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Medien: Multikulti, unverdrossen

„Türkisch für Anfänger“ folgt „Berlin, Berlin“

Innovativ will die ARD sein. Auch in ihrem Vorabendprogramm. Deshalb produziert sie „Türkisch für Anfänger“. In der Serie geht es um die 16-jährige Lena in Berlin, die plötzlich einen türkischen Vater und türkische Geschwister bekommt, weil sich ihre Mutter neu verliebt. Lena rebelliert zunächst gegen die Patchwork-Familie. Keine Sitcom, sondern eine Dramedy soll es werden – eine Mischung aus Witz und ernstem Hintergrund. Zumindest letzterer ist durch die deutsch-türkische Familienkonstellation gegeben. Halten doch einige die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert. Für das Bildungsfernsehen der Öffentlich-Rechtlichen scheint „Türkisch für Anfänger“ wie geschaffen.

Doch erziehen will Produzent Philip Voges niemanden, lieber unterhalten. Ein Ziel, das auch der ARD mit Blick auf die Quote verfolgt. Braucht sie doch einen zugkräftigen Ersatz für das Erfolgsformat „Berlin, Berlin“, auf dessen Sendeplatz „Türkisch für Anfänger“ ab nächstem Frühjahr laufen soll.

Deshalb will man sich von gewöhnlichen Türken-Sitcoms, wie dem auf Sat 1 gefloppten „König von Kreuzberg“, abheben. Bora Dagtekin soll dafür sorgen. Er sitzt gerade am Drehbuch der zwölften und letzten Folge. Dagtekin ist 26 Jahre alt und selbst in einer deutsch-türkischen Familie aufgewachsen. Er kennt die Eigenheiten der Menschen vom Bosporus. Und die sollen das Format sehenswert machen. Sogar deutsche Untertitel gebe es in einigen Szenen.

Ohne Klischees kommt auch „Türkisch für Anfänger“ nicht aus. „Wir arbeiten mit ihnen, brechen sie aber, indem wir jeder Figur eine zweite Seite geben, die sie komplexer macht“, sagt Dagtekin. So führe sich der 17-jährige Cem zwar wie ein türkischer Macho auf. Doch hinter dem Goldkettchen tragenden Proleten zeige sich ein intelligenter, bisweilen sogar romantischer Junge.

Der Drehbuchautor will auch mit den üblichen Rollenbildern brechen. In Metin, dem türkischen Vater, sollen sich deutsche Männer wiedererkennen. Metin ist kein muslimischer Patriarch. Dafür ist seine Tochter Yagmur gläubig. „Diese Polarisierung innerhalb einer türkischen Familie ist ungewöhnlich“, sagt Dagtekin. Und damit fürs Fernsehen umso interessanter. Doch eigentlich sollen die Charaktere fesseln, egal, ob sie Türken oder Deutsche sind. Also doch keine türkische Revolution im deutschen Fernsehen?

Bettina Reitz, zuständige Redakteurin beim Bayerischen Rundfunk, schätzt an der Serie, dass sie sich auf familiäre Konflikte zwischen den Generationen konzentriere. Dass sie zudem eine binationale Geschichte habe, erhöhe die Aufmerksamkeit natürlich. Die ARD hofft auf einen Marktanteil im zweistelligen Prozentbereich.

Doch wer soll die Serie sehen? Den türkischen Humor treffe sie nicht. „Es wird zu viel genagt an dem, was im türkischen Weltbild feststeht“, sagt Dagtekin. Und Deutsche? Die sollen nicht nur lachen, „sondern sich selbst erkennen“, sagt Voges. Also doch was lernen.

Birte Hedden

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