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Mega-Epos: Auf diese Steine können Sie hauen

Ken Folletts „Säulen der Erde“: Die Verfilmung in Sat 1 bietet großes Fernsehen, aber großartiges Fernsehen bietet sie nicht.

Welche Geschichte hätten Sie denn gern? Diese vielleicht? Nach dem Tod von König Heinrich I. im Jahr 1135 kommt es in England zu kriegerischen Auseinandersetzungen um die Thronfolge. Oder jene? Prior Philip (Matthew Macfadyen) und der Baumeister Tom Builder (Rufus Sewell) kämpfen für den Bau der größten Kathedrale der Welt in Kingsbridge. Love Storys wären auch im Angebot: Dem Baumeister Builder ist die Frau weggestorben, dafür tritt die aufrührerische Außenseiterin Ellen (Natalia Wörner), manche nennen sie gar eine Hexe, in sein Leben. Ellens Sohn Jack (Eddie Redmayne) verliebt sich unsterblich in das ehemalige Adelsfräulein Aliena (Hayley Atwell), das um sein Erbe kämpft und wieder ein Adelsfräulein werden will.

Das sind nur die wichtigsten der hochdramatischen Ereignisse in der Fernsehfassung des Weltbestsellers „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett. Der 1990 veröffentlichte Roman verkaufte sich 14 Millionen Mal. Solch ein Echo schrie nach cinematografischer Vervielfältigung. Es fanden sich internationale Partner, es fand sich der deutsche Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1 als Koproduzent, es fand sich mit Sergio Mimica-Gezzan ein Regisseur, der bei Roland Emmerich („Independence Day“) und Steven Spielberg („Der Soldat James Ryan“) großproduktionelles Filmhandwerk gelernt hat. Donald Sutherland, Ian McShane, Anatole Taubmann und Götz Otto garnieren das international aufgestellte Ensemble. Auch Follett und Drehbuchautor John Pielmeier wirken in Nebenrollen mit.

Die Charaktere im Vierteiler „Die Säulen der Erde“ stehen ausnahmslos im Schatten des Geschehens. Sie erklären sich nicht, sie werden über ihr rasches Handeln erklärt. „Burning by Doing“, möchte man fast sagen, noch selten haben so viel Brand und Feuer und innere Glut Menschen angetrieben. Trotzdem, die Figuren interessieren, wenige von ihnen faszinieren auch. Durch die Bank die Frauen, weil sie erstaunlich selbstbewusst, wenn nicht emanzipiert agieren. Dass die Bösen im weiten Figurenrund so zahlreich und so böse, die Guten so wenige und so gut sind, erhöht den David-gegen-Goliath-Faktor.

Vor diesem Hintergrund ist der Prior Philip umso einnehmender, weil dieser sich vom gottgefälligen Mönchlein zum ausgefuchsten Machtmenschen entwickelt. Matthew MacFayden darf seinen idealisitsch-pragmatischen Prior ausformulieren. Natalia Wörner spielt kraftvoll die Ex-Novizin Ellen, die in der Männergesellschaft des frühen Mittelalters weder Institutionen noch Konventionen achtet, weder Tod noch Teufel fürchtet. Eine interessante Kontrastfigur. Den Grafen Bartholomäus von Shiring, Gegenspieler des neuen Königs Stephan, gibt Donald Sutherland als Mann von prinzipientreuem Charakter, nicht trocken-aufrecht, sondern mit leichtem Cool-Britannia-Gestus.

In dem Tohowabohu der schlimmen Ereignisse ist der Vierteiler kurz davor zu überhitzen. Die Sehnsucht nach detailfeiner Ausmalung, die zahlreichen gefallsüchtigen Handlungsstränge bringen den Erzählbogen schier zum Einsturz, keine Spur von einem besonderen Rhythmus. Der Film kommt von Szene zu Szene wie ein Maurer von Stein zu Stein. Nein, die „Säulen der Erde“ wollen die aufgerufene Zeitgeschichte weniger verstehen, sie wollen sie illustrieren, sie ins Actiongenre übersetzen. Machtpolitische Mechanismen hinter all den Intrigen und Irrungen werden nicht sichtbar, der Film debattiert keine Herrschaftsstrukturen. Menschen wollen überleben, gut, besser, am besten leben. Die Mittel sind Intrige und Gewalt, die Macht ist der Zweck. Keine Figur weist über sich hinaus, jede hat eine Funktion im Mosaik.

Die Filmerzählung hat mit acht Stunden Zeit, viel Zeit, aber wofür nimmt sie sich diese 480 Minuten? Für ein XXL-Panorama der grassierenden Mittelalterbegeisterung, für breitwandige Schaueffekte und Tricksequenzen, für flächige Figuren, die mal ein Geheimnis haben und niemals geheimnisvoll sind. Egal, ob König oder Kirchenfürst, die Motive sind privat, Egomonster, wohin des Zuschauers Auge fällt. „Die Säulen der Erde“ sind großes Fernsehen, großartiges möchten sie nicht sein. Es ist Fernsehen für den globalen Fernsehgeschmack. Jene Raffinesse, wie sie zum Beispiele die Serie „Die Tudors“ ausstrahlt, fehlt ganz und gar. Monumental ist der Vierteiler – und dann ist es auch schon gut.

Die Verfilmung ist ein Megaprojekt. Mit rund 40 Millionen Dollar (knapp 29 Millionen Euro) gilt sie als eine der aufwendigsten Produktionen der Fernsehgeschichte und als globales Ereignis. „Die Serie ist in 172 Länder verkauft worden“, sagte die Produzentin Rola Bauer, Chefin der in München ansässigen TV-Firma Tandem Communications („Ring der Nibelungen“), bei der deutschen Premiere in Berlin.

Nach Bauers Angaben hat sich die acht Stunden lange internationale Koproduktion bereits refinanziert und werfe Gewinn ab. Welchen finanziellen Beitrag Sat 1 geleistet hat, wollte Geschäftsführer Andreas Bartl nicht sagen. Weltbestsellerautor Follett ist bereits mit der nächsten Produktion beschäftigt. Das ZDF packt „Die Pfeiler der Macht“ an.

„Die Säulen der Erde“, Sat 1, heute, 22.11., 29.11., 6.12., jeweils 20 Uhr 15

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