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Zwei Mal Tochter, zwei Mal Mutter. Nina Hoger (links) spielt Tochter Mara Breuer, ihre Mutter Hannelore Hoger die Mutter Charlotte Breuer. Das geht auf in dem Drama „Zurück ans Meer“.

© ZDF und Marion von der Mehden

Mutter-Tochter-Drama im ZDF: Befreiung aus der Belagerung

„Zurück ans Meer“ im ZDF: Wie Charlotte und Mara Breuer ihre verletzten Seelen retten.

Ihr naht euch wieder, gern gesehene Fernsehgestalten. Tochter und Mutter in Wirklichkeit und an diesem Montag gemeinsam auf dem Schirm: Eine Zerbrechlichkeit spielende Nina Hoger, 60, trifft auf Hannelore Hoger, 79, das schwer vermisste Kommissarinnen-Raubein.

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Es erfüllt sich das Gebot: Was Gott biologisch als Mutter und Tochter zusammengefügt hat, das soll der Fernsehgott nicht trennen. „Bella Block“, die eigentlich unpensionierbare Teufelsjägerin von der Polizei, spielt – um Himmels und der Unterhaltung Willen – mit der letzten Äbtissin vom TV-Kloster-Kaltenthal in „Zurück ans Meer“. Und was wohl? Mutter und Tochter. Halleluja.

Doch Vorsicht, das könnte auch schiefgehen. Spätgluckenkitsch, zähes Altersverglühen, öde Milde, eitler Erinnerungstran. Tut es aber – ein letztes Mal Halleluja – nicht.

Die Fernsehprofis sind zu versiert, das Buch (Fabian Thaesler) ist zu unkonventionell, Regie (Markus Imboden) und Kamera (Martin Langer) zu kritisch gegenüber Schnickschnack. Und schließlich: Dänische Schauspielkunst, Jens Albinus („Der Adler“) und Morten Sasse Suurballe („Kommissarin Lund“) ernüchtern teutonische Wallungen.

[„Zurück ans Meer“, ZDF, Montag, um 20 Uhr 15]

Hannelore Hoger heißt im Film Charlotte Breuer, eine Buchhändlerin und ihre kranke Tochter Mara (Nina Hoger). Der Film nimmt uns mit auf die Reise zweier verzweifelter Frauen zum Zauberberg der Realität. Allerdings zu keinem Sanatorium mit dem Geisterpersonal Thomas Manns, sondern zur Therapeutin Dr. Sahling (Christina Große). Dort setzt man nicht auf Verbalisierung, sondern auf das, was der Körper der sprachlos gewordenen Patientenseele sagt.

Die nüchterne Therapeutin fordert Mara zur mutigen Reise in ihr Inneres auf. Dazu gehört die Befreiung aus der fürsorglichen Belagerung durch die Mutter, als wüsste die genau, was der Entführten vor 22 Jahren widerfahren ist. Etwas Schreckliches in jedem Fall. Etwas, an das die Tochter keine Erinnerung hat. Ein Trauma lähmt alle Lebensregungen der jungen Frau.

Erfolgreiche Erpressung

Mutter Charlotte und ihr damaliger Mann haben den Beginn des Dramas erlebt: Ein Erpresser forderte erfolgreich Geld. Damit gelang zwar die äußere Befreiung Maras, aber die Tochter stürzte in ein Erinnerungsloch. Sie verlor zudem fast alle Lebensenergien. Jede Anstrengung, das Trauma zu überwinden, endete für Mara mit Nervenzusammenbrüchen. Aber Therapeutin Sahling lässt nicht locker. Ihre Überzeugung: Die seelische Verletzung gehört niemandem anderes als dem Opfer. Den Weg zur Befreiung muss Mara allein finden.

Der Mutterinstinkt der Buchhändlerin rebelliert. Der Film ist bei seinem Thema. Wie kann eine Mutter dabei helfen, verlorene Erinnerung einer traumatisierten Tochter zurückzuholen, ohne als Deuterin mit eigenen Projektionen das Amnesiegefängnis für die Leidende noch unüberwindlicher zu machen?

Charlotte wird "Bella Block"

Aus Charlotte, der Mutterglucke, wird eine „Bella Block“, die mit gewagten Manövern den Entführer von damals dingfest machen will. Sie hat zufällig eine Stimme gehört, die der des damaligen Entführers am Telefon ähnelt. Jetzt geht sie auf die Jagd. Die Spur führt nach Dänemark und soll dem Milliardär Kjell Mortensen (Jens Albinus) gehören.

Charlotte ist von dessen Täterschaft überzeugt. Sie will Mortensen zum Geständnis zwingen. Ihr ist es ganz egal, dass die Strafe für eine Entführung nach 20 Jahren verjährt ist.

Sie dringt in die Villa des Milliardärs und beschmiert dort die Wände. Alles scheint für die Rächerin dafür zu sprechen, dass sich der reiche Mortensen an ihrer Tochter sexuell vergangen hat. Rache soll die Befreiung aus dem Traumaknast bringen. Da mag ihr Verteidiger (Morten Sasse Suurballe) noch so vor neuer Gewalt warnen. Die Buchhändlerin unternimmt einen zweiten Einbruch in die Villa und wird ins Gefängnis gesteckt, nachdem sie den verdächtigten Übeltäter Mortensen die Treppe hinabgestoßen und ihn verletzt hat.

Eine oder keine Tragödie?

Traumata, sagt der Film, sind ansteckend. Charlotte mit ihrem Glauben an die Heilung durch Gewalt ist dabei, im Sog des Traumas ihrer Tochter unterzugehen. Wieder könnte alles tragisch enden, wenn die Tochter ihre mühsame Selbstheilung durch das Rasen der Mutter abbrechen müsste. Was für ein gefährliches Netz aus seelischen Rückkoppelungen, das nur durch den Mut zur Selbsterkenntnis zu zerschneiden ist.

Die Nacherzählung dieses ungewöhnlichen Films darf den Schluss nicht verraten. Aber soll man an eine Tragödie glauben, wenn man die wunderbar gelösten letzten Bilder von Mutter und Tochter auf der Heimfahrt über die Ostsee sieht?

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