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Schon 92 Autorinnen und Autoren haben den Forderungskatalog unterschrieben.

© promo

Mehr als nur Drehbuchschreiberlinge: Aufstand der Autoren

Mit dem „Kontrakt 18“ wollen Deutschlands Geschichtenerzähler zu mehr Kontrolle, Mitbestimmung, Qualität bei Film und Serie kommen

Ist nicht immer so, dass Wut produktiv wird. Die skandalöse Einladungspraxis beim Deutschen Fernsehpreis 2018, die erst nach dem Aufschrei der Drehbuchautorinnen und -autoren wenigstens Kristin Derfler („Brüder“) auf die Feierbühne brachte, hat den Geschichtenerzählern des deutschen Fernsehens ihre Ohnmacht vor Augen geführt. Aber sie haben reagiert. Kristin Derfler, Annette Hess („Ku’damm 56/59“), Volker A. Zahn („Zarah“, „Das Leben danach“) und Orkun Ertener („KDD“) gründeten bereits im Februar die verbands- und organisationsunabhängige Initiative „Kontrakt 18“. Ende Mai einigten sich zahlreiche Autorinnen und Autoren auf einen Sechs-Punkte-Katalog. Bisher gibt es 92 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, die Liste liest sich wie ein Who’s who jener, die von sich zu Recht sagen, „unsere Bücher sind die Basis und das Herz jedes Films“. Die Autorin/der Autor will nicht länger Mündel, sie/er will gleichberechtigte Partnerin/gleichberechtigter Partner werden.

Die „Kontraktler“ verweisen auf die beständige Qualitätssteigerung des fiktionalen Erzählens im Fernsehen weltweit. Vor allem in den USA, in Großbritannien und den skandinavischen Ländern gab es beachtliche Innovationen und große künstlerische Leistungen. Dies sei in erster Linie „der herausragenden kreativen Rolle der Drehbuchautorinnen und -autoren zu verdanken, die nicht nur die Buchvorlagen liefern, sondern den gesamten Prozess der Film- und Serienentstehung von der ersten Idee bis zur Endmontage begleiten, kontrollieren und mitverantworten“, wie es in einer Mitteilung heißt.

Trotz ermutigender Beispiele sei Deutschland in dieser Hinsicht noch ein Entwicklungsland, den Autorinnen und Autoren würde die kreative Kontrolle über ihre eigenen Werke entzogen, das Potenzial zur Qualitätssteigerung nicht genutzt. Zwar gebe es Solidarität bei vielen Produzenten, Redakteuren und Regisseuren, aber Lippenbekenntnisse bleiben Lippenbekenntnisse.

Das soll sich ändern. Dem Sechs-Punkte-Plan ist quasi eine Präambel vorangestellt, in der die Erwartung formuliert wird, „dass auch in Deutschland Vertrags- und Verhaltensstandards eingeführt werden, die in anderen Ländern schon lange selbstverständlich sind, weil sie die Qualität von Filmwerken verbessern".

Forderungen und Selbstverpflichtung

In dem „Kontrakt 18“ stecken Forderungen und zugleich eine Selbstverpflichtung. Ab dem 1. Juli würden die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner nur dann in Vertragsverhandlungen eintreten, wenn ihnen folgende Optionen angeboten würden.

Bei Punkt 1 heißt es, „die Autorin/der Autor verantwortet das Buch bis zur endgültigen Drehbuchfassung. Sämtliche Bearbeitungen des Buchs müssen von der Autorin/vom Autor autorisiert werden. Diese Forderung rekurriert auf die Erfahrung, dass mancher im fertigen Film sein Drehbuch nicht wiedererkennen konnte. Redakteure, Regisseure, neu hinzugezogene Zweit- oder Drittautoren schrieben hinein oder um, fügten hinzu, strichen. Freilich nicht ausgeschlossen, dass der Film/die Serie dadurch auch besser wurde.

Ferner wollen die Autorin/der Autor ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Regisseurin oder des Regisseurs. Die Entscheidung über die Besetzung der Regie wird einvernehmlich getroffen. Zu den erweiterten Kontroll- und Mitbestimmungsrechten gehört auch die Teilnahme an den Leseproben sowie die Möglichkeit, Muster und den Rohschnitt zum frühestmöglichen Zeitpunkt sehen und kommentieren zu können – Einladung zur Rohschnittabnahme inklusive.

Unter Punkt 5 steht: „Die Autorin/der Autor wird bei allen Veröffentlichungen in Zusammenhang mit dem Filmprojekt (Pressemitteilungen, Programmhinweise, Plakate etc.) namentlich genannt und zu allen projektbezogenen öffentlichen Terminen eingeladen.“

Zudem verpflichten sich sämtliche Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dazu, Aufträge zu Buch-Überarbeitungen (Rewrites, Polishing) nur noch dann anzunehmen, wenn sie sich zuvor mit den aus dem Projekt ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen verständigt hätten.

Die Liste ist lang, die Liste hat Konsequenzen. So werden die Initiatorinnen und Initiatoren des „Kontrakts 18“ quasi über ihre Autorschaft hinaus zu Mitkreateuren von Serie und Film. Sie wollen Mitsprache auf Augenhöhe, den Produktionsprozess aktiv begleiten.

Unmöglich ist das nicht, wie die angeführten Beispielländer zeigen. Mehr Arbeit ist es auch, bis hin zur Quälerei auf allen Brachenseiten. Aber die Chance, dass deutsche Fiktion so ihre Qualität steigern kann, muss die Anstrengung, die Bereitschaft aller wert sein.

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