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Medien: Medienrepublik (117)

Matthias Kalle hat das Unwort des Jahres 2004 schon gefunden Es ist vorbei, schon jetzt, zum Glück. Kein Warten mehr bis zum Jahresende, kein Abstimmen, kein Abwägen: das Unwort des Jahres 2004 in der Medienrepublik lautet „Qualitätsfernsehen“ – das steht nun, Ende Januar, bereits fest.

Matthias Kalle hat das Unwort des Jahres 2004 schon gefunden

Es ist vorbei, schon jetzt, zum Glück. Kein Warten mehr bis zum Jahresende, kein Abstimmen, kein Abwägen: das Unwort des Jahres 2004 in der Medienrepublik lautet „Qualitätsfernsehen“ – das steht nun, Ende Januar, bereits fest. Und im Dezember, wenn die Magazine ihre Jahresrückblicke in Form von Lexika abfeiern, dann wird hinter dem Wort „Qualitätsfernsehen“ wahlweise stehen: „Ende des“ „Untergang des“, „Suche nach dem“ oder „Forderung nach“. Und es wird Verweise geben auf „EkelTV“, „Beil, Christiane, umgangssprachlich Hackebeil“ und – wenn wir Glück haben – auch auf „Harald Schmidt, Rückkehr des“. In manchen Redaktionen ist dieses Lexikon übrigens bereits fertig.

Nun denn: Qualitätsfernsehen also. Interessante Wortzusammensetzung. Ähnlich wie Massengeheimtipp, Wahrheitslüge oder Gesundheitsreform. Kann es gar nicht geben, muss es vielleicht auch gar nicht geben, und trotzdem verlangten Mitglieder der Medienrepublik in der vergangenen Woche danach. Letzten Sonntag saß in der wirklich sehr guten, weil unterhaltenden, weil immer interessanten Sendung (gar „Qualitätssendung“?) „Nachtstudio“ des ZDF neben Moderator Volker Panzer der Medienforscher Jo Groebel, Direktor des Europäischen Medieninstituts. Groebel fiel in den Tagen zuvor vor allem dadurch auf, dass er auf den Medienseiten in der Berichterstattung zu „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ oft zitiert wurde, was mitunter peinlich war, weil man das Gefühl nicht loswurde, Groebels Zeigefinger weise genetisch bedingt nach oben. Sehr hoch oben war dieser Zeigefinger am Montag, als die „Bild“-Zeitung ihn für ihre Anti-Tatort-Kampagne instrumentalisierte. So wurde Groebel zitiert: „Was die Kamera nicht zeigt, ersetzt der Zuschauer mit Bildern im Kopf selbst.“ Ach so. Und er kam zu dem Schluss: „Kinder sollten das nicht sehen.“ Was genau? Die Bilder im Kopf des Zuschauers? Wäre man sofort dafür.

Im „Nachtstudio“ neben Groebel saß Klaudia Brunst, sie redete klug und unaufgeregt. Das liegt womöglich daran, dass sie Fernsehkritikerin ist, der Job bringt es mit sich, dass man viel Elend gesehen hat, aber warum wird man überhaupt Fernsehkritiker? Buchkritiker wird man, weil man Bücher liebt, und nicht will, dass Schindluder mit dem Kulturgut betrieben wird. Filmkritiker, weil man Filme liebt, Musikkritiker, weil man Musik liebt. Lieben Fernsehkritiker das Fernsehen? Wenn ja, dann wäre das ja eine masochistische Beziehung, denn Fernsehkritiker finden am Fernsehen selten Gefallen, deshalb fordern sie ja das Qualitätsfernsehen. Qualitätsbücher, -filme und -musik gibt es doch schließlich auch. Oder?

Nein, die gibt es nicht. Es gibt gute und schlechte Bücher; gute und schlechte Filme und gute und schlechte Musik. Genau so, wie es gute und schlechte Sendungen gibt.

Gerade zeigt Sat 1 die legendären Folgen einer guten Sendung – „Die Harald Schmidt Show“, zurzeit aus dem Jahr 1996. Schmidt war voller damals, trug längere Haare, buntere Krawatten, war lauter. Mancher, der das heute sieht, sagt: „So gut war der am Anfang ja auch irgendwie nicht.“ Doch. War er. Aber Dinge ändern sich. Das ist manchmal das ganze Geheimnis.

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