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Mit einem Online- und Print-Relaunch will die "Bravo" ihre Leser zurück gewinnen.

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Magazin- und Web-Relaunch: Jugendzeitschrift "Bravo" richtet sich neu aus

Alles neu bei der "Bravo": Die Zeitschrift will mit "lebensnahen Themen" wieder zum führenden Berater der Jugendlichen werden.

Wer als Jugendlicher früher die "Bravo" gekauft hat, bekam ein Stück Rebellion gleich mitgeliefert: Mit den Starschnitten tapezierten Generationen Heranwachsender ihre Zimmer. Die nackt abgebildeten Jungen und Mädchen sollten nicht nur die pubertäre Neugierde befriedigen - sondern auch die Eltern provozieren. Und Dr. Sommer stand als Rubrik auch für Aufklärung im klassischen Sinne - für das Recht, sich zum ersten Mal über Sexualität Gedanken zu machen und eigene Sorgen zu äußern. Ihr Skandalpotenzial hat die "Bravo" inzwischen verloren - und muss ihre Zukunft deshalb neu ausloten. Künftig will sie sich viel stärker als eine Art Lebensberater der Jugendlichen positionieren. "Es mag nicht mehr um Rebellion gehen, aber immer noch um Abgrenzung", sagt Marc de Laporte, Verlagsgeschäftsführer der Bauer München Redaktions KG.

"Bravo" soll ein "Social Magazine" werden

Die "Bravo" will weg vom schnelllebigen Star-Kosmos, um den jungen Lesern mehr Einordnung und Orientierung zu "lebensnahen Themen" bieten zu können, erklärt Laporte heute auf einer Pressekonferenz in Hamburg. Dabei gehe es um zentrale Fragen des täglichen Lebens: Welche Kinofilme und Schminktipps sind angesagt? Über was wird auf den Schulhöfen geredet? Und welche Trends, YouTube-Stars, Musiker oder Apps sind im Kommen? Auch der digitale Auftritt befindet sich im Umbruch. Der Verlag will Bravo.de zum "Social Magazine" umbauen, sagt Marc de Laporte. Ein neuer Begriff für ein altes Konzept: Mit Social-Media-Tools will der Verlag die Community besser einbinden, um so einen stärkeren Bezug zwischen den Lesern und der Marke Bravo herzustellen. "Wir reagieren auf das Feedback der Leser und verschaffen uns so eine höhere Glaubwürdigkeit und eine größere Relevanz", sagt Laporte.

Die Besucher der Internetseite können künftig die Beiträge in sozialen Netzwerken teilen, ihre Meinung mit vorgegebenen Buttons äußern - Smiley, Herzchen, WTF (What The Fuck?, etwa: Was zum Teufel?). Geplant sind auch Fotos und Mailadressen der Autoren neben den Artikeln - für die Leser soll die "Bravo"-Redaktion greifbarer werden.

Die Webseite war relativ profitabel, die Print-Ausgabe nicht

Die neue Version von Bravo.de werde im Laufe des Septembers ins Netz gehen, sagte der Director Digital bei "Bravo", Steffen Schmid. Die alte Webseite mit ihrer großen Reichweite ist relativ profitabel. Die Besucherzahlen seien innerhalb eines Jahres um 130 Prozent auf acht Millionen geklettert - mit der Webseite schreibe man "schwarze Zahlen", sagte Schmid weiter. Im Gegensatz zum Print-Magazin. Die Gründe für die Probleme beim Heft liegen auf der Hand: 90 Prozent der Jugendlichen nutzten im vergangenen Jahr regelmäßig ihr Handy, das Internet oder das Fernsehen. Nicht einmal jeder Vierte (23 Prozent) las dagegen noch regelmäßig gedruckte Zeitschriften. Auf dieses Ergebnis kommt die Studie Jugend, Information, (Multi-) Media (JIM) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest. Während Jugendliche für ihr Handy im Schnitt 8,48 Euro monatlich ausgeben und für Computer-, Konsolen- und Online-Spiele 6,39 Euro, sind es für Bücher und Zeitschriften noch 5,37 Euro im Monat. Wenn sie kein anderes Magazin oder gar ein Buch kaufen, reicht das beinahe für vier "Bravos" im Monat - theoretisch. Tatsächlich gingen zuletzt nur rund 144 000 Hefte über die Theke. Die "Bravo" ist schon seit längerem auf Schrumpfkurs: 1998 hatte der Bauer Verlag noch 970 000 Exemplare verkauft.

Hinzu kommt, dass die junge Leserschaft das Interesse an Dr. Sommer mehr und mehr verliert. "Als ich mein erstes Praktikum bei "Bravo" gemacht habe, zur Wendezeit, wurden jeden Tag Waschkörbe mit Briefen reingetragen", sagte die ehemalige Leiterin der Aufklärungsrubrik, Jutta Stiehler, dem "Stern". Heute gehen in der Redaktion lediglich 500 Mails oder Briefe pro Woche ein. Vor einigen Wochen hatte Bauer Stiehler gekündigt. 16 Jahre lang hatte sie als Dr. Sommer alle "erste" Fragen der Heranwachsenden beantwortet - der erste Kuss, die erste Liebe, das erste Mal. Nach ihrer Entlassung war eine Debatte um die Glaubwürdigkeit der "Bravo" entbrannt.

Auf die Kritik kontert der Bauer Verlag nun mit einer digitalen Lösung: Mit einem eigenen Dr.Sommer-Kanal auf der neuen Internetseite will die "Bravo" sich wieder stärker seiner Kernkompetenz widmen. "Dr. Sommer als digitale Instanz findet man nirgendwo sonst auf der
Welt", sagt Laporte. dpa

David Fischer, Britta Schultejans, dpa

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