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Die Spannungen eskalieren. Marvin (Johannes Keller) kommt sichtbar lädiert nach Hause.

© ZDF/Martin Rottenkolber

Mini-Serie „Deutscher“ auf ZDFneo: Schleichendes Gift

ZDFneo-Mini-Serie „Deutscher“: Was zwei Mittelstandsfamilien nach einem Wahlsieg von Rechtspopulisten erleben.

Was wäre los in Deutschland, wenn eine rechtspopulistische Partei die Bundestagswahl gewinnt? Grimme-Preisträger Stefan Rogall hat sich für die vierteilige, aus dem „Innovationsfonds“ des ZDF finanzierte Mini-Serie „Deutscher“ ein Mini-Soziotop ausgedacht, das man wohl überschaubar nennen darf: Vater, Mutter, Kind in zwei benachbarten Einfamilienhäusern irgendwo in Deutschland.

Zwei Mittelschichts-Familien, die für das gespaltene Deutschland stehen. Im roten Haus links Politiklehrer Christoph Schneider (Felix Knopp), Apothekenhelferin Eva (Meike Droste) und Teenager David (Paul Sundheim). Im blauen Haus rechts Handwerksmeister Frank Pielcke (Thorsten Merten), Hausfrau Ulrike (Milena Dreißig) und Sohn Marvin (Johannes Geller), der mit David auf dieselbe Schule geht und mit ihm auch befreundet ist. Links wird auf Bio-Ernährung geachtet, rechts wird gerne gegrillt.

[ „Deutscher“, ZDFneo, Dienstag und Mittwoch, 20 Uhr 15]

Damit dürfte schon klar sein, auf welcher Seite der beiden Garagen man hofft, dass sich die neue Regierung bald selbst entzaubert, und auf welcher Seite man glaubt, dass die Probleme nun endlich angepackt werden. Und so vorhersehbar geht es dann auch anfangs weiter: Marvin wird an der Schule von einer Gruppe gemobbt, die aus lauter Drogen verkaufenden Jungs aus Einwandererfamilien besteht. Evas Arbeitskollege Burak (Atheer Adel) wiederum erlebt in der Apotheke typischen Alltagsrassismus, denn nach Ansicht einer älteren Kundin kann er kein „echter Deutscher“ sein, egal wo er geboren wurde. Natürlich gibt es auch im Lehrerkollegium einen Typen, der nach dem Wahlergebnis übers ganze Gesicht strahlt, während Christoph zwar gerne das Wort führt, aber in der Konfrontation mit der Clique um den unverschämten Emrah (Rojan Barani) überfordert ist.

Auf die große Politik wird verzichtet

Allerdings mischen sich ins Schwarz- Weiß-Schema nach und nach einige Grautöne und in das recht statisch angelegte Familiendrama kommt ordentlich Bewegung. Angenehm ist auch, dass sich die beiden Paare nicht spinnefeind sind. Eva und Ulrike kommen sich zwischenzeitlich beinahe sogar freundschaftlich nahe. Drehbuch und Inszenierung verzichten vollständig auf die „große Politik“, sondern bleiben konsequent vor Ort und im „kleinen“ Mittelschichtsalltag. So erzählt die vierteilige Mini-Serie nicht, welche Folgen irgendwelche Beschlüsse aus Berlin haben, sondern wie sich eine zunehmend vergiftete Atmosphäre auf das Zusammenleben auswirkt. Weil die einen unverfrorener auftreten, die anderen Mut und Überzeugungskraft verlieren oder einfach die Augen verschließen. Die dystopische Ausgangssituation sorgt nur für ein Grundrauschen, eigentlich ist „Deutscher“ eine Gegenwarts-Serie mit hohem Realitätsanspruch und „soll die sich langsam manifestierende Bedrohung deutlich sichtbar machen“ (Rogall).

Bereits in der ersten Folge werden Burak und Eva nach einem harmlosen Auffahrunfall von drei Männern angegriffen, offenkundig aus rassistischen Gründen. Am Ende geht gar der Imbiss von Bilal Oktay (Erdal Gürcü) in Flammen auf. Dessen Tochter Cansu (Lara Aylin Winkler) ist Davids Freundin. Und weil Cansu glaubt, einen von Marvins Bekannten vor dem Anschlag gesehen zu haben, wachsen auch die Spannungen in der Generation der Jugendlichen.

Insbesondere in den ersten beiden Folgen spielt der junge Regisseur Simon Ostermann einige Hip-Hop-Titel ein, ergänzt durch Indie- und Songwriter-Stücke. Zugleich nimmt sich die Inszenierung – in den letzten beiden Folgen führte mit Sophie Linnenbaum eine weitere Absolventin der Filmhochschule Babelsberg Regie – Zeit für alltägliche Ehe- und Nachbarschaftsthemen. Das Ende lässt hoffen, nur mit dem Wasserdruck im roten Haus wird das wohl nie was, egal unter welcher Regierung.

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