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Hülya Özkan

© ZDF

Migranten und Medien: "Moderieren Sie einfach weiter"

Warum es nicht selbstverständlich ist, dass ein Einwandererkind aus dem Bundestag berichtet. Vier Journalisten, vier Migranten-Lebensläufe.

Über Darstellung des Themas Migration und Integration in den Fernsehprogrammen wird viel diskutiert. Im Juli haben ARD/ZDF eine Studie veröffentlicht: „Migranten und Medien 2007“. Es geht aber um mehr als um Inhalte und die Frage, was für TV-Programme Deutsche und Ausländer bevorzugt sehen. Noch immer ist es in Deutschland nicht so selbstverständlich wie in angelsächsischen Ländern, dass Journalisten mit Migrationshintergrund vor die Kamera kommen und Karriere machen wie CNN-Korrespondentin Christiane Amanpour, die als Kind iranischer Eltern internationale Korrespondentin für den Nachrichtenkanal wurde. Wie schwierig ist es, in deutschen Medien Fuß zu fassen? Vier Journalisten erzählen.

Mitri Sirin, 36, Moderator bei „RBB aktuell“

Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Meine Familie gehört zur syrischstämmigen und christlichen Minderheit in der Türkei. Meine Eltern sind Ende der 60er nach Deutschland, ins Münsterland ausgewandert. Ich arbeite seit 1993 bei Radio und Fernsehen. Name, Aussehen und Herkunft waren größtenteils nicht ausschlaggebend für meinen beruflichen Werdegang. Seit 2005 arbeite ich beim RBB. Der Sender hat mich eingestellt, weit bevor die Debatte darüber begann, mehr Bürger mit sogenanntem Migrationshintergrund in den Medien einzusetzen. Begonnen habe ich als Moderator bei Radio Kiss FM. Der Sender hatte sich Anfang der 90er auf eine multikulturelle Ausrichtung konzentriert. Da passte ich wunderbar rein. Bei anderen Radioengagements war meine Herkunft nie ein Thema. Mit meinen Jobs beim Fernsehen hat sich das bis auf wenige Ausnahmen geändert. 1994 bei „Saturday“ auf Vox waren Name und Herkunft nicht wichtig. Ich ging als „jugendlicher Freak mit Dreadlocks“ durch. Später arbeitete ich bei TV Berlin als Moderator eines Nachrichten- und Kulturmagazins. Dort gab es Zuschriften von Zuschauern, die sich durch meinen Namen und mein Äußeres gestört fühlten. Zwei-, dreimal bekam ich bei TV-Castings zu hören: Es sei sehr gut gelaufen, aber als Typ bin ich leider zu ausländisch. Jeder Fernsehsender hatte schon vor der Integrationsdebatte seine eigene Personalpolitik verfolgt: RTL eher hellere Typen, anders Pro 7. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich mit der Besetzung von Moderatoren ausländischer Herkunft schwergetan. Nach Ranga Yogeshwar und Cherno Jobatey kam lange Zeit gar nichts. Die aktuelle Entwicklung hierzulande zeigt, dass sich einige Verantwortliche eingestehen, etwas verschlafen zu haben.

Golineh Atai, 33, Nahostkorrespondentin der ARD in Kairo

Meine Eltern verließen den Iran September 1980, kurz vor Beginn des Irak- Iran-Krieges. Damals besuchte ich den Kindergarten der Deutschen Schule Teheran und verstand nicht recht, warum die Schule plötzlich geschlossen wurde, warum es in meiner Familie ständig politische Streitereien über die „Revolution“ gab und warum meine Großmutter ein Kopftuch trug. Als ich in Deutschland eingeschult wurde, konnte ich kein einziges Wort Deutsch. Nur ein paar Kinderlieder, die ich in Teheran aufgeschnappt hatte. Was würde ein Schulleiter heute sagen, wenn er eine Fünfjährige ohne Deutschkenntnisse vor sich hätte?

Als Teenager fand ich es schrecklich, aus dem Iran zu sein. Betty Mahmoodys Buch „Nicht ohne meine Tochter“ war auf den Bestsellerlisten, ständig stellten mir Klassenkameraden Fragen wie „Fahren im Iran die Leute Auto oder reiten sie auf Kamelen?“. Ich lernte, zu erklären: Gut und Böse seien viel zu einfache Kategorien. Und dass ich auf meinen Reisen in den Iran ganz andere Erfahrungen gemacht hätte, als die Islam-Experten in ihren Büchern beschrieben. In meinem Elternhaus wurde viel über den Iran gesprochen. Oder den Islam. Im Studium fand ich heraus, was mich bewegt: mehr zu erfahren über das Aufeinandertreffen von muslimischer und christlicher Welt. Nebenher machte ich Radio und Lokalzeitung. Ich hatte nie den Eindruck, nur für „Ausländergeschichten“ eingesetzt zu werden. Auch nicht im Volontariat beim Südwestrundfunk.

Internationale Politik und das Leben der Einwanderer in Deutschland fand ich schon immer besonders spannend. Die arabische Straße jubelt natürlich, wenn ich sage, ich sei Iranerin. Dann sagen sie: „Ahsan nas (ein ausgezeichnetes Volk), das ist super, wie sie den Amerikanern die Stirn bieten.“ Mein Ursprung hilft natürlich, ein Vertrauen bei der Recherche zu schaffen. Ich habe immer wieder das Gefühl, dass ich auf bekannte Situationen stoße, wo ich denke: Hoppla, das kenn ich. Wenn ich BBC, CNN oder Al Dschasira International schaue, habe ich den Eindruck, dass Einwandererkinder die Welt gut erklären können. Es wäre schön, wenn wir in Deutschland auch so ein buntes BBC-World-Fernsehen hätten. Das Schlagwort „exotisch“ hat mich immer aufgeregt. CNN-Chefreporterin Christiane Amanpour ist eine iranische Engländerin oder englische Iranerin, aufgewachsen in Teheran. Da sagt niemand in den USA: Die sieht aber exotisch aus! Die echte Normalität in Deutschland wäre, wenn das exotische Einwandererkind aus dem Bundestag berichten würde.

Hülya Özkan, 50, moderiert „heute in Europa“ beim ZDF

Für ein Volontariat beim ZDF wurde ich 1986 unter rund 1000 Bewerbern ausgewählt. Ich hatte nicht das Gefühl,weil ich „Migrantin“ war, sondern weil ich die Voraussetzungen dafür erfüllte: Ein Magisterdiplom der Politischen Wissenschaften mit dem Thema „Der Laizismus in der Türkei vor dem Hintergrund der iranischen Revolution“, neben Türkisch Fremdsprachenkenntnisse in Französisch und Englisch. Ich fühlte mich nicht als Migrantin, wollte keine Sonderrolle. Nach dem Volontariat kam ich als Redakteurin in das Landesstudio Hessen, wo ich es mit normalen deutschen Themen zu tun hatte. Das war wichtig für mich.

Irgendwann bot sich mir die Gelegenheit zu moderieren. Solange ich ein Programm für sogenannte Gastarbeiter moderierte, nämlich „Nachbarn in Europa“, war die Welt in Ordnung. Mit „heute aus den Ländern“, einer Sendung mit deutscher Landespolitik, die von einer Moderatorin mit türkischem Namen präsentiert wurde, begannen die Probleme. Ein leitender Mitarbeiter der Aktualität witzelte sogar: „Jetzt gibt’s wohl ,heute aus Anatolien‘ und fragte besorgt: ,Was sagen jetzt die Republikaner?‘“ Diese Haltung blieb die Ausnahme. Dafür kochten bei Zuschauern Emotionen hoch. Anfang der 90er bekam ich regelmäßig „Fanpost“ – einige waren freundlich, aber die meisten wollten wissen, was ich als Türkin bei einem deutschen Sender zu suchen hätte. Ich solle verschwinden, das Land verlassen, bevor es zu spät ist. Eines Tages wurde ich zum damaligen Nachrichtenchef Peter Voß gebeten. Er zeigte mir einen Zuschauerbrief mit großem Hakenkreuz darauf und der Aufforderung ans ZDF, mich vom Bildschirm zu nehmen. „Was wollen Sie tun?“, fragte ich ihn. Er sagte ruhig: „Nichts! Moderieren Sie einfach weiter.“ Bis Anfang 2000 gab es diese „netten“ Zuschriften, auch als ich mit „heute in Europa“ an den Start ging. Für meine Redaktion bin ich eine Kollegin unter vielen. In der Hauptredaktion Außenpolitik beim ZDF sind Redakteure mit einem anderen Background keine Seltenheit und sogar erwünscht. Mit ihren Sprachkenntnissen und multikulturellen Erfahrungen tragen sie dazu bei, dass auch andere Bilder als die herkömmlichen transportiert werden.

Erkan Arikan, 37, leitet die türkische Redaktion des „WDR Funkhaus Europa“

1969 erblickte ich in der Hafenstadt Bandirma im Westen der Türkei das Licht der Welt. Ein Jahr später kam ich mit meiner Familie nach Deutschland und wuchs in Berlin als Sohn türkischer Gastarbeiter auf. Nach dem Abitur studierte ich an der Freien Universität. Während meines Studiums der Rechtswissenschaft schnupperte ich das erste Mal bei Kiss FM Moderationsluft. Am Journalistenkolleg der FU Berlin absolvierte ich das Studium der Kommunikations-, Sozial- und Politikwissenschaften. Im März 1999 wurde ich Redakteur des Satiremagazins „Nachschlag“, danach ein Volontariat bei n-tv, ab Januar 2001 Redakteur in der Nachrichtenredaktion und Moderator. Seit September 2003 bin ich Redaktionsleiter der türkischen Redaktion beim „WDR Funkhaus Europa“. Als ich meinen Eltern erzählte, dass ich die Redaktion leiten werde, die „Köln Radyosu“ verantwortet, waren sie sehr stolz auf mich. Es handelt sich um das Radioprogramm, das vor allem für die Generation meiner Eltern von der Auswanderung Ende der 60er Jahre bis in die 80er Jahre die einzige Verbindung in ihre Heimat war. Für mich ist es wichtig, die türkische und deutsche Kultur zu leben und zu erleben. Deutschland ist das Land, das meine Heimat ist. Aber ich habe dennoch meine türkische Seele bewahrt. Ich fühle mich durch und durch als „Berliner“, der sich nur als Gast in Köln am Rhein sieht. Mein großer Wunsch ist es, bald wieder in meine Heimatstadt zurückzukehren. Vor allem, weil in Berlin meine sechs Monate alte Tochter Merve und meine Freundin leben.

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