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MEDIA Lab: Der Rest ist Schweigen

Die sozialen Medien haben zwar ihre Tücken, aber, so die Hoffnung, sie stärken die Meinungsvielfalt und bringen mehr Menschen dazu, wieder ihre Meinung zu äußern. Ist das wirklich so?

Aktuelle Studien ernüchtern. Erstens: Speziell bei Themen, die sehr umtreiben, sind soziale Medien nicht die Alternative, insbesondere nicht für jene, die sonst geschwiegen hätten. Das Pew Forschungscenter in Washington befragte 1800 Nutzer sozialer Medien, ob sie dort ihre Ansicht zu Edward Snowdens Enthüllungen über die Überwachungspraxis des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes NSA kundtun würden. Nicht einmal die Hälfte, 42 Prozent, antwortete mit „Ja“. 86 Prozent sagten, in einem direkten Gespräch würden sie sich aber äußern. Bemerkenswert: Von den 14 Prozent, die im „wirklichen Gespräch“ ihre Meinung für sich behalten, würde fast keiner stattdessen „virtuell diskutieren“.

Bloß nicht auffallen

Zweitens: Die meisten von uns wollen auch im „Social Web“-Freundeskreis nicht auffallen. Auch in der Welt der sozialen Medien wirkt die Schweigespirale, die wir aus der alten Medienwelt kennen. Viele schweigen lieber, wenn sie fürchten, mit ihrer Meinung alleine zu sein. Je mehr die eigene Meinung hingegen der Meinung der Mehrheit entspricht, desto eher wird sie geäußert. Massenmedien und besonders das Fernsehen verstärken diese Effekte. Dass das soziale Netz daran nichts verändert, überrascht auch, weil dort in bis dahin nicht gekanntem Maß anonym diskutiert werden kann, was übrigens sehr geschätzt wird. 40 Prozent der Mitdiskutierenden, so eine weitere Studie, erklärten, unter ihrem echten Namen würden sie sich nie äußern. Hier wirkt offenbar der „Third Person Effekt“: Man überschätzt die Wirkung von Botschaften auf Dritte. Viele schämen sich für ihre eigene Überzeugung. Das soziale Netz macht sie nicht selbstbewusster.

Einer kleinen Gruppe von Leuten hingegen ist nichts peinlich. Im Gegenteil. Amerikanische Forscher haben das Persönlichkeitsprofil von Web-Trollen analysiert, also von jenen, die Debatten bewusst stören. Ihr Motiv ist ernüchternd: Sie haben Spaß, wenn sich andere ärgern oder leiden.

Marlis Prinzing

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