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Hauen und Ballern. Polizistin Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) trifft auf den routinierten und skrupellosen Verbrecher Egor (Stipe Erceg).

© ZDF und Marion von der Mehden

Lisa Maria Potthoff im ZDF-Krimi: Die Action-Frau

Ermittlerin mit nimmermüden Fäusten: Das ZDF setzt weiter auf Polizistin Sarah Kohr alias Lisa Maria Potthoff.

Die Wasser blau so blau. „Elphi“, die hanseatische Kulturflunder mit dem Nachnamen Elbphilharmonie, silbert auf. Gleich hebt sich der Vorhang zu einem Krimispektakel, der Besetzungszettel illuster: Herbert Knaup als gehetzter Staatsanwalt, Ulrich Matthes, ein ukrainischer Waffenschieber namens Artem Lasarew. Devid Striesow in der Rolle eines gestressten Innensenators und Ursula Strauss eine lädierte Polizeiseniorin mit beruhigendem österreichischem Akzent. Die Kamera geht auf das Gesicht der Heldin Sarah Kohr. Der schmale Mund, der lauernde Blick verraten nichts. Kenner der Reihe mit Sarah-Kohr-Krimis wissen: Es besteht Explosionsgefahr. Nicht umsonst macht sie sich im Café dauernd Notizen vom Geschehen im Glaspalast gegenüber. Ob sie noch zur Schule geht und lernt, will ein Junge wissen. Er kriegt keine Antwort, aber den Keks, den Sarah zum Kaffee serviert bekommen hat.

Der Zuschauer muss ohne die Süßigkeit auskommen. Geheimnis und Eigensinn sind entschlüsselungssicher in Sarahs Zügen verwahrt. Es wird 90 Fernsehminuten dauern, ohne dass der Zuschauer dieser Sphinx näher gekommen ist. Den Schreibarbeiten im Restaurant folgen choreographische Aktivitäten nach den Melodien des Actionkinos. Sarah dringt in das beobachtete Bürohaus und schaltet mit solider Prügelarbeit Leibwächter mit kahlrasierten Schädeln aus, schießt mit guter Haltungsnote einen Bewachten (Golo Euler) nieder und verlässt die Walstatt der erledigten Kerle - Frauenpower in ihrer ehrlichsten Form.

Der Zuschauer spürt, was diese Schauspielerin auszeichnet: Darstellung als Körperkunst. Im Extrem-Krimi „Carneval – Der Clown bringt den Tod“ aus 2018 brachte die zweifache Mutter Lisa Maria Potthoff das Kunststück fertig, nicht an der 20-Uhr-15-Ausstrahlungssperre im ARD-Programm für Gewaltdarstellung zu scheitern. Und das, obwohl sie in dieser Geschichte mit einem brutalen Unterwelttypen nichts an harter körperlicher Auseinandersetzung ausließ und in einem Interview sagte: „Ich wollte meine Figur so gestalten, dass an dieser Frau nichts Sinnliches mehr ist. Es geht um Rachefantasien und eine selbstbestimmte Mission der Vergeltung.“ Also könnten #me tooistinnen sprechen, wenn es nichts mehr zu sprechen gibt.

Der Abgeknallte ist gar nicht tot

Aber in „Sarah Kohr – Das verschwundene Mädchen“ ist es noch nicht so weit. Nach der Gewalt-Overtüre in der Hafencity ist ein Erklärungsrezitativ für uns Überrumpelte fällig. Das ganze Hauen und Ballern war ein Fake. Sarah hat eine Attentäterin gespielt. Der Abgeknallte ist gar nicht tot. Im Sarg des Leichenwagens nimmt der Staatsanwalt Anton Mehringer Kontakt zu Sarahs vermeintlichem Opfer auf. Es stellt sich heraus, dass die Polizistin einem Spiel gedient hat, mit dem ein Kronzeuge vor Verfolgung geschützt werden soll. Der Scheintote mit dem Namen Danylo Margraf ist der abtrünnige Sohn des inhaftierten ukrainischen Drogengangsters Artem Lasarew, hasst seinen Vater wie der auch ihn.

Allerdings: Die Tochter eines alkoholkranken Danylo-Bewachers ist von den Lasarew-Gangstern entführt worden. Die werden, so das Kalkül der Polizei, dieses Mädchen nur freigeben, wenn der inhaftierte ukrainische Dunkelmann und seine Leute glauben, der verräterische Sohn sei umgekommen. Sarah hat Fotos von ihren Aktionen gemacht, Artem und seine Leute trauen den Bildern nicht. Die Polizeimänner glauben an ihre List, nur Sarah, die gewaltbereite Jägerin, weiß, dass männliche Trickserei und Fallenstellerei nur auf der Feigheit beruhen, den Feind nicht mit dem Penthesilea-Mut der Amazonen direkt anzugehen.

Rezitative (Buch: Timo Berndt) sind in dieser Krimioper (Regie: Christian Theede) verworren. Man merkt, dass sie Hilfskonstruktionen sind, um Potthoffs Körperkunst zelebrieren zu lassen. Sie steht für die Ehrlichkeit der Fäuste, für die Klugheit der Körperlichkeit, für die Spontanität des direkten Wegs durch die Umwege einer von männlicher Eitelkeit aufgeblasenen Polizeiarbeit.

Und die Liebe? Danylo, der zu ihrem Geliebten wird, den fesselt Sarah gerne ans Bett. Den älteren Lover, den Staatsanwalt, lässt sie als erotischen Feigling aussehen. Sich Männer psychologisch zu erklären, mag sie nicht. Sie möchte sie spüren, selbst wenn sie Feinde sind. Wir Zuschauer stehen vor einem Rätsel. Ohne Keks.

„Sarah Kohr – Das verschwundene Mädchen“, Montag, ZDF, 20 Uhr 15

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