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Magazine: Alles wird gut

"Reader’s Digest" sieht sich als Anwalt positiver Nachrichten. In Deutschland wird das Magazin jetzt 60 Jahre alt.

Eigentlich muss das Magazin nur darauf hoffen, dass den anderen Journalisten nicht die guten Ideen ausgehen. Denn recherchieren und schreiben diese weiter spannende Geschichten, ist auch das Konzept von „Reader’s Digest“ gesichert: weltweit die besten Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften auszuwählen und Lesern, teils in gekürzter Fassung, anzubieten. Es ist ein Erfolgskonzept. Keine andere Zeitschrift wird weltweit mehr gelesen als „Reader’s Digest“. Das Blatt erreicht nach eigenen Angaben monatlich mehr als 80 Millionen Menschen mit 51 Ausgaben in über 60 Ländern; in 21 Sprachen wird „Reader’s Digest“ gedruckt. 1922 erstmals in den USA erschienen, kam das Magazin 1948 nach Deutschland und feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen.

„Auf dem vielfältigen Printmarkt ist es für Leser schwer, den Überblick zu behalten. Sie sind deshalb dankbar, dass wir für sie die besten Geschichten zusammenstellen“, sagt Andreas Scharf, Chefredakteur von „Reader’s Digest“ Deutschland, das in Stuttgart produziert wird. 14 Redaktionsmitglieder durchforsten hier Frauenzeitschriften, Automagazine, Ratgeberhefte, Tages- und Wochenzeitungen nach „den besten“ Geschichten, die dann fürs eigene Blatt eingekauft und im Taschenbuchformat abgedruckt werden. Preisgekrönte Reportagen oder tiefgründige Essays sind selten dabei. Stattdessen geht es oft wie in der jetzt erscheinenden März-Ausgabe um Servicethemen. Beispielsweise wie man sich bei Liebe, Geld und Karriere richtig entscheidet, eine Geschichte, die im Mai 2007 im „New Scientist“ erschien, was man gegen Bauchweh tun kann oder wie man mit Teenagern über Sex spricht. Hinzu kommen Interviews mit Prominenten, wie dem ARD-„Winzerkönig“ Harald Krassnitzer, Tiergeschichten wie ein Artikel über die Bedrohung der Thunfische, der bereits im März 2007 in „National Geographic“ abgedruckt wurde und Reportagen.

Im März-Heft beispielsweise wird über einen Jungen berichtet, der ohne Augen auf die Welt kam und eine junge Frau aus Pakistan, die vergewaltigt wurde, sich anschließend jedoch nicht – wie dort oft üblich – umbrachte, sondern jetzt für ihre Ehre kämpft. „Drama in real life“, Dramen aus dem wahren Leben, nennt Scharf solche Geschichten. Sie seien ein Markenzeichen von „Reader’s Digest“.

Nicht immer werden sie aus anderen Zeitungen und Zeitschriften nachgedruckt. „Reader’s Digest“ beschäftigt auch eigene Autoren – dadurch steht Scharf und seinen Chefredakteurskollegen aus den anderen Ländern ein großer Pool von Geschichten zur Verfügung, aus dem sie sich bedienen können. Falls ein Artikel auch für weitere Ausgaben interessant sein könnte, wird er auf Englisch kurz zusammengefasst und dann in eine Art Datenbank eingestellt, die auch den anderen Redaktionen zur Verfügung steht. Gefällt ihnen die Beschreibung, wird er in die jeweilige Sprache übersetzt. Eine Dokumentationsabteilung überprüfe dabei jeweils, ob die Fakten stimmen. Scharf findet die Texte aus seiner Ausgabe oft in koreanischen Schriftzeichen wieder, Südkorea gehöre zu den größten Abnehmern von Geschichten aus „Reader’s Digest“ Deutschland.

Die Stücke sind leicht verständlich, oft haben sie ein „Happy End“. „Wir gehen mit einer positiven Grundhaltung an alle Themen heran und verstehen uns als Anwalt der guten Nachricht“, sagt Scharf. Die Leser scheinen es zu mögen, monatlich ein Stück heile Welt nach Hause geliefert zu bekommen: 434 959 Abonnenten hat „Reader’s Digest“ in Deutschland und damit fast so viele wie der „Spiegel“, 796 359 Exemplare verkaufte das Magazin insgesamt im vierten Quartal 2007 laut „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“ (IVW). Geschätzt wird auch das kleine Taschenbuch-Format, das in jede Handtasche und Westentasche passt.

Doch wie viele Magazine steht auch „Reader’s Digest“ vor der Herausforderung, neue Leser für sich zu gewinnen. Um die 60 Jahre ist der durchschnittliche „Reader’s Digest“-Leser alt. Um auch junge Leser anzuziehen, muss Scharf deshalb Themen finden, die alle interessieren. „Drama in real life“-Geschichten gehören ebenso dazu wie Tipps gegen Kopfschmerzen. „Wir wollen Unterhaltung mit einem Nutzwert bieten“, sagt Scharf. Wer „Reader’s Digest“ lese, suche keine scharfen Debattenbeiträge, sondern Rat und Unterhaltung. Weil das Magazin monatlich erscheint, kann es ohnehin nicht aktuell arbeiten. Zwei Monate bevor es am Kiosk liegt, muss die redaktionelle Arbeit abgeschlossen sein.

Trotzdem werden politische Themen aufgegriffen, Rechtsradikalismus beispielsweise oder der Konflikt zwischen den Religionen. Eine positive Grundhaltung ist dabei allerdings schwer zu vermitteln. Zum Glück schreibt Moderatorin Nina Ruge ab April eine Kolumne – natürlich unter dem Motto: Alles wird gut!

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