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Medien: Man liest Englisch

Irakkrieg in der BBC, Börse in der „FT“: Deutsche nutzen öfter angelsächsische Medien

Der neue Harry Potter hat gezeigt, wie gut die Deutschen mittlerweile Englisch können. Weil viele nicht abwarten konnten, bis das Buch auf Deutsch erscheint, haben sie die 760 Seiten eben auf Englisch durchgelesen. Der Online-Bücherversand Amazon.de hat von „The Order of the Phoenix“ bereits jetzt gut 80 000 Exemplare verkauft – knapp doppelt so viele wie vom deutschen „Stein der Weisen“ (Band vier) vor knapp einem Jahr.

Harry Potter zeigt es besonders eindrucksvoll, aber auch bei der Mediennutzung und bei Kinobesuchen kann man es feststellen: Die Deutschen sind kosmopolitischer geworden. Sie können immer besser Englisch.

Das sah man auch im Irakkrieg, als auf einmal viele Deutsche den Vorstoß der Amerikaner auf BBC und CNN mitverfolgten – beide Sender hatten so genannte Embedded Correspondents, die die Truppen der Alliierten begleiteten. Und auch in der U-Bahn sieht man immer mehr Fahrgäste hinter englischsprachigen Zeitungen verschwinden. Die „Financial Times“ vermeldet über die letzten drei Jahre einen deutlichen Anstieg der Verkaufszahlen der britischen Mutterausgabe in Deutschland: rund 30 000 Exemplare verkauft sie anstatt 20 000. Und das, obwohl es ja auch auch die „Financial Times Deutschland“ gibt.

Christoph Bode, Professor für Anglistik an der Universität München, begründet diesen Trend auch damit, dass die Leute ihre Englischkenntnisse verbessern wollen. „Das allgemeine Hörverständnis für die englische Sprache ist besser geworden, nicht aber unbedingt die Grammatik.“ Es sei nicht wichtig, selber gut Englisch zu sprechen; es reiche aus, genügend zu verstehen, um der Handlung zu folgen.

Doch Englisch wird nicht nur gerne gelesen, sondern auch gesehen und gehört. Immer mehr Kinos und Videotheken bieten Filme in der englischen Originalfassung an, und die Leute scheinen das Angebot auch reichlich zu nutzen. Das Odeon war 1984 das erste Kino in Berlin, das die Filme in der englischen Originalversion anbot. Der Film „Out of Africa“ brach damals das Eis – immer mehr Deutsche schienen zu bemerken, dass ihr Schulenglisch durchaus ausreicht, um der Handlung des Films zu folgen, und dass die Originalstimme von Robert Redford viel besser klingt als seine deutsche Synchronstimme.

Nach dem Erfolg des Odeons sind über die Jahre hinweg zahlreiche Kinos hinzugekommen, das Cinestar im Sony-Center am Potsdamer Platz zum Beispiel spielt ausschließlich Filme in „O.V.“ Auch auf dem Video- und DVD Markt sind die Originalfilme immer gefragter. In zahlreichen Videotheken und Geschäften wie in der Pro-Markt Filiale am Kurfürstendamm gibt es englische Abteilungen für Filme.

Könnte das eine existentielle Gefährdung für den deutschen Übersetzermarkt bedeuten? Geht der Englisch-Lese-Trend so weit, die deutschen Übersetzungen zu verdrängen?

Wohl kaum. Die Leute werden auch in Zukunft nicht ausschließlich Originalfassungen lesen, weil ihre Sprachkenntnisse dafür schlicht nicht ausreichen. Die großen Bestseller wird es also auch weiterhin auf Deutsch geben. Wirklich gefährdet ist hingegen die „literary fiction“ Bücher; sie wenden sich an eine weitaus kleinere Leserschaft, die Englisch wirklich so gut beherrscht, dass sie nur die Originale liest. So überlegen manche Verlage schon, ob es überhaupt noch Sinn macht, deutsche Übersetzungen für solche Bücher in Auftrag zu geben. Zumal die deutsche Übersetzung immer deutlich später kommt. „Die Leute wollen einfach nicht so lange warten“, sagt Christian Bode.

Die steigenden Zahlen der „Financial Times“ führt er allerdings auf etwas anderes zurück: einen reinen Prestige-Aspekt. „Wer die ,Financial Times’ mit wirklichem Interesse liest, verfügt sicher über das rechte Englisch, um sie auch zu verstehen. Und wer nicht, der möchte zumindest so wirken, als ob.“

Antonia Kränzlin

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