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Thomas Gottschalk (l.) mit seinem Gast Bud Spencer.

© ARD/Philipp Hageni

Mogelpackung "Gottschalk Live": Tricksen für die Quote

„Gottschalk Live“ ist vieles, aber eines nicht – eine Livesendung. Öffentlich eingestehen will man das nicht, schließlich gibt es noch eine Reihe anderer Probleme zu lösen.

Deutschlands goldene Heimwerkerregel gilt jetzt auch fürs Fernsehen: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ „Gottschalk Live“ wird nicht mehr live um 19 Uhr 20 im Ersten ausgestrahlt, sondern als bearbeitete Aufzeichnung. „Für diese Änderung ist kein Ende abzusehen“, sagte Sprecherin Bibo Loebnau dem Tagesspiegel. Wer sich bei www.grundy-le.de um Studio-Karten für die Sendung bemüht – bis zum 26. April sind sie aktuell verfügbar –, der bekommt die Auskunft, dass sich die Zuschauer um 16 Uhr im Humboldt-Carré am Berliner Gendarmenmarkt einfinden müssten. Gegen 17 Uhr, 17 Uhr 30 werde aufgezeichnet.

Die Heimwerkergeschichte von „Gottschalk Live“ hat schon ein paar Kapitel. Der ungenügenden Quoten wegen wurde Thommys Wohnzimmer in eine 08/15-Fernsehwabe umgebaut, werden Zuschauer ins Studio geholt. All das soll die Gemütslage des Moderators, die Qualität der Sendung und den Zuspruch heben; mit 4,5 Prozent Marktanteil am Dienstag (1,10 Millionen) und 4,6 Prozent am Mittwoch (1,13 Millionen) ist „Gottschalk Live“ von der geforderten Zielmarke der zehn Prozent Marktanteil weit entfernt.

Die Aufgabe des Live-Charakters, anfänglich begründet mit Studioumbau und Tuning des neuen Grafikpakets, ist der bisher gravierendste Eingriff. Wo „Gottschalk Live“ draufsteht, ist „Gottschalk Live“ nicht mehr drin. Die Änderung wird mit einer „entspannteren Situation“ begründet, sprich, von Gottschalk soll der Druck genommen werden, in den 29 Sendeminuten sekundengenau die Werbe- und Wetterinseln sowie den Sponsorhinweis anzusteuern. Das ist für den Matador, an unendliche Sendeweiten bei „Wetten, dass..?“ gewohnt, eine große Herausforderung, die er nicht immer besteht.

Zum Zweiten gibt die Aufzeichnung den Machern die Chance, das Produkt zu optimieren, über den Schnitt die Stärken einer Ausgabe zu betonen, die Schwächen zu mindern. Allerdings, so heißt es aus der Redaktion, werde „live on tape“ aufgezeichnet. Somit wäre die Länge der Aufzeichnung nahezu identisch mit der Länge der Ausstrahlung, es würde nur bei Applaus- und Publikumsbildern gekürzt.

Tatsächlich wurde schon anders gehandelt. Die Sendung am 10. April mit den Gästen Bud Spencer und „Turn-Oma“ Johanna Quaas war aus zwei Teilen zu einer „Konserve“ zusammengerührt. Der Spencer-Talk lag schon länger vor, die für Donnerstag, 5. April, eingeladene Turn-Oma kam gar nicht vor, weil der Talk mit Gottschalk-Spezl Günther Jauch nach Meinung der Redaktion so prima lief, dass die gesamte Sendung darauf verwendet wurde. Nach dem Jauch-Auftritt schlüpfte Gottschalk wieder in das Outfit der Spencer-Aufzeichnung und führte darin das Gespräch mit Johanna Quaas – und fertig war die Nummer für den 10. April. Aber so fein die Trickserei auch gesponnen war, aufmerksame Zuschauer haben trotzdem bemerkt, dass Gottschalk in einer Sendung an zwei verschiedenen Schreibtischen saß. Sprecherin Loebnau nannte den Vorgang „eine absolute Ausnahme“.

Bleibt das Faktum, dass „Gottschalk Live“ nicht live, der Sendetitel eine in Kauf genommene Irreführung des Publikums ist. Die Macher verweisen darauf, dass eine Verkürzung auf „Gottschalk“ oder jede andere Änderung erneut umfassende und geldwerte Anstrengungen auslösen würde. Außerdem müsste das Konserven-TV in der Öffentlichkeit eingestanden werden. „Es gibt genug anderes zu tun“, heißt es im Humboldt-Carré.

Entspannter wird mit der Frage umgegangen, ob die ARD am 20. April – Stichtag für die Quotenüberprüfung – wirklich den Stecker zieht, so dass Ende Juni Finale wäre. Daran glauben die Mitarbeiter nicht. Sie setzen auf Verlängerung wenigstens bis Ende des Jahres. Aber dann muss „Gottschalk Live“ endgültig funktionieren. Der Heimwerkermarkt fürs Fernsehschaffen ist geplündert.

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