zum Hauptinhalt
Folge mir.  Der Schulz-Hype ist über soziale Netzwerke wie Facebook hinausgegangen. Auf der Seite schulztools.org sammeln Fans Wahlwerbeideen.

© s: Tsp

Martin Schulz und das Netz: „Robin Hood“, „Gottkanzler“

Hier herrscht penetrantes Duzen: Wie der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zum Internetphänomen wurde.

Martin Schulz hat etwas geschafft, was für viele Politiker unerreichbar scheint: Er kommt im Netz gut an. Während sich viele Parteien und Unternehmen kostspielig durch Social-Media-Teams eine Facebook-Präsenz aufbauen lassen, bekommt Schulz die Unterstützung seiner Fans quasi hinterhergeworfen. Seit dem Bekanntwerden seiner Kanzler-Ambitionen ist seine Popularität rasant gestiegen.

Laut Politbarometer wünschen sich 44 Prozent der Deutschen Schulz als Kanzler. Die Unterstützung im Netz kann Schulz gut gebrauchen. Am Sonntag wird er auf einem Sonderparteitag zum SPD-Vorsitzenden gewählt. Seine Konkurrentin Angela Merkel, die laut Politbarometer gleichauf mit Schulz ist, scheint zwar im Online-Wahlkampf mit über 2,3 Millionen Fans auf Facebook die Nase vorn zu haben. Allerdings spricht vieles dafür, dass Schulz der eigentliche Social-Media-König ist.

Auf Facebook hat er rund 300 000 Fans – wie viele seit Bekanntwerden seiner Kanzlerkandidatur hinzukamen, behät sein Team für sich. Sichtbar hat sich die Anzahl der Likes auf seiner Seite vervielfacht. Auf einen Post reagierten im letzten Jahr im Schnitt zwischen 500 und 1000 Nutzer mit einem Like oder einer Emotion, heute sind es zwischen 2000 und 5000 Nutzer.

Zwar postet überwiegend sein Team, doch wirken die Beiträge wesentlich persönlicher als die Angela Merkels. Bei Schulz gibt es viel „Du“ und „Ich“, dazu eine gesunde Mischung aus Bildern, Videos und Links. Sogar die „Live“-Funktion nutzen Schulz und sein Team gelegentlich und streamen Videos von Veranstaltungen live auf Facebook.

Merkels Facebook-Auftritt wirkt statisch und unpersönlich

Nutzer dürfen nicht auf seiner Seite posten. Das ist relativ üblich auf Facebook-Fanseiten, der Kontakt erfolgt vor allem über die Kommentarfunktion der Posts. Hier geht es bei Schulz recht harmonisch zu, viele wünschen ihm Glück oder erzählen unter seinen politischen Forderungen von ihren Erlebnissen. Merkels Facebook-Auftritt hingegen wirkt statisch und unpersönlich. Die Posts tragen die deutliche Handschrift einer nüchternen Redaktion. Mangels Authentizität stellt dieser Account nur wenig Bindung zum Publikum her. In den Kommentaren findet man vielfach abfällige Bemerkungen zu Merkel und ihrer Politik, aber auch Zustimmung zu ihren Posts.

Auf Twitter ist Martin Schulz mit knapp 366 000 Followern der beliebteste deutsche Politiker. Über 4000 Tweets haben er und sein Team seit seinem Beitritt 2008 abgesetzt. Anders als bei Facebook ist auf Twitter nicht klar, ob Schulz persönlich twittert oder twittern lässt. Auch hier herrscht penetrantes Duzen. Schulz twittert etwa im Sozi-Sprech: „Wer arbeitslos wird, braucht eine neue Chance – egal in welchem Alter. Qualifizierung ist das beste Mittel gegen lange Arbeitslosigkeit.“ 802 Menschen gefällt das.

Martin Schulz auf Facebook
Martin Schulz auf Facebook

© Tsp

Zur Wahl in den Niederlanden schreibt er auf Deutsch und Niederländisch: „Geert Wilders konnte die Wahl in NL nicht gewinnen. Ich bin erleichtert. Wir müssen aber weiter für ein offenes und freies Europa kämpfen!“ Der kämpferische Post gefällt über 2100 Nutzern. Unter dem Hashtag #SchulzFacts sammeln Twitter-Nutzer seit einiger Zeit humorvolle Beispiele für Schulz’ Unbesiegbarkeit: „Als Martin Schulz sein Elternhaus verließ, sagte er zu seinem Vater: ,So, jetzt bist du der Mann im Haus‘“, schreibt etwa ein Nutzer. Kritik an Schulz gibt es unter dem populären Hashtag aber auch, etwa von AfD-Chef Jörg Meuthen.

Auf Facebook gibt es auch eine „Gottkanzler Schulz“-Fanpage

Die Kanzlerin selbst hat nach wie vor keinen Twitter-Account und wird nur durch den sehr sachlichen Regierungssprecher Steffen Seibert (@RegSprecher) vertreten, der immerhin 725 000 Follower hat. Wahrscheinlich würde ein Kanzlerinnen-Account ohnehin zu gewollt wirken und ihrem Image mehr schaden als nutzen.

Die größte Begeisterung erlebt Schulz allerdings auf reddit.com, einer Plattform, auf der Nutzer Inhalte hochladen, kommentieren und bewerten können. Mit sogenannten Memes, meistens Bildern oder Bildmontagen, auf denen ein lustiger Spruch steht, wird Schulz ironisch als „Gottkanzler“ und „Robin Hood“ gezeigt. Auf Reddit geht es vor allem um nischigen Internethumor.

Laut einer Datenanalyse des Bayerischen Rundfunks setzten die Nutzer seit Ende November über 5500 Beiträge zu Schulz ab. Ein harter Kern von etwa 100 aus 1400 aktiven Nutzern postet regelmäßig und hält den „Schulzzug“ am Laufen. Auf Facebook gibt es auch eine „Gottkanzler Schulz“-Fanpage mit 13 000 Fans. Vorbild für die scheinbar aus dem Nichts entstandene Schulz-Kampagne ist die Reddit-Seite „the_donald“, die in Donald Trumps Wahlkampf entstand. Aus dessen „Make America Great Again“ (MAGA) wird bei Schulz „Make Europe Great Again“ (MEGA).

Die Nutzer scherzen, Schulz komme „Straight outta Würselen“ (in Anlehnung an das Album „Straight Outta Compton“ der US-Gangsterrapper N.W.A) und steuere mit „High Energy“ (so bezeichnet Trump seine Präsidentschaft) auf das Kanzleramt zu.

Der Schulz-Hype ist längst über soziale Netzwerke hinausgegangen. Auf der Seite schulztools.org sammeln seine Fans Wahlwerbeideen. Dort gibt es einen Jutebeutel zum Selbstbedrucken, einen Schulz-Sticker zum Aufkleben und virtuelle Schulz-Sticker zum Verschicken in Messaging-Apps auf iOS. Mit der Adelung zum Internetphänomen wächst die Begeisterung. Zwar wurden auch vor ihm Politiker zu Memes verarbeitet, allerdings meistens als Ziel von Spott und Häme. Schulz hat anders als andere Politiker eine erkennbare Social-Media-Glaubwürdigkeit.

In einer Videobotschaft dankte Schulz seinen Reddit-Fans für ihr Engagement. Bei einem Auftritt gab er zu, dass er nicht wisse, wie man „Meme“ ausspricht – auf viele wirkt das authentisch. Eine bessere Öffentlichkeitskampagne hätten seine Berater nicht vorbereiten können.

Der SPD-Parteitag mit der Wahl von Martin Schluz zum Parteivorsitzenden am Sonntag live im TV: von 11 Uhr 30 bis 13 Uhr und von 15 Uhr bis 15 Uhr 30 bei n-tv, 11 Uhr 15 bis 15 Uhr bei Phoenix, 11 Uhr 45 bis 13 Uhr bei N24.

Zur Startseite