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Chef-Visite. Selbst US-Präsident Barack Obama (links) ließ sich bei Jay Leno blicken. Dessen letzter Gast am Donnerstag wird der Schauspieler Billy Crystal sein, der im Mai 1992 auch sein erster war. Foto: AFP

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Licht aus bei Late Night: Nicht ohne meine Kamera

Jay Leno hat 22 Jahre lang die „Tonight Show“ im US-Sender NBC moderiert. Jetzt ist Schluss.

Jay Leno hat das Showgeschäft in den USA tief geprägt. Seit 1992 ist er der Gastgeber einer der erfolgreichsten und ältesten Late-Night-Sendungen im amerikanischen Fernsehen: der „Tonight Show“ auf NBC, die seit 1954 ausgestrahlt wird. Der 63-Jährige gilt als uneitler, scharfzüngiger und zugleich gerissener Komiker, dem über Jahrzehnte hinweg der Drahtseilakt gelungen ist, Amerikaner jeglicher politischer Gesinnung zum Lachen zu bringen – von Los Angeles bis New York.

Jetzt geht seine Ära zu Ende. Die sinkenden Einschaltquoten haben den Sender NBC dazu bewogen, den Vertrag mit Leno nicht zu verlängern. An diesem Donnerstag, dem 6. Februar, steht der Entertainer das letzte Mal vor der Kamera der „Tonight“-Show. Der 40-jährige Jimmy Fallon, bekannt aus „Saturday Night Life“, wird die Nachfolge übernehmen und am 17. Februar seine erste eigene Sendung produzieren.

Jay Leno gibt offen zu, dass ihm der Abschied schwerfällt – wie schon 2009, als man ihn in ein anderes Format ausrangierte und stattdessen den Komiker-Kollegen und Geheim-Konkurrenten Conan O’Brian für die „Tonight“-Show verpflichtete. NBC war überzeugt, dass der Jüngere den Abwärtstrend aufhalten könnte. Doch das Experiment scheiterte: Die Talfahrt ging weiter und nach nur sieben Monaten holte man Jay Leno zurück. Eine herbe Niederlage für den Kollegen O’Brian. Schnell kursierten Gerüchte, dass Leno die Sendung freiwillig verließ und seine Entscheidung aus Trotz wieder zurückzog. Diesen Umstand kreidet man ihm bis heute als Stillosigkeit an. Leno bestreitet jedoch, dass er freiwillig gegangen ist. Für ihn ist der Job mehr Lebensinhalt als Einkommensquelle. Der Mann, der mit vollem Namen James Douglas Muir Leno heißt, braucht die Routine wie die Luft zum Atmen. Schließlich ist der Sammler von Oldtimern in einer Arbeiterfamilie in Massachusetts aufgewachsen, wo der tägliche Gang zum Job eine Selbstverständlichkeit war.

Diese Regelmäßigkeit gehört für ihn auch zum Komiker-Beruf. „Wenn du nicht jeden Tag auf der Bühne stehst, wird das Geschäft unnatürlich und das kleinste Ding, wie ein zerbrochenes Glas, kann dich aus dem Konzept bringen. Ein Komiker muss jeden Tag auftreten, um wirklich gut zu sein!“

Das Schreiben des Stand-ups, das Gespräch mit den Gästen, die Konfrontation mit dem Publikum vier Mal die Woche – all das wird ihm fehlen. Und natürlich der Kontakt mit den Stars. Im Grunde saß schon jeder neben ihm: Paul McCartney, Heidi Klum oder Barack Obama. Und trotzdem ist sein Leben immer ein Spagat gewesen zwischen Promi-Tamtam und Zurückgezogenheit. Er soll ein Mensch sein, der sofort auf der Matte steht, wenn ein Nachbar Hilfe bei einer Dachreparatur braucht. Bis heute steht er mit seinen High-School-Freunden in Kontakt. Auch sein Privatleben geriet nie in die Schlagzeilen: Leno ist seit 1980 mit seiner Frau Mavis verheiratet. Er trinkt keinen Alkohol, schläft nur vier Stunden am Tag und hat nie geraucht. Diese protestantische Ethik soll der Grund dafür sein, warum ihm die Amerikaner so lange die Treue hielten. Leno ist ein sympathischer Kerl, der nette Onkel von nebenan, der gern provoziert, aber nie über die Stränge schlägt.

Doch die USA verändern sich. Genau daran ist Jay Leno, dessen Markenzeichen das breite Kinn ist, am Ende gescheitert. Jüngst fiel bei seinen Gesprächen auf, dass er sich in der Jugendkultur nicht mehr auskennt. Auch die neuen Medien wie Twitter und Facebook sind ihm fremd. Das gibt er offen zu. „Durch Twitter ist alles unkontrollierbar geworden. Ein falscher Satz und schon wird man in Sekunden von tausenden Menschen attackiert. Heutzutage überlegt man sich zwei Mal, was man sagt.“

Außerdem, so gesteht er unverfroren ein, würden ihn viele Dinge aus dem Pop nicht mehr interessieren. Selbst die neuen Songs von Justin Bieber kenne er nicht. Die Abfuhr wolle er mit Fassung tragen. „Immerhin kann mein Nachfolger Jimmy Fallon viel besser tanzen. Und das ist schließlich wichtig, um ulkige Clips aus der Sendung auf Youtube zu laden und junges Publikum anzusprechen.“

Tatsächlich: Die Distanz zum Mainstream hat sich mit den Jahren vergrößert. Das Interesse der Zielgruppe sank und damit auch das Einkommen von Leno. Am Ende klingen die Gründe für Lenos Ende ähnlich wie die von seinem deutschen Kollegen Harald Schmidt. Alle Reformen wirkten bemüht; jede Verjüngungskur aufgezwungen. Jay Lenos Prinzip, das 22 Jahre lang funktionierte – bodenständige Comedy für alle Schichten und Altersstufen –, ging nicht mehr auf. Schwer denkbar allerdings, dass sich Leno sein Leben ohne Show-Geschäft vorstellen kann. Er weiß zwar nicht, was er tun wird, nachdem er das letzte Mal „Good night“ in die Kamera sagt. Aber eins ist sicher: Auf eine Bühne wird er auch in Zukunft nicht verzichten können.

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