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Eine halbe Stunde dauerte das Interview von ZDF-Talker Markus Lanz mit Ex-US-Präsident Barack Obama.

© Tsp

Markus Lanz in Washington: Audienz bei Barack Obama

Lieber über Joe Biden reden als über Donald Trump: So war das „Exklusivinterview“ von Markus Lanz mit Ex-Präsident Barack Obama.

Von Caroline Fetscher

Er freute sich. Am Mittwoch kündigte Markus Lanz gegen Ende seiner Sendung so munter wie unaufgeregt an: „Morgen - ein Exklusivinterview mit Barack Obama“. Der ehemalige US-Präsident sei „ein richtiger Charisma-Bolzen“, fügte er hinzu. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag war Obama dann tatsächlich zu sehen, im zuvor aufgezeichneten Interview in einer Hotelsuite in Washington. Im Anschluss an die halbe Stunde Audienz debattierte im ZDF-Studio eine kleine Lanz-Runde, zu der Obamas einstiger Kampagnenberater Julius van de Laar eingeladen war und die New Yorker Finanzexpertin Sandra Navini.

Barack Obama hat ein neues Buch verfasst, das jetzt in 25 Sprachen, darunter auch Deutsch, erscheint, ein tausendseitiges Opus Magnum über Amerika, seine Zeit als Präsident, Analysen der Gegenwart, seinen Nachfolger im Amt. In dessen Verachtung für Fakten sieht Obama ein Symptom des in zwei Lager zerfallenden Landes und eines der neuen medialen Sphäre, auch im Netz, die „von der Realität abkoppeln“ kann. So, wie es derzeit im Weißen Haus angesichts von Corona geschieht.

Amerika, das gespaltene Land

Amerika, das gespaltene – warum? Stets habe das Land den Konflikt um Exklusion oder Inklusion gekannt, zwischen Klassen, Gruppen, Hautfarben, erwiderte Obama, der so entspannt und konzentriert sprach, wie für ihn typisch. Seine Antworten wurden im Originalton ausgestrahlt, mit Untertiteln.

Wenige Tage zuvor hatte er der BBC gesagt: „Es wird mehr brauchen als eine Wahl, um diese Trends umzukehren.“ Stellte Lanz Fragen zu Trump, wandte Obama sich lieber Joe Biden und Kamala Harris zu, der Präsidentschaft, die in einer Krise beginnt. Er wisse, was das heißt: Als er ins Amt kam stand die Finanzwelt Kopf. Rückblickend bekennt Obama: Die progressiven Kräfte hätten für Arbeiter und Farmer manches „nicht so gut gemacht, wie es hätte sein sollen.“ Doch der Machtwechsel stimmt ihn optimistisch: „Es wird ein neuer Tag sein.“

Warum, wollte Lanz wissen, haben trotz allem, was passiert ist, 70 Millionen Amerikaner wieder für Trump gestimmt? „Leute wählen Erzählungen“, so Obama, Storys entscheiden Wahlen, nicht Programme. Er habe damals seine Vision erzählt. Viele hätten jetzt „Trost“ in Trumps Storys gesucht. Die aktuelle Ära des „select your own facts“ sei ein langfristiges Problem für Demokratien, da man sich nicht mehr auf eine Faktenbasis, etwa zu Klimadaten, verständige.

Entspannt, fast jungenhaft

Lanz, der Obama ebenso politische Kommentare entlocken wollte wie Emotionen, erkundigte sich gespannt, fast jungenhaft: Wie das denn damals war, die erste Nacht im Weißen Haus zu verbringen? „Wie im Museum“, so Obama. Es sei nicht sein Haus gewesen, sondern das Haus „of the American people“. Die enorme Verantwortung wurde ihm durch den Einzug bewusster: Alles, was sich global ereignet, ging ihn jetzt etwas an.

Wie interviewt man einen Mann von der seltenen Größe eines Barack Obama? Für die Dramaturgie wählte Lanz Szenen des legendären Abends 2011, als Obama beim traditionellen „White House Correspondents Dinner“ in einer satirischen Rede Donald Trumps Lügen und Ambitionen verspottete, während zugleich der größte militärische Coup im Gang war, das „Ausschalten“ des Terroristen bin Laden in Pakistan durch eine US-Spezialeinheit.

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Waren der Spott und der Triumph am anderen Tag die schwere Kränkung, die den verlachten Millionär aufs Weiße Haus zutrieb? Lässt sich Geschichte von diesem Dreh- und Angelpunkt her lesen? Das wussten auch die Studiogäste nicht, beeindruckt jedoch von der Kombination kurzer Redeausschnitte, geschnitten wie Clips: Obama gibt nüchtern und knapp den Tod von Bin Laden bekannt. Trump brüstet sich schwadronierend mit der Tötung des Terrorfürsten Al Bagdadi. Hier ein Staatschef, da ein Scharlatan.    

So höflich wie unerschrocken

Lanz wächst. Wer die Sendung hin und wieder einschaltet, kann nachgerade dabei zusehen. Der 1969 geborene Moderator aus einem Südtiroler Dorf galt als glatt, fast beflissen, ein Entertainer mit einem boulevardnahen Kessel Buntes, Schauspieler, Sportler, Menschen, die von exotischen Tieren berichteten, von kühnen Seglertörns oder schlimmen Unfällen. Doch mehr und mehr ist Lanz zum politisch wachen Moderator geworden, der Gäste so höflich wie unerschrocken konfrontiert, beharrlich nachfragt, und mitunter glaubhaft berührt, etwa wenn er einer Holocaust-Überlebenden zuhört.

Längst kommen Leute zu Lanz, wie sie bei Anne Will oder Frank Plasberg auftauchen, von Olaf Scholz bis Friedrich Merz, von Alice Schwarzer bis Sahra Wagenknecht, Karl Lauterbach bis Boris Palmer. Zu den Sternstunden gehörte die verbale Judo-Lektion, die Lanz Ende 2019 dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen erteilte, als der gegen „die Flüchtlinge“ und „die Medien“ polemisierte. Lanz ließ nicht locker – und genau das wirkt zugleich locker. Auch sein Debut mit einem der bedeutendsten Politiker der Gegenwart ist ihm gelungen.  

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