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© BR/Bildarchiv

MAMA, IHM SCHMECKT'S NICHT: „Nichts gegen Schweinebraten!“

Das Magazin "Essen & Trinken" wird 35. Ein Gespräch mit Koch, Unternehmer und Gastronom Alfons Schuhbeck über Genuss in der Krise, Fitnessstudios und warum die Deutschen so gerne Nudelsalat essen.

Herr Schuhbeck, was sagt uns das über die Esskultur in Deutschland, wenn italienischer Nudelsalat bei den Gerichten, die die Deutschen am liebsten mögen, ganz vorne liegt?

Es wird immer Menschen geben, die es nie kapieren. Und dann gibt’s wieder andere, die sich weiterentwickeln. Das wird auch so bleiben. Da können wir uns anstrengen, wie wir wollen. Alle zu erreichen, ist utopisch.

Neigen die Deutschen eher zu einfachen Gerichten?

Die einen mögen Traditionen, die anderen sind eher experimentierfreudig. Traditionen sind ja gar nicht so schlecht. Ich finde es gut, wenn man sich hin und wieder an die Zeiten erinnert, in denen es nicht alles in Hülle und Fülle gab. Damals musste man nehmen, was da war. Das hat auch die Küche dieser Zeit geprägt. Da gibt es gerade heute viel zu lernen.

Also 95 Prozent Schweinebraten und fünf Prozent Sterneküche.

Nichts gegen Schweinebraten! Einem Schweinebraten sollte man genauso Respekt zollen wie einem Sterne-Gericht. Der Schweinebraten war ja mal ein Sonntagsgericht, also etwas Besonderes. Wenn heute ein Wirt einen Schweinsbraten macht und den dann fünf Tage lang als frisch verkauft, dann halte ich das für ein kulinarisches Verbrechen.

Ohne gutes Essen keine Gesundheit, sagt man.

Es gibt Leute, die denken erst dann, wenn sie mit einem Herzinfarkt auf der Bahre liegen, darüber nach, was sie alles über die Jahre hinweg in sich hineingestopft haben. Aber dann ist es meist zu spät. Bei anderen ist es der Magen, der anklopft. Die Leute stopfen, ohne auch nur einmal darüber nachzudenken, diese üblen Transfette, zum Beispiel in Tiefkühlpizzas, Pommes, massenweise in sich hinein. Das ist reines Gift. In Kalifornien dürfen Restaurants ab 2010 diese gefährlichen Fette nicht mehr verwenden.

Es ist also ganz einfach: gutes Essen, gutes Leben.

Wenn ich mir selbst etwas wert bin, dann achte ich darauf, was ich esse. Gutes Essen steigert nicht nur das Wohlbefinden, es erhält auch die Gesundheit. Aber bringen Sie das mal den Leuten bei. Viele sind da wie vernagelt und wollen nicht von ihren Gewohnheiten lassen.

Das Fernsehen ist so voll von Kochshows wie noch nie. Hilft das denn gar nicht?

Nicht wirklich. Die Leute sind zwar sehr interessiert an gutem Essen, aber was sie vor allem wollen, ist Unterhaltung. Die allermeisten Zuschauer kochen nicht einmal selbst. Das wollte ich zuerst gar nicht glauben, aber es ist wohl so.

Gibt es gar keine Möglichkeit, die Menschen zu gutem Essen zu überreden?

Es wird ja versucht. Im Fernsehen, zum Beispiel in guten Restaurants und Wirtshäusern und in Kochbüchern. Aber der Deutsche scheint ziemlich resistent zu sein, was das Thema angeht. Was er nicht will, das will er nicht. Wenn man bedenkt, dass wir in Deutschland offiziell zehn Millionen Diabetiker haben, dann wäre ein Umdenken schon allein aus diesem Grund angesagt. Allerdings erfordert es enorme Disziplin, das Rad zurückzudrehen. Vielleicht ist das der Grund.

„Essen & Trinken“, die große, alte Dame unter den kulinarischen Zeitschriften, feiert ihren 35. Geburtstag. Das Interesse an guter Küche scheint doch da zu sein.

„Essen & Trinken“ finde ich deshalb gut, weil da gezeigt wird, wie vielfältig gutes Essen sein kann. Zu mir kommen immer wieder junge Leute mit „Essen & Trinken“ in der Hand und fragen mich, ob ich nicht dieses oder jenes Gericht, das sie da entdeckt haben, kochen könnte.

Kann ein Koch wie Sie noch etwas von einer Zeitschrift wie „Essen & Trinken“ lernen?

Aber sicher. Ich lese vor allem die Rezepte. Weil mich interessiert, was andere denken, wie andere kochen, wohin die Reise geht.

Haben Sie schon mal ein Rezept nachgekocht?

Einige. Vor allem Rezepte, die mich auf Ideen bringen und meine Fantasie anregen.

Wenn Sie Küchen-Botschafter wären, was wäre Ihre Botschaft?

Pass auf dich auf. Aber sei beruhigt: auf Genuss muss nicht verzichtet werden.

Das klingt so, als sei Ulla Schmidt Ihre beste Freundin.

Bei mir sollen die Leute gesund und gut essen. Als Koch musst du wissen, was du tust. Wenn meine Mutter Schweinsbraten gemacht hat, dann hat’s dazu immer Sellerie- oder Rote-Bete-Salat gegeben. Mögen hat den kein Mensch. Die Rote Bete hat wie der Sellerie einen Faserstoff, der im Darm aufgeht und wie ein Schwamm Nahrungsfette bindet. Damals wusste man zwar nicht wirklich, wie was warum wirkte, aber was auf den Tisch kam, das war gesund. Heute, wo man alles wissen könnte, essen die meisten den Braten pur, ohne Salat, das reinste Fett-Gelage. Das bleibt auf die Dauer nicht ohne Folgen.

Wenn wir uns so gesund ernährten, wie Sie es gerne hätten, müssten wir uns dann nicht mehr im Fitnessstudio abquälen?

Vor 20 000 Jahren hat der Mensch am Tag durchschnittlich 23 Kilometer zurückgelegt, heute schafft der Durchschnittsamerikaner gerade noch 400 Meter. Wir Deutschen sind mit 500 Metern auch nicht viel besser. Das ist natürlich viel zu wenig. Wir brauchen Bewegung. Ich gehe, wenn ich im Restaurant fertig bin, 45 Minuten ins Fitnessstudio, jede Nacht. Danach bin ich richtig happy.

Kocht Deutschland in der Krise anders als vor der Krise?

Anders nicht unbedingt, vielleicht etwas weniger. Aus einer Krise kann man viel lernen. Eine Krise kann auch zusammenschweißen. Wenn zum Beispiel wir Köche noch mal fünf Prozent drauflegen, dann kommt da einiges an Prozenten zusammen. Ich sehe die Krise als Herausforderung, aus der wir Gastronomen, wenn alles gut geht, gestärkt herauskommen.

Sehen Sie einen neuen Trend am Küchenhorizont?

Höchstens den, dass die Kreativität in der Küche wieder einen größeren Stellenwert bekommen könnte. Die einfachen Sachen so gut wie möglich machen, das ist es doch.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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