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Live-Ticker: Bambi-Verleihung: Eine Gala für die Gala

Preise vergeben, um sich selbst zu feiern: Der Bambi in Potsdam war ein Cocktail aus Charity, Gutmensch-Gala und "Wetten, dass ...?". Der Liveticker musste ihn austrinken.

22:50 Uhr

Die Bühne betritt nun ein Mann, bei dem das Englische auch immer gleich eine Staatsangelegenheit ist. Außenminister Guido Westerwelle verleiht den Milleniums-Bambi und beginnt seine Laudatio mit den Worten: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...", und heute wie damals gehen die Worte eines Außenministers im Beifall und Jubel der Menge unter. Hans-Dietrich Genscher, der heimliche Kanzler der Wiedervereinigung, erhält den Milleniums-Bambi, kommt auf die Bühne, als wäre die Mauer erst gestern gefallen und sagt: "Kein Nachruf kann so schön sein, wie ein gutes Wort zu Lebzeiten." Wieder Applaus, wieder geht Genschers Stimme im Jubel unter. Der Auftritt des mittlerweile 83-Jährigen ist der Höhepunkt des Abends, weil er ein lebendes Denkmal ist, und doch so authentisch wie in der Nacht des 30. September 1989 auf dem Balkon der Prager Botschaft. Diesen Augenblick lässt sich der Ticker von niemandem zerstören. Nicht von SJP oder einem Vereinigungsauftritt von Unheilig und Beth Ditto. Auch nicht von Yoko oder Klaus Wowereit, dem der Rote-Teppich-Bambi verliehen wird. Die Ausreise des Tickers aus Potsdam ist soeben möglich geworden. In diesem Sinne: eine gute Nacht.

22:45 Uhr

Özil ist immer noch aufgeregt, übersteht seine Dankesrede unbeschadet, sagt noch "Gracias" und "Thank you", weil Multi-Kulti nicht nur deutschtürkisch ist, und assimiliert sich dann im Dunkel des Publikums.

22:40 Uhr

Zum Abschluss wird, und auch das muss noch kommen, nach Katastrophen, Schweigeminuten und Umweltschutz, der Multi-Kulti-Preis an Mesut Özil verliehen. Von Nazan Eckes, dem Mesut Özil des Privatfernsehens, weil "dem Mesut, als er für Deutschland in Südafrika gespielt hat, die Stammtische und die Teestuben zugejubelt haben." Das ist Nazan Eckes Meinung. Die hat sie sich selbst gebildet. So ist das mit Moderatorinnen, die Werbung für die BILD-Zeitung machen.

22:35 Uhr

Dafür darf jetzt aber Franzi van Almsick auf die Bühne, dieses ewige deutsche Mädel, der Goldfisch, der immer 14 bleiben wollte, aber in seinem engen Kleid nicht mehr verhüllen kann, dass Menschwerdung bei Meerjungfrauen zu Depressionen führt. "Die Franzi", die sie ja, zumindest für das Burda-Publikum ist, weil der Altersabstand immer derselbe bleibt, ist nicht mehr die Franzi, sondern spätestens seit der WM auch eine richtige Journalistin, die dem Zuschauer am TV-Gerät in leicht verdaulichen Sätzen Afrika erklärt und dabei so sehr auf Ernsthaftigkeit bedacht ist, dass sie unfreiwillig lächerlich wirkt. Nun vergibt sie den Bambi in der extra für die Gastgeberin Sarah Jessica Parker kreierten Kategorie "Stil" an, natürlich, Sarah Jessica Parker. Auch weil die Sarah, so die Franzi, "Stiel hat, äh Stil." Naja, Style halt. Hauptsache, die bekommt 'nen Preis, damit sie nicht umsonst den ganzen Abend neben dem Platzeck saß.

22:25 Uhr

Bei Burda reagiert man auf die galoppierende Vergreisung der Gala nach bewährtem Rezept. So wie sich die ARD für ein paar Monate der Pseudojugendlichkeit Oliver Pochers bedient hat, um sich eine neue Zielgruppe zu erkaufen, darf nun Yoko von MTV den Newcomer der Jahres anmoderieren. Das macht der Yoko, der ja allein deshalb schon so jung wirkt, weil er einfach keinen Nachnamen hat, aber so kontrolliert öffentlichrechtlich, dass er kurz wirkt, als wäre er nur Jörg Pilawa mit der Brille von Götz Alsmann. Beste Newcomer sind übrigens Hurt, die kennt aber in Potsdam keiner. Ist ja nicht MTV hier. Sonst wäre Burda ja auch nur der Hubert.

22:20 Uhr

Mittermaier, der als Pausenclown in der ARD ein Substitut für Werbung ist, darf auf der Bühne zucken, als wäre Comedy ein epileptischer Anfall. Dann gewinnt eine Frau aus Pankow den Publikumspreis, für eine Serie, bei der wohl auch Elmar Wepper mitspielt. Damit ist auch der Altersdurchschnitt des Bambi-Publikums geklärt. Viele sind Zuschauer der ersten Stunde.

22:10 Uhr

Es wäre jetzt der Zeitpunkt, einen Moment in diese Stille hineinzuhorchen, in diese Leere zu schauen. Doch dafür ist keine Zeit, der Vorhang fällt, der Vorhang hebt sich wieder. Als hätte Schlingensief selbst die Regie der Veranstaltung übernommen. Die Regie eines überzeichneten Sozialstücks, einer Kritik an einer Gesellschaft, die Preise vergibt, um sich selbst zu feiern. Eine Screw-Ball-Komödie, in der das Lachen nur dick aufgetragene Schminke ist. Doch es ist kein Abend nach dem Drehbuch eines mahnenden Agitators, es ist ein Abend nach dem Drehbuch der Gala, damit alles so läuft, wie es die Gala in ihrer nächsten Ausgabe schreiben wird. Deshalb: Vorhang auf für Sarah Jessica Parker, Charity-Bambi für Orlando Bloom, ein Frauenschwarm wie sie hier alle wissen, weil es in der Gala steht. Und danach wieder Mittermaier, der den Publikumsbambi vergeben wird. Vielleicht sogar an Cobra11, die Autobahnpolizei. So etwas kann sich niemand ausdenken, nicht einmal Christoph Schlingensief.

22:00 Uhr

Christoph Schlingensief erhält posthum den Bambi Kultur. Diese Ehre ist zuvor nur Peter Frankenfeld zuteil geworden. Und die Leere, die Christoph Schlingensief durch seinen Tod in der deutschen Kulturlandschaft hinterlassen hat, spiegelt sich in den Gesichtern des Publikums.

21:55 Uhr

Nach der Tour durch eine Welt ohne Glamour, die nur von der Glamourwelt zu einer besseren gemacht werden kann, wird auf der Bühne nun ein besonderes Aufeinandertreffen arrangiert. Karl Lagerfeld, der mittlerweile bestimmt knapp 70 ist, und vor zwanzig Jahren zehn Jahre älter aussah als jetzt, fechert seinen absichtlich ausgezehrten Körper, ein korsettiertes Mahnmal an den Hunger in der Welt, auf die Bühne und überreicht den Bambi für Pop International an Gossip und ihre bewusst und leidenschaftlich adipöse Frontfrau Beth Ditto, für die der deutsche Designer extravagante Roben entwirft. Gesponsert wird dieser Bambi von Ulla Popken.

21:45 Uhr

Sicher ist jetzt, da Frau Riekel beim "Tribute to Bambi" auch noch Spendengelder unter das Volk bringt: Der Bundes-Jahrmarkt der Nächstenliebe macht heute Station in Potsdam. Wowereit will beim nächsten Spendenmaraton mitlaufen. Und der Rest im Saal badet in der eigenen Großzügigkeit. Ist ja steuerlich absetzbar.

21:35 Uhr

Nach Udo die Sintflut. Bunte-Chefin Patricia Riekel unterlegt einen Film über die stillen Helden der Welt mit warmen Worten. Die Bilder, die in der Optik eines Misereor-Spenden-Werbespots gehalten sind, zeigen Menschen, die Menschen retten. In Katastrophengebieten. Dazu wieder ein Hans-Zimmer-Soundtrack. "Ich bewundere, was sie tun", sagt Riekel. Auch die Not auf der Welt bekommt hier beim Bambi ihre zwei Minuten Redezeit. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Auftritt von Barbara Becker, mit einem halb verhungerten Kind auf dem Arm, oder von Franzi van Almsick vor einer Lehmhütte, an die der Aufnahmeleiter noch schnell ein Leopardenfell genagelt hat. Waka-waka, machen Jaenickes Gehirnhälften.

21:25 Uhr

Jetzt aber läuft dem Publikum, zwanzig Jahre nach der Wende, ein Schauer Ostalgie den Rücken hinunter. Anna Loos, die ja selbst nicht nur Schauspielerin ist, sondern auch Musikerin, darf den Bambi für das Lebenswerk an Udo Lindenberg vergeben. Eine Herzensangelegenheit für Anna Loos, für die der Udo "so etwas wie eine Vaterfigur" ist, oder so. "Du bist ein Wahnsinniger", sagt sie. Und Udo Lindenberg, bei dem die Tarnkappe aus Sonnenbrille und Hut ja längst zum Erkennungsmerkmal geworden ist, sitzt unten im Publikum an einem Tisch mit vielen Gläsern und ist sprachlos. Nur der Hut spricht für sich. Anna Loos singt derweil ihr Lieblings-Udo-Lied. Hannes Jaenicke klatscht. Ich bin gerührt, nichtsagt das Gesicht, das man hinter der Sonnenbrille kaum erkennt. Und nachdem dem Udo alle Vorzeigedeutschen gratuliert haben (Otto, Nena, Herbert Grönemeyer, wo ist eigentlich Klaus Meine?), darf auch der Udo auf die Bühne und ist tatsächlich: Gerührt. Das sagt er auch in dieser Udo-Stimme: "Ich bin gerührt." Und: "Hinterm Lebenswerk geht's weiter." Dabei könnte er es eigentlich belassen, doch Lindenberg wird von seinen volkseigenen Emotionen gepackt und driftet ab, in das Land in seiner Erinnerung. "Besuchen Sie Usedom!", röhrt er ins Publikum und reitet dann in einen roten Sonnenuntergang. Hinterm Horizont geht's weiter. Zurück bleibt Anna Loos, die so gerne Udos Mädchen aus Ostberlin gewesen wäre, aber doch nur eine schauspielende Musikerin mittleren Alters ist.

21.20 Uhr

Sylvie van der Vaart, die kurzzeitig nicht genau, weiß, ob sie hier jetzt beim Supertalent ist, oder nicht, oder doch bei der Jahreshauptversammlung des HSV, vergibt den Nachwuchsbambi an die Zwillinge aus Hanni und Nanni. Enid Blyton trifft Dieter Bohlen. Auch das ist der Bambi.

21:15 Uhr

"Ich mag solche Veranstaltungen eigentlich nicht", gibt dann auch Nina Hagens Tochter zu, die leicht hibbelig wirkt dort oben auf der Bühne und deshalb auch sehr schnell den Bambi in der Kategorie Pop National an Unheilig vergibt, die ihren Empathie-Ohrwurm "Geboren, um zu leben" gerade erst als Soundtrack für die nachmittäglichen Voyeur-Sozial-Dokus an RTL II verkauft haben und ihn nun mit Adoro aufführen dürfen. Gänsehaut, würde Frauke Ludowig jetzt sagen. Gänsehaut, sagt zumindest das Gesicht Hannes Jaenickes, der im Publikum mitklatscht, als wäre das Ganze eine chorale Version von Cumbaja in der Potsdamer Fußgängerzone. Nachher kauft er sich eine Alpaka-Mütze aus Merino-Wolle, im festen Glauben, die Maya retten zu können.

21:10 Uhr

Frau Parker bleibt unauffindbar und der Bambi damit auch eine relativ provinzielle Veranstaltung, bei der die üblichen Laudatoren den üblichen Preisträgern einen goldene Statue in die Hand drücken. Wobei es egal ist, ob die jetzt aussieht wie ein Reh, eine Kamera oder ein Kunstwerk von Günther von Hagens. Hauptsache, ein Verlag lässt die Muskeln spielen.

21:05 Uhr

Jaenicke, Goodall und jetzt auch noch Cosma Shiva Hagen. Aber wo ist eigentlich Sarah Jessica Parker, die bedeutendste Gastgeberin dieses Abends?

21:00 Uhr

Wer also literweise Krombacher säuft, um den Regenwald zu retten und beim Spendenmarathon ewig lange in der Leitung von Uli Potofski hängt, kann nun auch den Bambi mit einem ökologisch reinen Gewissen anschauen. Burda verleiht den "Unsere Erde"-Bambi an Jane Goodall, die seit dreißig Jahren für Schimpansen und Regenwälder kämpft. Die Charity-Frauen klatschen sich die beringten Finger wund und Jane Goodalls Weg auf die Bühne wird von einem Soundtrack unterlegt, als hätte Hans Zimmer die Musik für einen Disney-Film über Jane Goodall geschrieben. Der Titel ist noch nicht bekannt. Aber Hannes Jaenicke würde bestimmt eine Rolle übernehmen, als Schimpanse, der gerne Mensch wäre, um Krombacher zu kaufen, um seinen Wald zu retten. Dafür würde es bestimmt auch einen Bambi geben.

20:55 Uhr

Kerner vergibt den Bambi 2010 an die blinde Biathletin Verena Bentele, die unter großem Beifall eine kurze Rede hält, bis ihre Redezeit vorüber ist. Sie wird von einer anderen Sportlerin, die auch irgendeinen Fantasiepreis gewonnen hat, von der Bühne begleitet. Kerner begleitet sich selbst von der Bühne und bereitet nun die Bühne für Hannes Jaenicke, der den Pathos als Anzug trägt und aus dem Bambi nun endlich die Gutmensch-Veranstaltung macht, die er zwangsläufig sein muss, wenn auf der Aftershow die Charity-Ladies der Republik bei mit Kobe-Rind gefüttertem Hummer, Fasanen-Poularde und Thai-Curry über den Hunger der Welt sprechen.

20:45 Uhr

Der Bundestrainer verlässt die Bühne. Und Jessica Schwarz ehrt gemeinsam mit David Kross, den man ohne einen Eimer auf dem Kopf, gegen den ein knallharter Baseballschläger kracht, kaum erkennt, den besten deutschen Schauspieler. Es gewinnt Florian David Fitz für seine Darstellung eines jungen Mannes, der am Tourette-Syndrom leidet. Er hält eine junge Rede, aber noch während er spricht, wird Musik eingespielt. Wir haben doch keine Zeit. Und so tritt, die Joepardy-Melodie auf den Lippen, Johannes B. Kerner auf. Die Speerspitze des deutschen Investigativ-Journalismus, dem man seine Gutfried-Diät durchaus ansieht. Kerner trägt, wie auch sonst immer, sein Konfirmanden-Outfit. Und ist scheinbar kein Jahr gealtert. Wenn er weiter so jung bleibt, wird er in etwa zwanzig Jahren drei Talkshows auf Sat1und alle Quizsendungen bei den Öffentlichrechtlichen moderieren. Mit einem Starspecial, bei dem er sich selbst die Fragen stellt, um eine Millionen zu gewinnen, die er an die Kerner-Stiftung spendet. Sponsored by Bonaqua. Ein Land fällt ins Wasser.

20:42 Uhr

Löw spricht, wie Löw eben spricht. Wie jemand, der auch Bundestrainer ist, wenn er auf einer Gala ist, der aber auch mehr sein könnte. Bürgermeister zum Beispiel oder Außenminister. Dann aber darf auch Andi Köpke etwas sagen. Und plötzlich merkt man wieder, dass das doch nur Fußball ist. Na gut, äh?

20:35 Uhr

Shakira waka-wakat über die Bühne und übergibt dann an Mesut Özil, der eine kurze Rede hält, sehr aufgeregt ist, aber sich immerhin noch erinnern kann, dass Shakira mit ihm im Flugzeug nach Südafrika saß. "Das hat uns beflügelt." Er verspricht sich kurz. Ist ja aufgeregt, der Mesut. Deutschlands bedeutendster Fußballer. Das Publikum lacht. Es gibt Applaus, als Özil "England" sagt und weniger Applaus, als Özil "Spanien" sagt. Das ist die Fieberkurve des deutschen Fußballbefindens. Dann erhält der Jogi, den Shakira "in seinem blauen Pulli am süßesten" fand, den Sonderpreis der Jury. Für sich, sein Trainerteam und auch für die Leistungen der Mannschaft in Südafrika. Löw wirkt sichtlich gerührt. Zuletzt hat man ihn so gesehen, als er die Goldene Henne entgegen nehmen musste. Oder beim Kauf seines blauen Pullis. Je nachdem.

20:30 Uhr

Es ist ja auch gefährlich, wenn Männer, deren Libido nicht ganz im Takt ihrer Lebensplanung marschiert, im Fernsehen auf junge Frauen los gelassen werden. Das Gottschalk-Syndrom. Meine Liebe, komm doch mal noch ein Stück rüber. Deshalb sagt Mittermaier jetzt auch Shakira an, als wäre er der Conferencier in einem Strip-Club. "Waka-waka, das ist das Geräusch, das unsere Gehirnhälften machen, wenn wir Shakira tanzen sehen." Ja, naja, waka-waka ist auch das Geräusch, das unsere Gehirnhälften machen, wenn der Kopf nicht weiß, ob er lachen oder weinen soll. Wenn Ganglien Sodbrennen haben.

20:25 Uhr

Abgang Herzsprung. "ich bleibe noch hier", sagt Mittermaier und bleibt wirklich. Nutzt die kurze Zeit der Überbrückung, um einen Ausschnitt aus seinem Stand-Up-Programm zum Besten zu geben. Doch was früher mal köstliches Fast Food für Fernseh-Junkies war, ist jetzt nur noch halbgares Familien-Kabarett. Aufzeichnungen aus der Zwischenwelt der Schlaflosigkeit eines jungen Vaters. Baby-Kotze und Baby-Kacke. Und unweigerlich wünscht man sich Windeln für die Ohren.

20:20 Uhr

Nun ruft SJP den ersten Laudatoren auf die Bühne. Und weil bei soviel amerikanisch-freizügiger Zugeknöpftheit der deutsche Humor nicht zu kurz kommen darf, muss wieder einmal Michael Mittermaier auf die Bühne, der ja mittlerweile der Grußonkel der deutschen Comedy geworden ist. Er darf, in Gottschalk-Manier, kurz an der Parker rumtatschen und ein paar Mode-Witze reißen. Ach, der Michel, würde man jetzt sagen, wenn der Michel nicht schon so alt wäre. Jedenfalls vergibt der Michel jetzt den Preis für die beste deutsche Schauspielerin. Nominiert sind Christiane Paul, Anna Loos und Hannah Herzsprung. "Es ist ja wie im echten Leben, man kann es nicht allen Frauen recht machen", mariobartet jetzt der lustige Michel, liest sein Lächeln vom Teleprompter ab und vergibt den Preis dann an Hannah Herzsprung, die eine ihrem Nachnamen angemessene Dankesrede hält. Tränen und Ergriffenheit. Ganz besonders, weil Hannah Herzsprung tatsächlich die Parker treffen darf. Die bedeutendste Gastgeberin Deutschlands.

20:15 Uhr

Und da ist sie dann auch gleich. SJP, in einem grellweißen Korsett über einem pompösen Rock, den sie aus Requisite der nächsten Mittelalter-Verfilmung mit Orlando Bloom entwenden hätte können und begrüßt das Publikum auf deutsch: "Willkommen, meine Damen und Herren zum Bambi 2010", dem bedeutendsten Medienpreis Deutschlands, wie sie von der Karte abliest, die ihr die Macher des bedeutendsten Medienpreises Deutschlands geschrieben haben. Dann begrüßt sie Hubert Burda, der natürlich, das sagt das Kärtchen, der bedeutendste Verleger Deutschlands ist. Das sagt jetzt die Dolmetscherin, aber SJP sagt es auch. Muss also stimmen. Dann darf auch noch Klaus Wowereit ins Publikum winken. Der bedeutendste Bürgermeister Deutschlands.

20:00 Uhr

Als besonderen Gast, oder vielmehr gleich als Gastgeberin ist es den Organisatoren der Bambi-Verleihung gelungen, Sarah Jessica Parker nach Potsdam zu holen. Die Mensch gewordene Vanity Fair soll für den nötigen Glamour sorgen, mit einem Augenaufschlag aus Potsdam für eine Nacht den Big Apple an der Havel machen. Mit der divenhaften Sarah Jessica Parker, die von Frauke Ludowig, ihren Freundinnen vom Buchklub und jenen BUNTE-Redakteurinnen, die sich auch immer schon mal mehr als nur ein Paar Manolo Blahniks gewünscht haben, nur "SJP" genannt wird, und dem nicht mehr ganz jungen Medienpreis verhält es sich dabei wie bei einem älteren Herrn, der auf der Weihnachtsfeier oder beim Opern-Besuch noch einmal juvenile Potenz demonstrieren möchte und sich deshalb ein schlankes Escort-Mädchen für eine Nacht bucht. Etwas Sex also in einer Stadt, die sonst nur Günther Jauch hat. Ob das jetzt gemein war? Keine Ahnung. Fragen wir doch das Publikum.

19:55 Uhr

Blitzlichter blitzen, Fotografen schreien. Und hinter jedem Plastik-Bambi mit Gold-Lack vermutet man Jenny X oder zumindest eine MTV-Moderatorin, die gegen den Lärm anzuschreien versucht, der in erster Linie in ihrem Kopf zu toben scheint. Der rote Teppich glänzt im Flutlicht und die ersten Gäste steigen aus Limousinen mit Sponsoren-Aufdruck, winken den Leuten hinter den Absperrungen oder winken nicht, je nach Status. Fotografen drücken hektisch auf ihre Auslöser, bis es klingt, als würde einen Bieneschwarm auf Promi-Jagd gehen. Autotür auf, Lächeln, Winken. Routine. Nadia Uhl eilt über den Teppich, Hannes Jaenicke schlendert. Dahinten irgendwo soll Karl Lagerfeld sein. Vielleicht. Jetzt ist hier aber erstmal Orlando Bloom, ein Botschafter Hollywoods. Schwarzer Anzug, das Haar nach hinten gekämmt, als könnte er aus dem Stehgreif eine Davidoff-Werbung drehen. Sparsame Gesten, Bloom zieht vorüber. Ihm folgt Matthias Platzeck. Sehnsucht nach Hollywood.

19:50 Uhr

Potsdam hat sich ausgehfein gemacht, in Schale geworfen, wie man hier sagt, kurz hinter Berlin. Denn die Landeshauptstadt erwartet eine illustre Gästeliste. Mit dabei natürlich auch die deutsche Gala-Prominenz, die immer wie aus dem Nichts auftaucht, sobald irgendjemand (in diesem Fall Hubert Burda) einen roten Teppich ausrollt, um mit einem lange vor dem Spiegel und mit Mimik-Coach einstudierten Lächeln auf Kamera-Jagd zu gehen.

„Das Who-is-who“ oder auch „die Creme del a creme“ würde man jetzt sagen, wäre man Frauke Ludowig oder die Freundin vom Carpendale-Sohn und müsste an jedem Vorabend dreißig Sendeminuten mit Promi-News füllen. Aber ähnlich wie für Starmagazine gilt auch bei Medienpreisen die strenge Kategorisierung in A-, B-, oder C-Promi. Die Unterscheidung ist dabei angenehm simpel. Sie folgt der Faustregel: Je kürzer das Kleid, desto niedriger der Platz in der internen Glamour-Tabelle. Wobei es hier schon wieder Überschneidungen mit der Sonderdisziplin It-Girl gibt.

Bestes Beispiel hierfür ist Daniela Katzenberger, D-Promi und It-Girl, ein blonder Softporno auf zwei Beinen mit künstlichen Brüsten und auftätowierten Augenbrauen, der momentan im deutschen Privatfernsehen die Weißräume der Ideenlosigkeit füllt. Katzenberger, die auf dem Boulevard oder bei Frauke Ludowig nur „die Katzenberger“ heißt, was nicht ganz so ehrfurchtsvoll gemeint ist wie etwa „die Ferris“, tanzte und tippelte sich schon durch die Before-Show-Party des Bambi in Berlin. Mit ihr ist immer zu rechnen. Immerhin aber bleibt dem Zuschauer der ARD ihre derzeitige Werbung für eine neue Telefonauskunft erspart. Dort singt, also versucht, also trällert „die Katzenberger“ vergnügt, während sie mit einem Lippenstifft die Nummer der Auskunft auf einen Spiegel schmiert, „Mit drei Nullen, wie drei Stullen.“

Das ergibt keinen Sinn, frisst sich aber spätestens nach dem zweiten Hören in den Gehörgang. Und dass man mit wirren Schüttelreimen durchaus längerfristig zum „Who-is-who“ der deutschen Prominenz (also A) gehören kann, beweist derzeit Bernd Graf, der Sänger von Unheilig mit den zu tief tätowierten Koteletten. Unheilig sind im Übrigen in der Kategorie Pop National nominiert. Willkommen also zum Bambi 2010.

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