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Medien: Medienrepublik (46)

Matthias Kalle über die Frage, ob es Roger Willemsen zweimal gibt Was ja die meisten Leser nun überhaupt nicht interessiert: Wer schreibt das eigentlich, wie heißt der, was kann der sonst noch? Interessiert leider uns Journalisten sehr, manche von uns haben kleine Notizbücher, in die schreiben wir die n von Kollegen, die uns auffallen, dann gibt es noch ein ausgeklügeltes Punktesystem für gute oder schlechte Texte.

Matthias Kalle über die Frage, ob es Roger Willemsen zweimal gibt

Was ja die meisten Leser nun überhaupt nicht interessiert: Wer schreibt das eigentlich, wie heißt der, was kann der sonst noch? Interessiert leider uns Journalisten sehr, manche von uns haben kleine Notizbücher, in die schreiben wir die n von Kollegen, die uns auffallen, dann gibt es noch ein ausgeklügeltes Punktesystem für gute oder schlechte Texte. Gestern haben einige eifrig in ihrem Büchlein geblättert, denn die Frage lautete: Gibt es zwei Roger Willemsen? Am Samstag schrieb ein Roger Willemsen in der Wochenendbeilage der „Süddeutschen“ einen Text über, ja – worüber eigentlich? Es ging irgendwie um das Alter, um einen Generationenkonflikt und über, tatsächlich: Pop-Journalismus. Und da hatte man gehofft, diese Nicht-Debatte wäre seit zwei Wochen endlich ausgestanden. Dieser Willemsen endete mit dem Satz: „Es geht nun um Relevanz und ihre Selbstbehauptung gegen eine zeittypische, von kommerziellen Interessen wie von Ressentiments geleitete Geist-Feindlichkeit.“ Wusste man ja so auch noch nicht. Was jetzt aber „Relevanz“ bedeutet – das wäre interessant gewesen. Stand aber leider nicht im Text.

Roger Willemsen, der andere, hätte das erklärt, so wie er vor zwei Wochen Harald Schmidt erklärt hat, so wie er vor einem Jahr Deutschland erklärt hat und so wie er vor drei Jahren Herbert Grönemeyer erklärt hat.

Es war vier Monate nach dem Tod von Grönemeyers Frau und seines Bruders, da interviewte Willemsen den Musiker für den „Stern“, und dieses Interview berührte den Leser wie selten etwas. Willemsen fragte ohne Pathos, und Grönemeyer antwortete in einer Offenheit, das man sich beinahe schämte, weiter zu lesen. Jetzt erscheint ein neues Album von Herbert Grönemeyer, und Grönemeyer ist wieder ein Thema – auch der „Stern“ hat ein Interview mit ihm gemacht, diesmal ohne Willemsen, aber irgendwie war Willemsen doch da. In dem aktuellen Interview steht die Frage: „Gab es Zeiten, wo sie glaubten, dass ihr Erfolg Sie gegen Schicksalsschläge immunisiert?“ Willemsen fragte vor drei Jahren: „Hast Du geglaubt, dass der Erfolg dich immunisiert?“

Wenn Leser Journalisten interviewen könnten, dann müsste die Frage der Woche lauten: „Hat Sie Ihr Job gegen die Interessen der Leser immunisiert?“ Über das TV-Duell wurde viel berichtet, Kommentatoren beschäftigen sich mit der Fragetechnik und dem Fernsehstudio und der Inszenierung der Kontrahenten. Manche erklärten Stoiber, andere Schröder zum Sieger. Die wenigsten erklärten dem Leser, wer eigentlich Recht hatte und wer log. Die politische Berichterstattung in der letzten Woche las sich wie eine Filmkritik, wie eine Plattenbesprechung. Aber wen interessiert das schon?

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