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Was tun gegen Fake News?

© dpa-tmn

MEDIA Lab: Desinformation durch Weglassen

Ob Niklas Luhmann oder Stewart Brand: Geflügelte Worte sollten komplett zitiert werden, sonst wird ihr Sinn entstellt.

Unter dem Stichwort „Fake News“ wird derzeit ein Problem gehypt, das besser unter dem Stichwort Desinformation zu verhandeln wäre, weil es dabei nicht nur um frei erfundene Nachrichten geht. Wie anfällig Journalismus und Forschungsbetrieb sind, selbst Opfer zu werden, lässt sich an der Karriere zweier berühmter wissenschaftlicher Zitate zeigen.

Das eine stammt von Niklas Luhmann aus dem Jahr 1995. Es ist der vermutlich von Medienforschern meistzitierte Aphorismus des Großmeisters: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“. Das zweite ist noch älter. Stewart Brand erklärte auf der ersten Hackers’ Conference 1984: „Information wants to be free, because the cost of getting it out is getting lower and lower all the time“. Über Jahre hinweg hat sich dieser Satz zum Branchen-Credo verselbständigt. Er musste als Rechtfertigung dafür herhalten, die Menschheit online gratis mit demselben hochwertigen Journalismus zu beglücken, den die Medienunternehmen mit in ihren Printprodukten weiterhin verkaufen wollten.

Der fehlende Teil

Beide Zitate sind unvollständig. Sie erhalten einen ganz anderen Sinn, wenn man den jeweils fehlenden Teil ergänzt. Der zweite Satz bei Luhmann lautet: „Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können“. Die andere Hälfte von Brands Statement hat Miriam Meckel ausgegraben: „Information wants to be expensive, because it’s so valuable. The right information in the right place just changes your life.“

Die beiden vielfach unterschlagenen Sätze sind hochaktuell. Hätten Medienverantwortliche sie genauso verinnerlicht wie die jeweils erste Hälfte, hätten sie Forschungsergebnisse zum Glaubwürdigkeitsverlust des Journalismus rechtzeitig zur Kenntnis genommen, dann hätten sie auch eine Chance gehabt, dem über Jahre hinweg entgegenzuwirken und zu kommunizieren, dass und warum Journalismus wertvoll ist. Vielleicht würden wir 2017 in einer Welt leben, in der wir uns weder über Fake News noch über Almosen zur „Rettung“ des Journalismus den Kopf zu zerbrechen bräuchten.

Stephan Ruß-Mohl

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