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Medien: Mein Name ist immer noch Barbara Eligmann

Mit ihrem Gesicht verbindet man das Boulevardmagazin „Explosiv“. Jetzt kehrt sie zurück: mit einer Rateshow

Sieht so ein Bluthund aus? Jahrelang brachte uns Barbara Eligmann zum Abendbrot geschändete Kinder in die Fernsehstube, Unfallopfer mit fehlenden Gliedmaßen, Frauen mit zu großen Brüsten. Und nun? Sitzt einem die einstige Frontfrau von RTL-„Explosiv“ gegenüber und bietet Kekse an. Wo ist dieser schief gelegte Kopf, das Kinn nach unten, der Blick nach oben, diese Geste, die dem Zuschauer vermittelte, er könnte das nächste Unfallopfer sein? Und jetzt, wo man diese Bilder schon fast vergessen hatte, kommt Barbara Eligmann aus der Babypause zurück, hat den Sender gewechselt, lächelt einen in der Sat 1-Kantine an wie in acht Jahren „Explosiv“ nicht und spricht über ihr Comeback. Über „Clever!“. Eine Wissensshow.

Entspanntes Zurücklehnen also. Da kommen jetzt keine zwei Lesben, die einen Mann killen, kein überfahrener Bahner ohne Beine. Da ist nur eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Gesicht, das Anfang der 90er Jahre auszog, dem vorabendlichen Fernsehzuschauer das Fürchten zu lehren. Der strenge Mittelscheitel ist weg, dafür Haarfransen über die Augen. Auch kein steif gebügelter Blazer mehr. Aber noch diese Stimme, der leicht aufdringliche investigative Tonfall. Der zur Begrüßung immer den gleichen Satz rüberbrachte: „Mein Name ist Barbara Eligmann, und das sind die heutigen Themen …“. Damit schrieb die Moderatorin in 2120 Folgen „Explosiv“ Quotengeschichte, von 1992 bis Dezember 2000. 2120 Folgen Frauenmörder, Kinderschänder, Exhibitionisten. Es gibt kaum jemanden in der Branche, außer vielleicht Peter Bond, dessen Image nach acht Jahren TV-Job so fest gelegt war wie das der Eligmann. Die Frau, mit der Millionen Männer ins Bett gehen wollen, könne Barbara Eligmann nicht sein, sie sei eine „aprilfrische Waschmittelmutti“, sie wünsche man sich nicht ins Bett, sondern in den Betriebsrat. Das hatte Joseph von Westphalen geschrieben, als es die „Woche“ noch gab. Böse, böse. Barbara Eligmann lächelt. „Wieso? Das ist fast schon eine Auszeichnung. Es war zu ,Explosiv‘-Zeiten halt Mode, mich durch den Kakao zu ziehen. Und? Mittlerweile ist Boulevard überall.“ Manche wissen das gar nicht mehr, „Explosiv“ gibt es immer noch.

Die Eligmann auch. Ende 2000 hatte sie sich ins Privatleben zurückgezogen. Auf dem Karriere-Höhepunkt. Mit 37. Nach schnellem Start ins Mediengeschäft. Abinote 2,1, vier Wochen Uni, Volontariat beim „Westfalenblatt“, 1988 zu RTL Nord, ab Mai 1992 Moderatorin bei „Explosiv“, 1993 Redaktionsleiterin. 1996 die Goldene Kamera. Dann das Privatleben. Tochter Letizia ist jetzt zwei Jahre alt, Sohn Clemens fünf. Nebenbei noch ein bisschen Kochbuchschreiben, aber auf Dauer konnte es das nicht gewesen sein. Am Sonnabend also das Comeback mit „Clever!“. Sie gibt sich entspannt. Ihr Name ist immer noch Barbara Eligmann. Sonst hätte sie Sat 1 auch nicht geholt und auf die schwierige Vorabendschiene gesetzt. Fragt sich bloß, ob „Clever!“ der richtige Bringer ist, eine Mischung aus „Knoff Hoff Show“ und „Genial daneben“. Mit Wigald Boning als Sidekick, den üblichen Verdächtigen als Gästen: Axel Schulz und Ingo Appelt. Die müssen raten, warum ein Marmeladenbrot immer auf die Marmeladenseite fällt.

Axel Schulz und Ingo Appelt. Früher hat Barbara Eligmann nach Frauenmördern gefragt, die auf der Seite 1 von „Bild“ standen. Bei „Clever!“ fragt sie, woher der Urknall kommt. Bei RTL war die Eligmann neben Günther Jauch die Nummer eins. Bei Sat 1 hatten sie gerade einen Urknall, einen Führungswechsel. Von „Aufbruchstimmung“ hatte Barbara Eligmann gesprochen, als sie bekannt gab, von RTL zur Konkurrenz zu wechseln. Bei Sat 1 hat sie einen Einjahresvertrag unterzeichnet. Aber da war Martin Hoffmann noch der Chef.

Der ist nun weg. Kein Problem, meint Barbara Eligmann. „Ich war ja nicht so ein Weggefährte von Martin Hoffmann wie Anke Engelke oder Harald Schmidt.“ Schon wenige Tage nach dem Wechsel hatte sie den neuen Sat 1-Chef Roger Schawinski am Handy. Man wolle sich bald persönlich kennen lernen. Andererseits, die Stimmung war schon mal besser beim Kuschelsender. „Ich muss zugeben, ich bin nicht böse drum, dass ich in Köln produziere.“ Wie sagte sie früher? „Und das sind die Themen …“ Was war eigentlich mit Harald Schmidt? Der hatte die Kollegin in seiner Show jahrelang veralbert, bis sich beide zufällig im Urlaub in einem Hotel auf Mallorca trafen. Weiß sie mehr zum Fernsehthema eins? Nicht wirklich. Es würde Schmidt ja sehr ehren, sagt sie, wenn er seinem Freund Martin Hoffmann aus Solidarität gefolgt wäre, „aber es wäre das erste Mal, das so etwas in der Branche passiert.“

Schade, bei „Explosiv“ hätte man daraus eine fiese Intrigen-Geschichte machen können. Zurück zum Comeback der Eligmann. Von „Clever!“ laufen zunächst vier Folgen. Ist das nicht recht wenig Vertrauen in die einstige „Quotenkönigin des Elends“ („Spiegel“), in die Frau, die das Vorabendprogramm in den 90er Jahren beherrschte, regelmäßig fünf Millionen Zuschauer hatte und nun einen Monat moderieren darf? „Nein, das ist professionell. Man kann dann quotenmäßig sehen, ob’s weiter läuft.“ Warum überhaupt der Wechsel von RTL zu Sat 1? „Gute Konzepte sind rar. Darum fiel die Pause länger aus als gedacht.“ Nach „Explosiv“ hatte sie bei RTL noch eine Spielshow pilotiert. Aber das war es dann doch nicht.

Aber ist es jetzt „Clever!“? Sollte Barbara Eligmann einen Imagewechsel anstreben – die harmlose, kleine Familienshow könnte ihr helfen. Unabhängig davon, wie lange das Format läuft. Sie gibt es nicht zu, aber es nervt schon noch, diese Fragen nach der unnahbaren, kühlen, herzlosen „Explosiv“-Frau. „Das habe ich bei mir innen nie wieder gefunden und Menschen, die mich kennen, auch nicht.“ Außerdem gab es durch ihre Familie, ihren Mann, einen 37-jährigen RTL-Redakteur, sicher auch eine Art Image-Brechung, nach dem Motto: Die kriegt ja auch einen Kerl.

Die Kölnerin sagt: „Ich bin ein hochemotionaler Mensch.“ Schämt sie sich heute nicht ein bisschen für ihren alten Job, für „Explosiv“, für die Geschichten um Nachbarschaftskriege und wild gewordene Dobermänner? „Nein, aber bei uns zu Hause wird jetzt zur ,Explosiv‘-Zeit Abendbrot gegessen. Da bleibt der Fernseher aus.“

An diesem Sonnabend sicherlich nicht. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Sat 1 so ziemlich allen Zeitungen ein Interview mit der Eligmann aufgeschwatzt hat, weil nun deren neue Sendung startet – und weil man „Clever!“ vielleicht gar nicht so clever findet. Hugo Egon Balder, auch so eine Karriere des Privatfernsehens, hat mit „Genial daneben“ seine zweite Chance genutzt. Der Fall Gabi Bauer zeigt aber, was passieren kann, wenn eine erfolgreiche Moderatorin nach einer Pause mit dem falschen Format auf den Bildschirm zurückkehrt. Barbara Eligmann kann das TV- Comeback des Jahres werden. Oder ein Fall für den Rückblick 2004 – unter Pech und Pannen.

„Clever!“, Sat 1, Sonnabend um 19 Uhr 15

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