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Medien: Lüstern und verklemmt

Arte-Abend zum Sex im deutschen Kino der 70er

Wer kennt noch Helga? Wer Oswalt Kolle? Wer kennt den Schulmädchen-Report? In den 70er Jahren waren sie in aller Munde. Dass die Schulmädchen-Reports es mit ihren Sexgeschichten auf 13 Kinofolgen brachten und dass sie die Hausfrauen-Reports, den Lehrmädchen-Report, den Ostfriesen-, den Hostessen-Report nach sich zogen: verflimmert und verweht. Nicht oder nicht ausgegeben sind die Abermillionen, die der Schulmädchen-Produzent Wolfgang C. Hartwich mit seiner Billigware eingeheimst hat. Denn nach dieser Bedürfnisbefriedigung verlangte es ein Publikum, das erst allmählich aus der moralingesäuerten Adenauer-Ära in ein Licht auftauchte, das weder Kolle noch Hartwich oder gar der Lederhosenjodler Alois Brummer angezündet hatten.

Es gehört zu den klugen und kenntnisreichen Details des Arte-Films von Peter H. Schröder und Hans Günther Pflaum, keinen Zweifel daran zu lassen, dass die Sexfilmer der 70er Jahre nur einen Zug bestiegen, der schon unter Volldampf stand. Die Hitze kam aus der Aufbruchbewegung, der politischen, gesellschaftlichen und sexuellen Befreiung, von der wirtschaftlich zu profitieren auch andere als Hartwich keine Bedenken haben mussten. So freimütig und auch stolz der Produzent Hartwich erzählt, was ihn auf den Trichter gebracht hat, und wie sich durch diesen Trichter die Massenware in die Kinos abfüllen ließ, so nüchtern beurteilen heute die Protagonisten des jungen deutschen Films jener Jahre, Volker Schlöndorff etwa und Margarethe von Trotta, die damalige Situation. Während sie und Fassbinder, Wenders, Kluge, Reitz in einem der grandiosesten Jahrzehnte des deutschen Films höchstes internationales Ansehen erlangten, fanden ihre Werke vor deutschem Publikum kaum Gnade.

Die Schulmädchen-Reporte waren laut Schröder/Pflaum „die finanziell ertragreichsten Produkte, die das deutsche Kino je hervorgebracht hat“; allein der erste Teil hatte in der Bundesrepublik mehr als sieben Millionen Zuschauer, wurde in 38 Länder verkauft und erzielte eine Gesamtbesucherzahl von über 25 Millionen. Hartwich hat es angesichts dieser Erfolge leicht, den Jungen die Missachtung des Massengeschmacks vorzurechnen. Doch so gewiss ihm das Publikum der 70er Jahre gehörte, so gewiss gehört jenem ganz anderen deutschen Film die Geschichte. Da ist nichts verflimmert und verweht.

„Von Sex bis Simmel“, Arte, 22 Uhr 10

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