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Das verbindet. Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) hat Jan-Peter Landmann (Heino Ferch) gerade das Leben gerettet.

© NDR/Christine Schroeder

Lindholm trifft Landmann im Schweinegürtel: Perlen und Säue im "Tatort"

Der ARD-Krimi "Der sanfte Tod“ geizt nicht mit Qualität und ist doch kein großer Krimi. Überzeugend allein die Besetzung: Bibiana Beglau, Maria Furtwängler - und Heino Ferch.

Da sind große Stärken im „Tatort Der sanfte Tod“. Der über und über Fernsehpreis-dekorierte Alexander Adolph hat das Buch geschrieben und es inszeniert. Er hat vor kurzem mit dem „Polizeiruf 110: Morgengrauen“ mit Matthias Brandt überzeugt. Und jetzt kann er Maria Furtwängler und Heino Ferch besetzen. Furtwängler hat mit ihrer Charlotte Lindholm zwei Jahre pausiert, Ferch feiert Premiere im „Tatort“. Und sie treten gegeneinander an: die LKA-Beamtin und der Fleischmogul. Nicht gleich, zunächst gibt es einen Anschlag auf Jan-Peter Landmann. Zufall oder nicht, auf dem Weg nach Hause wechselt er mit seinem Fahrer die Plätze. Bei der Ankunft im Anwesen fällt ein Schuss, der Chauffeur ist tot. Kurze Zeit später sind Landmann und Lindholm in dessen Range Rover unterwegs. Eine Radmutter löst sich, nur durch das beherzte Eingreifen der Polizistin kommen beide davon. Gemeinsames Überleben schafft Nähe, die sich schnell, wenn Lindholm will, was Landmann will, vertiefen kann. Lindholm, die alleinerziehende Mutter eines Sohnes, und Landmann, der alleinerziehende Vater einer Tochter. Der reiche Mann macht der schönen Frau den Hof, pompös vielleicht, doch nicht plump. Egomanisch, manipulativ, ein Mann, der Zentrum sein will. Lindholm spürt den Zwiespalt. Fahnden muss sie, ob der Fleischbaron ein guter Mensch ist oder nicht doch ein böser. Das Hin und Her fahndet mit.

Der "Tatort" diskutiert die Methoden industrieller Billigfleischproduktion

Der „Tatort“ diskutiert Jan-Peter Landmann als einen Mustermann industrieller Billigfleischproduktion. Wunderbar, sagt Landmann, Fleisch sei ein Genussmittel wie Champagner oder Zigarren – mit dem gewichtigen Unterschied, dass sich sein Fleisch jeder leisten kann. Und die Tiere leiden überhaupt nicht. Sie müssten weder Kälte noch Hitze aushalten, sie würden nicht brutal getötet, einschlafen würden sie – ein sanfter Tod eben. Alexander Adolph hat mit Landmann eine der spannendsten „Tatort“-Figuren 2014 geschrieben. Der sich als guter Hirte sieht. Mehr als 2000 Menschen arbeiten für ihn, trotzdem betont er, er führe ein Familienunternehmen. Er agiert wie ein Pate. Die eigene Sippschaft ist extrem wichtig, der Neffe arbeitet in führender Position im Unternehmen, Chauffeur und Leibwächter sind quasi Familienangehörige. Aber die Liebe des Chefs muss gepaart sein mit unbedingter Loyalität zum Chef.

Regisseur Adolph baut keine blutigen Szenen aus Schlachthöfen ein. Auf solche Pädagogik verzichtet er. Ihn interessieren das Ideologische und das Kriminelle, der Überbau für die Praktiken im „Schweinegürtel“, die gewinnbringend auszuüben es mehr als wohlgesetzte Worte braucht. Für Landmann arbeiten Sub-Sub-Sub-Unternehmer, die Osteuropäer in Containern hausen lassen und Hungerlöhne zahlen. Billigfleisch hat seinen Preis.

Der Autor und sein Regisseur setzen stark auf Kontraste. Seine Kamerafrau Jutta Pohlmann, bereits zum sechsten Mal an Adolphs Seite, bringt den Sommer satt ins Bild, die Wärme, beides im Kontrast zu den Abgründen der Geschichte. Und die Intensität nimmt zu, im Finale beherrschen Orange und Blau die Szene, dann Magenta. Szenen, Sentenzen, Figuren, alles wird ständig unterwandert. Durch die Brüche, vielleicht genauer erkannt als Verfremdungseffekte. Siehe Personnage: Der Kraftbolzen Landmann hat seinen Counterpart im Neffen (Sebastian Weber), ein „Würstchen“. Charlotte Lindholm hat Frau Bär (Bibiana Beglau). Die Assistentin im Fahndungsfall hat zehn Jahre lang Akten von links nach rechts geschoben, klärte Fahrradiebstähle auf. „Ich kann mich nicht verhalten“, sagt Frau Bär. Linkisch ist sie, verhuscht, sie trippelt Schritte. Bibiana Beglau, „Theaterschauspielerin des Jahres 2014“, steht wie ein Fragezeichen in Niedersachsens Landschaft. Komisch, tragisch, ein Mensch.

Und doch, der Neffe und die Assistentin schieben wie andere Figuren und allerlei Momente den Krimi ins Satirische, ins Artifizielle. Dieser „Tatort“ wirkt nicht echt. Er liebt die Überzeichnung, die Übertreibung. „Der sanfte Tod“ ist zu sehr Fernsehkunstanstrengung, er hat viel Egoistisches bei Buch, Bild und Inszenierung.

Der Krimi behauptet ein Geheimnis, das er nicht hat

Maria Furtwängler war mit ihrer LKA-Frau zwei Jahre lang nicht am „Tatort“. Ihre Rückkehr präferiert weniger die taffe Fahnderin, Charlotte Superheldin ist sie im „Sanften Tod“ nicht. Lindholm macht Fehler, verliert wertvolle Beweise, mehr denn je kämpft sie um die Liebe zu ihrem Sohn, darin hart attackiert von ihrer Mutter (Landmann hat ein vergleichbares „Muttertier“). Furtwängler hat das Arsenal für die Varianz in der Figur, muss sie auch haben, denn Jan-Peter Landmann wird von Heino Ferch gespielt. Wie er die Figur balanciert, wie er mit dieser Figur balanciert. Ein Elegant, ein Grobschlacht, der Schnulzen liebt und sich Wagner hingibt. Heino Ferch tänzelt behände durch die Szenen.

Der Krimi provoziert zwiespältige Reaktionen. Da sind die aufgezeigten Stärken, da sind die benannten Schwächen. Christian Granderath, Leiter der NDR-Abteilung Film, Familie und Serie, bemüht im im Presseheft – mit Blick auf Charlotte Lindholm – den Dichter Gottfried Benn: „Wer allein ist, ist auch im Geheimnis.“ Von solcher Höhe soll „Der sanfte Tod“ sein. Er ist es nicht.

„Tatort: Der sanfte Tod“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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