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Nicht nur in seiner Gestik ähnelt der bisherige ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut (l.) Markus Schächter, von dem er die Intendanz übernimmt. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Lerchenberg: Mainz bleibt Mainz

Markus Schächter geht mit einem Lächeln, Thomas Bellut kommt: Ein Intendanten-, aber kein Systemwechsel im ZDF. Denn Belluts Credo ist: Wenn es ernst wird, schalten die Menschen weiter den Fernseher ein.

Der ZDF-Intendant ist ein kleiner König, mindestens so wichtig wie zum Beispiel der Ministerpräsident des Saarlandes. Er wird von der Politik gemacht und ist doch nicht einfach ein Politiker. Er ist aber auch nicht einfach ein Medienmanager. Ein ZDF-Intendant ist ein universeller Moderator zwischen diesen Welten, der aber zielstrebig den Auftrag und das Interesse seines Senders zu verfolgen hat. Markus Schächter konnte das. Er war ein Genie in der Welt der Gremien und politischen Kontakte und auch im öffentlichen Auftreten wurde er zunehmend trittsicher und präzise. Am Mittwoch verlässt er den Sender.

Vor zehn Jahren wurde Markus Schächter als letzte verbliebene Kompromisslösung mit Ach und Krach ins Amt gehievt, nachdem die politischen Fraktionen bis zur wechselseitigen Erschöpfung gegeneinander intrigiert hatten. Nach seiner ersten Amtszeit wurde er am 9. Dezember 2005 mit dem besten Ergebnis wiedergewählt, das je ein Intendant des ZDF erreicht hatte. Es war die Stunde des Triumphes für Markus Schächter. Sein Kurs des sanften Umbaus des Mainzer Dickschiffs wurde belohnt. Als ihn die „schwarze Mehrheit“ im Verwaltungsrat vor den Kopf stieß, indem sie seinen Vorschlag zurückwies, Nikolaus Brender erneut zum Chefredakteur zu machen, spitzte er den Streit nicht weiter zu. Als es aber darum ging, die Unabhängigkeit der Gebührenfestlegung zu behaupten, zog er vor das Verfassungsgericht. Die Institution ist eben wichtiger, als sich selber durchzusetzen.

Schächter pflegte diese vermittelnde Linie aus Kompromissen und sachter Hartnäckigkeit. Jähe Wendungen, radikale Neuerungen, ein Aufmischen des trägen Mainzer Tankers – das war seine Sache nicht. Dazu ist er auch zu sehr Fleisch vom Fleische dieser widersprüchlichen Institution. Seit 1981 ist er beim ZDF. Immer arbeitete Markus Schächter hinter den Kulissen und lernte so das ZDF kennen wie seine Westentasche. Trotz aller politischen Einflussnahme wird der Mainzer Sender de facto in Erbfolge regiert: Schon Schächters Vorgänger Dieter Stolte war Programmdirektor des Intendanten Karl Holzamer, bevor er für zwanzig Jahre selbst das oberste Stockwerk auf dem Lerchenberg bezog. Schächter wiederum diente Stolte als Programmdirektor – kein Wunder, dass Schächter nun den Sender ebenfalls dem Kronprinzen, seinem Programmdirektor Thomas Bellut übergibt. Diesmal freilich ist es ein Übergang ohne Friktionen.

Bellut ist mit 57 nur fünf Jahre jünger als Schächter und kam nur drei Jahre nach diesem zum Sender, freilich als journalistischer, promovierter Volontär. Bellut leitete unterschiedliche Redaktionen und moderierte wichtige politische Sendungen, darunter Ausgaben von ZDF-Spezial und das Politbarometer. Viel in der Welt herumgekommen ist er nicht: Vechta, Münster, Mainz sind die Stationen des Osnabrückers, der mit Hülya Özkan, die das ZDF-Publikum als Moderatorin von „heute in Europa“ kennt, verheiratet ist. Auf den gelernten Generalisten folgt ein Mann des Programms.

Vielleicht liegt diese hauseigene Kontinuität auch daran, dass das widersprüchliche Gebilde tatsächlich schwer zu führen ist. Das ZDF ist ein zentraler Sender, in dem doch die Vertreter der Länder das größte politische Gewicht haben, politisch soll er mehr konservativ sein. Zur Leitungsstruktur gehört auch, dass die Chefredakteure eher der Sozialdemokratie zuneigen. Das ZDF soll ein Gegengewicht zur föderalen ARD bilden, obwohl es im dualen System vor allem gemeinsame Interessen gibt.

Markus Schächter („Ich gehe mit einem Lächeln“) verzichtet nicht als Getriebener auf eine dritte Amtszeit. Er tut dies souverän. Seine eigene Brückenfunktion hinein ins digitale Zeitalter sieht er als hinreichend erfüllt an. Flotte Beiboote wie neo, kultur und info hat er dem ZDF verschafft. Das Ziel, vom Ein-Kanal-Sender zur digitalen Familie zu mutieren, ist formal erreicht. Aber zum Ende seiner Amtszeit hat die KEF, das für die Gebührenzuweisung zuständige Gremium, für das ZDF erstmals strikte Sparauflagen beschlossen. Bis dahin schauten die KEF-Leute stets wohlwollend auf die Expansionen des Zweiten. Erst sein Nachfolger wird den Kampf darum aufnehmen müssen, ob sich das traditionelle, in Programmen gebündelte und auf fest definierten Sendeplätzen angebotene Fernsehen in Konkurrenz zu Youtube, Google-TV und vielleicht auch der Telekom noch als Leitmedium behaupten kann.

Dazu braucht Thomas Bellut viel politisches Geschick und programmliche Ideen. Auch er kennt sich aus in allen Winkeln und Winkelzügen des ZDF. Schon früh hatte er intern signalisiert, dass er auch gerne als Intendant für den SWR oder NDR kandidieren könne, wenn der ZDF-Stuhl auf absehbare Zeit nicht frei werde. Jetzt hat er noch kurz vor dem Amtsantritt am 15. März mit Markus Lanz die Gottschalk-Nachfolge geklärt. Er weiß, dass er das ZDF in eine Abwehrschlacht führen muss, für die es technisch besser gerüstet ist als personell und inhaltlich. Auch darum will das ZDF mithilfe der Fußball-Champions-League dafür sorgen, dass „die Hütte voll“ ist. Darum hält das ZDF wider alle Vernunft an der Groß-Show „Wetten, dass...?“ fest. Darum bleibt es bei Traumschiffen und Pilcher-Filmen en masse, obwohl die guten Zuschauerzahlen für diese Sendungen zugleich das Image des Zweiten als Rentnerfernsehen festigen. Zwar hat das ZDF in neo, kultur und info inzwischen ungefähr jeden aus der Generation Viva/MTV mit einer eigenen Sendung versorgt, aber welchen Einfluss soll das zukünftig auf das „richtige“ Programm haben?

Bemerkenswert ist dort vor allem der unerwartet mutige Satire-Vormarsch („heute-show“, „Neues aus der Anstalt“). Maybrit Illners Polittalk behauptet sich, eben weil er politisch geblieben ist, während die schwächelnden („heute“-)Nachrichten bis an den Rand zur Karikatur didaktisiert werden. Deren vereinfachende Kindersprache steht oft in scharfem Kontrast zur Kompetenz der Korrespondenten, die scharfzüngig aus aller Welt oder aus Berlin berichten. Im Spielfilmgenre gibt es fast nur noch Krimis, und die Shows und Quizsendungen wirken zwar optisch modern, aber inhaltlich spießig. Der Dokumentarfilm ist eingeengt durch die schematische Formensprache eines Guido Knopp.

Vor Thomas Bellut, der vom Programm kommt, tun sich einige Baustellen auf. Schritt für Schritt wird er sie sachlich angehen. Bei seinen bisherigen öffentlichen Auftritten zeigt er sich als aufgeschlossener Diskutant. Emotional wurde er bislang immer an derselben Stelle: Trotz aller sozialen Netzwerke, trotz Facebook und multimedialer Medienzukunft – wenn es ernst wird, schalten die Menschen den Fernseher ein. Davon ist Bellut überzeugt. Er will alle Kanäle nutzen, damit sich dieses massenmediale Zentrum in der Programmgestalt des Zweiten Deutschen Fernsehens noch besser behaupten kann.

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