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"Mein Kampf" am Kiosk: Warum Peter McGee für seine Zeitschrift kämpft

Warum der britische Verleger Peter McGee Auszüge aus Hitlers Buch an deutsche Kioske bringen will. Auch gegen den Widerstand des Bayerischen Finanzministeriums, das die Urheberrechte an "Mein Kampf" hält.

Das Kaffeewasser kocht und wird wieder kalt, erst mal will Peter McGee die Vorgeschichte erzählen, bevor er auf seinen Küchentisch „Das unlesbare Buch“ legt. So lautet der verschämte Titel der Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“, die er am morgigen Donnerstag in Deutschland im Rahmen seiner Edition „Zeitungszeugen“ an den Kiosk bringen will. Fast enttäuscht das dünne Schulheftchen in nüchterner Typografie, ohne Illustrationen, mit mehr Erklärungen als Text.

Bayerns Finanzministerium will dagegen „rigide und entschlossen“ vorgehen. Am Montag stellte die Behörde beim Landgericht München Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, „um die Rechtspositionen des Freistaats Bayern zu wahren“, wie Ministeriumssprecher Thomas Neumann sagt. Durch die mögliche Veröffentlichung von Auszügen aus „Mein Kampf“ sehe das Ministerium sein Urheberrecht verletzt. Das Ministerium ist Rechtsnachfolger des Eher-Verlags, in dem der „Völkische Beobachter“ und „Der Angriff“ erschienen ist, auch an „Mein Kampf“ hält es bis 2015 die Urheberrechte.

McGee beruft sich jedoch auf die Zitierfreiheit nach Paragraf 51 des Urheberrechtsgesetzes, die sich aus der im Grundgesetz verankerten Pressefreiheit speise. Sein Verlag hat beim Landgericht bereits eine entsprechende Schutzschrift eingereicht, da er mit einem Vorgehen des Finanzministeriums gerechnet hatte. Er wolle mit seinen „Zeitungszeigen“ schließlich nicht „Mein Kampf“ komplett abdrucken, sondern nur einen Auszug.

„Wir haben es bewusst trocken gehalten. Gnädigerweise sind es nur 16 Seiten. Viel mehr könnte man gar nicht verdauen“, sagt McGee und klopft mit dem Finger auf das Heft, das in seiner Küche in seinem komfortablen Wohnhaus in Sevenoaks im Londoner Stockbroker-Belt liegt. McGee ist Alleineigner des Verlags Albertas Limited, in dem die „Zeitungszeugen“ erscheinen. „Wir sind ein typisches Unternehmen des 21. Jahrhunderts“, erklärt McGee, aber eigentlich könnte er im Singular sprechen. Statt mit Infrastruktur und Personal arbeite der Verlag nur mit Ad-hoc-Stäben dort, wo seine Projekte sind – das ist zurzeit vor allem Deutschland. Gerade war McGee dort, um seinen Plan zu verteidigen: seiner Sammelserie „Zeitungszeugen“ drei Hefte mit Auszügen des verpönten Hitlerbuchs „Mein Kampf“ beizulegen und so der „Teufelsbibel“ die falsche Magie zu nehmen. Entmystifizierung eines grässlichen Buches, donnerstags am Kiosk, das ist seine Mission.

„Zeitungszeugen“ erzählen die Geschichte Hitlerdeutschlands und des Zweiten Weltkriegs durch Faksimiles damaliger Zeitungen. Sie erscheinen jeweils zusammen mit Erklärungen und Kommentaren von angesehenen Historikern und Experten. Auf die Idee dazu ist McGee durch die britische Tradition gekommen, Geschichte anhand von historischen Zeitungen zu erzählen. „Zum 60. Thronjubiläum der Queen in diesem Jahr werden wir alle wieder die Faksimiles der Zeitungen von ihrer Krönung bekommen“, sagt der Unternehmer, der früher in der Vertriebsabteilung der Zeitung „Independent“ gearbeitet hat. Überall in Europa stieß McGee mit seinen Sammelserien „auf einen großen Hunger nach diesem Wissen“ – Belgien, Norwegen, Griechenland und Österreich. Manche Historiker rümpfen die Nase über solche Populärgeschichte, die meisten finden es gut, ihr Wissen so mit Menschen zu teilen. Auch der deutsche Geschichtslehrerverband ist mit an Bord.

"Stellen Sie sich das vor. Polizeirazzien an Zeitungskiosken. In Deutschland!"

Die „Mein Kampf“-Auszüge werden von dem Dortmunder Historiker Horst Pöttker erklärt. Der Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz fordert im Vorwort der für Donnerstag geplanten Ausgabe einen neuen Umgang mit dem Hitlerbuch: „Statt kontraproduktiver Behinderung ist Aufklärung notwendig“.

Mit „kontraproduktiven Behinderungen“ hat McGee Erfahrung. Als die „Zeitungszeugen“ vor drei Jahren erstmals in Deutschland erschienen und plötzlich Ausgaben von „Der Angriff“ und dem „Völkischen Beobachter“ an deutschen Kiosken auftauchten, schickte das bayerische Finanzministerium die Polizei. „Stellen Sie sich das vor. Polizeirazzien an Zeitungskiosken. In Deutschland! Die Ironie ist ungeheuer.“ Innerlich schüttelt es ihn immer noch.

Dass der Freistaat Bayern wegen Copyrightverletzung klagte, habe er verstanden, darauf seien er und seine Anwälte vorbereitet gewesen. Dass man ihn aber nach Paragraf 86 des Strafgesetzbuches der neonazistischen Propaganda anklagte, findet er „absurd“. „Sie wollten mich einschüchtern. Es war eine zynische Haltung.“ Die Gerichte gaben McGee in allen Punkten recht.

War es wenigstens gute Reklame? „Es hat uns ein bisschen berühmt gemacht, aber aus den falschen Gründen, und den Vertrieb völlig durcheinandergebracht“. Bei Sammelserien, die vom kontinuierlichen Sammelinteresse leben, sei der Start entscheidend. Die Polizeiaktion störte die Vertriebssicherheit. Viele seien abgesprungen, erklärt er. „Aber ich bin stolz auf das Produkt. Wir haben 96 Folgen herausgebracht und ein bisschen Profit gemacht“.

Wie viel, sagt er nicht. Rund 50 000 Exemplare waren 2009 und 2010 wöchentlich verkauft worden, dieses Mal werden 100 000 Stück angepeilt, 3,90 Euro kostet eine Ausgabe. Die Bayern werfen ihm Profitsucht vor. „Mit diesem Thema macht man kein Geld“, sagt Bayerns Finanzminister Markus Söder von der CSU.

Müsse man nicht viel misstrauischer sein, wenn einer das macht, ohne Geld zu verdienen, fragt McGee und erklärt: „Man sollte die Beilage danach beurteilen, ob es ein guter oder ein schlechter Versuch ist, Hitlers ,Mein Kampf‘ als das darzustellen, was es ist. Eine Sache zu verurteilen, weil sie eine kommerzielle Seite hat, macht keinen Sinn.“ Warum ein Projekt wie die „Zeitungszeugen“ nicht ein Deutscher, sondern ein Ausländer macht? „Nur ein Ausländer kann das. Ich kann zurücktreten und die Dinge distanzierter sehen“, sagt McGee. Die Schwierigkeiten, die Deutschland sich mit seiner Geschichte macht, verstehe und respektiere er. Unterm Strich sei es aber immer besser, die Dinge offen anzugehen, als mit Verboten unter den Teppich zu kehren.

Mit einer schnellen Entscheidung des Landgerichts München über den Antrag des Finanzminiszeriums wird gerechnet. McGees Verlag bereitet sich auf drei Szenarien vor: Dass die „Zeitungszeugen“ ohne „Mein Kampf“ erscheinen. Oder in veränderter Form, möglicherweise mit einem „Zensiert“-Aufdruck wie 2009. Oder aber, dass das Heft trotz des Antrags wie geplant mit „Mein Kampf“ am Kiosk liegt. Die Exemplare dann zu konfiszieren, schließt das Finanzministerium nicht aus.

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