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Medien: „Mir muss das Programm nicht gefallen“

MTV wird 15 Jahre alt: Geschäftsführerin Catherine Mühlemann über das Problem, gute Ideen, aber ein zu kleines Budget zu haben

Frau Mühlemann, wenn wir richtig gerechnet haben, waren Sie, als MTV Europe heute vor 15 Jahren auf Sendung ging, 21…

… und fast schon zu alt für Musikfernsehen.

Sind Musikvideos etwa ganz an Ihnen vorbei gegangen?

Nein, überhaupt nicht! Mein Bruder und ich haben regelmäßig Musikclips auf VHS aufgenommen – aus der Sendung „Music Box“. Das war vor der Zeit von MTV. Ich erinnere mich noch an dieses Lied, dieses schlimme Lied von Bonnie Tyler: „Total Eclipse of the Heart.“ Das haben wir nachgesungen, nachdem wir uns das Video ungefähr hundert Mal angesehen hatten.

Nie Kristiane Backer beneidet, die erste deutsche Star-Moderatorin von MTV?

Mich haben mehr die Clips interessiert und die Geschichten, die sie erzählen.

Auf ihrem zweiten Kanal, MTV Pop, haben Sie die Moderation an manchen Stellen abgeschafft. Da laufen dann nur Videos.

Anfangs haben alle den Kopf geschüttelt: Das funktioniert nie! Ich habe gesagt: Doch, es gibt ein Publikum, das nur Musik erleben will. Und es hat funktioniert. Ich bin der Meinung, dass das, was wir Sendung nennen, auch eine echte Sendung sein und dem Zuschauer mehr liefern muss als einen Moderator, der Videoclips ansagt. Vom Prinzip Clip – Moderator – Clip, nach dem ja auch Viva viele seiner Sendungen bestreitet, will ich immer mehr wegkommen.

Ihre „echten“ Sendungen haben Sie fast alle aus dem amerikanischen MTV übernommen. Wie zum Beispiel „The Osbournes“, die RealitySerie rund um die Familie des Hardrock-Stars Ozzy Osbourne. MTV Deutschland scheint weniger kreativ zu sein.

Bei den „Osbournes“ hatten wir natürlich gleich die Idee einer deutschen Variante. Doch die Gagenforderungen der deutschen Stars waren bis jetzt zu hoch für uns. Wir haben nur ein kleines Programmbudget, viel kleiner als etwa Pro 7.

Sie haben dieses Jahr die „MTV Freak Show“ mit Uschi Glas’ Sohn Benjamin Tewaag produziert. Die Fernseh-Kritik hat die Sendung zerrissen, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien als „schwer jugendgefährdend“ eingestuft.

Ich orientiere mich nicht an der Kritik, sondern am Publikum. Und bei jungen Leuten hat die „MTV Freak Show“ wunderbar funktioniert. Dass wir zum Teil ein bisschen weit gegangen sind, ist unbestritten.

Sie haben Ihre Fernseh-Karriere in der Marktforschung begonnen. Hat Sie das geprägt? Denken Sie eher in Zuschauerpotenzialen als in journalistischen Ideen?

Marktforschung ist bestimmt ein guter Background. Ich bin mir bei MTV immer bewusst, dass ich nicht mehr zur Zielgruppe gehöre: Mir muss das Programm nicht gefallen.

Welches Programm würde Ihnen denn gefallen?

Ich habe mal von einem Musiksender geträumt, der Trance- und Ambient-Music spielt, unterlegt mit von Kunststudenten produzierten, psychedelischen Bildern. Das Programm würde als Schleife laufen, die je nach Tageszeit stimmungsmäßig variiert. Ich glaube nur, das hätte gar keine Zuschauer – außer mir. Ich fürchte, gegen ein Programm, das meinem Geschmack entspricht, wäre Arte noch ein Shooting Star.

Woher wissen Sie, was Jugendlichen gefällt? Lesen Sie die „Bravo"?

Ich blättere sie durch.

Und? Was haben Sie dabei über die Jugendlichen von heute erfahren?

Im Unterschied zu meiner Jugend sind die heutigen Jugendlichen sehr viel selbstbewusster, flexibler und bewegen sich in durchaus gegensätzlichen Lebenswelten. Ich glaube aber, dass die Jugendlichen im Grunde ganz archaische Themen beschäftigen: Beziehungen, Freundschaft, Liebe, die Suche nach sich selbst, Selbstverwirklichung. Wie uns früher auch.

Nur dass sie heute unpolitischer sind. Sie jedenfalls haben trotz Bundestagswahl keine einzige politische Sendung im Programm.

Sie haben Recht, Politik steht bei Jugendlichen nicht an erster Stelle. Wir schalten Spots in unserem Programm mit der Botschaft: Geht wählen. Mehr Politik ist nicht Strategie von MTV. Wir betätigen uns mit Dingen wie der Aufklärungs-Kampagne zum Thema Aids, also eher im gesellschaftlich-sozialen Bereich.

Werber beschreiben die Jugendlichen von heute als verunsichert und, seit dem Crash der New Economy, auch ein wenig verarmt. Es heißt sogar, die Werbung hätte die Zielgruppe der 14- bis 21-Jährigen abgeschrieben.

Glaub’ ich nicht. Was stimmt, ist, dass Jugendliche heute sehr verschieden sind, dass sie rasch ihre Interessen wechseln. Für die Werber sind sie schwer fassbar. Davor hat so mancher wohl Respekt. Aber MTV, das sich ja ganz auf junge Leute spezialisiert hat, hat zwei Prozent höhere Werbeumsätze als im Vorjahr. Und das, obwohl der TV-Werbemarkt im ersten Halbjahr um 7,6 Prozent rückläufig ist.

Geht die Krise in der Medien- und Plattenindustrie an Ihnen vorbei?

Nein, nicht ganz. Mit den Labels stehen wir in einer sehr engen Verbindung. Die Krise kriegen wir deswegen natürlich indirekt auch zu spüren.

MTV, heißt es, will aus München weg.

Vielleicht. Wir haben uns in Berlin und München Immobilien angesehen. Berlin ist für mich interessant, weil viele Plattenlabels in der Stadt sind und eine kreative Szene da ist. Es wird jedoch noch einige Monate dauern, bis wir uns entscheiden werden.

Es gibt das Gerücht, dass auch MTV Europe von London nach Berlin ziehen soll.

Da ist nichts dran.

Das Gespräch führten Joachim Huber und Barbara Nolte.

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