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War mal ein Markenzeichen und ist heute fast vergessen.

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MTV, rascher Aufstieg, rascher Niedergang: Weggestreamt

Vom Erfolg in die Erfolglosigkeit: MTV startete vor 40 Jahren das Musikfernsehen.

Menschen mit 40 werden manche Lebenserfahrung bestätigen, doch ist darunter auch diese? Dass mit 40 die besten Jahre vorbei seien. Zweifel, Unglauben, Dementi! Viele, wenn nicht alle Fortysometings werden an diesem Diktum vorbeikommen wollen – und MTV? Der Musikprogramm, gestartet am 1. August 1981 als Joint-Venture von American Express und Warner Bros. erst zur Promotion des Satelliten- und dann des Kabelfernsehens in den USA, sendet zwar weiter rund um den Globus und doch am Rand der Bedeutungslosigkeit. Was bleibt, ist die unbestreitbare musikkulturelle Kraft, die von dieser Innovation ausgegangen ist.

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Der Start war stilbewusst: „Ladies and Gentlemen, Rock’n’Roll.“ Und er war selbstbewusst: Die britische New-Wave-Band The Buggles gab Ziel und Programmatik vor: „Video Killed The Radio Star“. Aber so kam es nicht, weil das Rieplsche Mediengesetz so leicht nicht aus den Angeln zu heben ist. Nach diesem Theorem kann kein neues Medium die bestehenden ersetzen. Medienentwicklung verläuft demnach kumulativ, nicht substituierend. Neues betritt die Kommunikationswelt, das Alte aber bleibt und ändert sich nur in seinen Funktionen und Dimensionen. Das (Musik-)Radio hat das Musikfernsehen überlebt, zugleich das Musikfernsehen mächtige, nicht absehbare Konkurrenz bekam.

Fernsehlandschaft neu befruchten

Von solchen Überlegungen und Erfahrungen waren die MTV-Pioniere Meilen und Jahre entfernt. Sie wollten die gängige, spröde Fernsehlandschaft wenn schon nicht umpflügen, so doch neu befruchten. Das wurde dem Publikum schon in den ersten Sendeminuten vom 1. August 1981 Minuten klar gemacht. Junge, hippe Moderatoren – Video Jockeys oder kurz VJs genannt – sprachen da mit einem Selbstverständnis in die Kameras, als hingen sie im Wohnzimmer mit Kumpels ab, so schildert es jedenfalls dpa-Autor Georg Schwinghammer.

Mark Goodman – unverschämt dichte Locken und drei offene Hemdknöpfe – machte den Anfang. „Vor wenigen Augenblicken haben alle VJs und die Crew hier bei MTV gemeinsam unserer Produzentin Sue Steinberg eine Flasche Champagner über den Kopf geschlagen – und siehe da, ein neues Konzept ist geboren!“

Dem Aufsehen der ersten Stunden folgten zunächst recht schwierige erste Jahre. Was daran lag, dass Musikvideos noch kein Standard waren, weshalb das 24-Stunden-Programm irgendwann recht öde und eintönig wurde. Andererseits konnte MTV als Kabelsender in den USA zu Beginn nur von einer schmalen Zahl von Menschen empfangen werden.

Hinwendung zu R'n'B

MTV reagierte, indem das Programm sich vom Rock-Fokus verabschieden und verstärkt R’n’B spielte. Videos zu Songs wie „Billie Jean“ und „Beat It“ von Michael Jackson schlugen ein. Viele Karrieren begannen mit Auftritten bei MTV, so die von Duran Duran, Bon Jovi oder Madonna. Die Musikindustrie erkannte die Werbeplattform, umgekehrt die erst schlichte und dann immer weiter verfeinerte Visualisierung der Pop- und Rockmusik um sich griff. Was heute als globale Popkultur begriffen wird, war ohne MTV nicht denkbar. In dem Song „Money For Nothing“ der Dire Straits, dessen Musikvideo zum Start von MTV Europe am 1. August 1987 über den Äther ging, performt Gastsänger Sting cool: „I want my MTV“. Wer wollte das nicht?

Viva gibt auf

Die goldenen Jahre von MTV brachten schließlich mehrere Schwesterkanäle und 1987 den Ableger MTV Europe in die Welt. Der deutschsprachige Konkurrenzsender Viva übte dann sogar so viel Druck auf das Original aus, dass 1997 MTV Germany startete, starten musste, Viva hatte MTV überflügelt. Mit deutschsprachigen Songs und Videos, mit Moderatorinnen und Moderatoren wie Sarah Kuttner, Oliver Pocher und Stefan Raab.

Anders als Viva, das Ende 2018 seinen Sendebetrieb einstellte, ist MTV weiter in Betrieb. Fern vom einstigen Avantgardismus, Restposten in der Wahrnehmung sind die mit üppigem Showglanz vergebenen Awards. Immerhin widmet das Grammy Museum im US-Bundesstaat Mississipi widmet dem runden Jahrestag momentan eine aktuelle Ausstellung.

Das wesentliche Motiv für den Niedergang von MTV ist das Internet. Heute wartet niemand mehr darauf, dass ein bestimmtes Musikvideo im Fernsehen läuft, wenn jedweder Inhalt online auf Abruf steht. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die ersten Stunden des Senders auf YouTube verfügbar sind. Streaming killed the Video-Star? Fast. Joachim Huber

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