Hochdeutsch gesprochen. Nur Harald Krassnitzer, der Hass' rechte Hand Xenophon spielt, bringt die richtige Sprachmelodie zur Originalgeschichte mit ein. Dem deutschen Publikum wird's wohl recht sein. Sehr schön ist allerdings die Ausstattung, vor allem die Riesen-Kästen, mit denen damals im Wasser fotografiert wurde, beeindrucken.

Noch vor Jahren galten biografische Filme bei Fernsehmachern als nicht sehr Erfolg versprechend, doch mittlerweile wird gefühlt alle paar Wochen irgendein prominenter Zeitgenosse in einem fiktionalen Drama gewürdigt, zuletzt etwa Beate Uhse oder Udo Jürgens. Spannend geht es selten zu, man weiß ja, wie es ausgeht. Auch hier zieht es sich ein bisschen, ehe Hans endlich merkt, dass Lotte doch kein Mann ist. Und ehe der Weiße Hai mehr als seine Rückenflosse aus dem Wasser streckt.

Bleibt die betörende Schönheit der Unterwasserwelt, die diesem Biopic tatsächlich eine spezielle Note gibt. In der schönsten Szene des Films tanzen Fisch und Mensch Walzer – wie vor 60 Jahren in „Abenteuer im Roten Meer“.

„Das Mädchen auf dem Meeresgrund“, ZDF, 20 Uhr 15

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