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Medien: Medienrepublik (114)

Norbert Thomma über Harald Schmidt als mäßiges Methadonprogramm in „Focus“ Und Gott sprach, und seine Worte begannen so: Eins mal vorweg: Es heißt „zwischen den Jahren“. Dies für alle, die sich zwischen den Tagen mal melden wollten.

Norbert Thomma über Harald Schmidt als mäßiges Methadonprogramm in „Focus“

Und Gott sprach, und seine Worte begannen so: Eins mal vorweg: Es heißt „zwischen den Jahren“. Dies für alle, die sich zwischen den Tagen mal melden wollten. Was übrigens nicht nötig ist. Warum nicht stattdessen lieber Fotos mit dem Handy machen? Das Fotomachhandy war sicher eins der häufigsten Weihnachtsgeschenke, gell?

Und weil diese Kolumne eine Mitmachkolumne ist, kreuzen Sie bitte an …

A) die ersten Worte Gottes sind strunzlangweilig

B) ich habe mir brülllachend auf die Schenkel geschlagen

C) das sind nicht Gottes Worte

D) Jesus lebt!

Punkt D) passt nicht so richtig zu den Punkten A), B) und C), aber er klingt äußerst optimistisch. Und Optimismus ist die richtige Einstellung für ein neues Jahr, praktisch Agenda-zwanzigzehnmäßig. Das Jahresende war traurig genug. Es war Volkstrauertag und Totensonntag und das Ende von Harald Schmidt. Stimmt nicht! „Harald Schmidt macht weiter …“ So wirbt „Focus“ in ganzseitigen Anzeigen für die wöchentliche Kolumne von Harald Schmidt in dem modernen Nachrichtenmagazin. Seit Jahren schreibt Schmidt in „Focus“. Seit Jahren ist das egal. (Oder hat schon mal jemand den Gesprächsfetzen aufgeschnappt: „ … und als ich Montag in ,Focus‘ den Schmidt, also Jungejunge …“)

Warum? Weil Schmidts Kolumnen so anfangen wie oben zitiert (die letzte in Nr.1)? Weil sie so enden: „Es klingelt. Guten Rutsch!“ (dito) Oder weil Schmidt so sehr nicht zu „Focus“ passt, wie Stefan Raab als Kolumnist zu „Bild“ passt? Quasi null Synergieeffekt.

Kleiner Verdacht: Schmidt schreibt diese Kolumne gar nicht (so sickert es gerüchteweise aus der Kölner Redaktion). Schmidt sagte mal, darauf angesprochen, selbstverständlich schreibe er die Kolumnen selbst, jede koste ihn zwei Tage Arbeit. Was nun? Harald Martenstein schrieb (selbst) in seiner unnachahmlich analytischen Präzision (in dieser Zeitung): „Schmidt ist nicht zu fassen. Jeder Gedanke enthält auch sein Gegenteil.“ Gewendet auf die „Focus“-Kolumne heißt das: Wenn also Schmidt behauptet, er schreibe selbst, ironisiert er nur sein eigenes Nicht-schreiben. Genial.

Dabei steckt in jeder „Focus“-Kolumne exakt ein kluger Miniwitz. Über das schlechte Image von Ronald B. Schill etwa: „Ruft nicht die Presse ständig nach Charismatikern mit Ecken und sogar Kanten statt aalglatter Figuren?“ Aber das ist es dann schon. Für Gott ist das zu wenig. Und die wirklich Süchtigen wollen kein Methadon aus München, sie wollen richtigen Stoff im Fernsehen. Vorerst sagt man über Schmidt (in „Focus“) höchstens: Ohgottohgott!

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