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Nach dem Gau: Des Reaktors Kern

Der Sat-1-Eventfilm am Dienstag fragt nach dem „Restrisiko“ alter Kernkraftwerke - und scheut dabei nicht vor einer klaren Stellungnahme zurück.

Im Herbst 2011 erlebt Deutschland sein Tschernobyl. In einem Kernkraftwerk nahe Hamburg tritt der „Größte Anzunehmende Unfall“, der Gau, ein. Nach einem Riss im Reaktormantel ist die Kernschmelze nicht mehr abzuwenden. Große Teile Norddeutschlands müssen evakuiert werden, der Katastrophenschutz kommt mit der Errichtung von Flüchtlingslagern nicht mehr nach. So beginnt am Dienstagabend auf Sat 1 der Film „Restrisiko“ mit Ulrike Folkerts, Kai Wiesinger und Matthias Koeberlin in den Hauptrollen. Der Film wende sich zwar nicht gegen Energiekonzerne, sagt der Sender, es werde aber klar Stellung bezogen, indem „mögliche Probleme der Akw der ersten Baureihe“ gezeigt würden. Am 26. April 2011 jährt sich zum 25. Mal die bislang schwerste nukleare Havarie, als vor einem Vierteljahrhundert der Block 4 des ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl explodierte. Die radioaktive Wolke verteilte sich damals zuerst über Nordeuropa, später über die gesamte nördliche Erdkugel. Noch heute sollte man die Pilze aus einigen Teilen Süddeutschlands nicht verzehren.

Immerhin leben auch im Katastrophengenre die Unterschiede. Während es vor wenigen Wochen auf Sat 1 zum Film „380 000 Volt – Der große Stromausfall“ noch sensationsheischend hieß, ein solcher Blackout sei nur eine Frage der Zeit, hält sich der Privatsender dieses Mal zurück. „Wir entwerfen ein Szenario, von dem wir alle hoffen, dass es nie Realität wird“, sagte Sat-1-Fiction-Chef Joachim Kossack über den Eventfilm. Alles andere wäre auch zu schrecklich, denn schließlich kann niemand sagen, wie viele Opfer ein solches Unglück fordern könnte. Panikmache ist aber auch unzulässig, weil in Deutschland gerade die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken beschlossen wurde.

„Restrisiko“ beginnt zwei Monate nach dem fiktiven Gau. Der konzerntreue Leiter des fiktiven Kraftwerks Oldenbüttel, Ludger Wessel (Kai Wiesinger), und die Sicherheitschefin des Kraftwerks, Katja Wernecke (Ulrike Folkerts), werden zu einer Anhörung nach Berlin gebracht. Die Untersuchungskommission führt das Unglück auf menschliches Versagen zurück, doch Wernecke weiß es besser. Aber niemand will ihre Warnung hören, dass sämtliche Reaktoren dieses alten Bautyps eine Zeitbombe darstellen. Katja Wernecke sieht nur einen Ausweg. Sie will zurück ins Unglücksgebiet, dorthin, wo ihr Vorgänger Bernd Mahlsdorf (Gerhard Garbers) den Beweis über Konstruktionsmängel versteckt hat.

Regisseur Urs Egger ist es gelungen, auch ohne die typischen Zutaten eines Katastrophenfilms eine spannende und zudem hochgradig aktuelle Handlung (Buch: Sarah Schnier und Carl-Christian Demke) in Szene zu setzen – dankenswerterweise ohne grausam entstellte Strahlenopfer und ohne Panikszenen von Menschen auf der Flucht vor der radioaktiven Wolke. Stattdessen konzentriert sich Egger ganz auf Katja Wernecke und ihren Saulus-zu-Paulus-Wandel von der überzeugten Atomkraftbefürworterin, die bei einer peinlichen Werbekampagne von PR-Berater Steffen Strathmann (Matthias Koeberlin) mitmacht, zur unnachgiebigen Kämpferin für die Abschaltung der alten Reaktoren. Dafür ist sie bereit, ihr Leben zu riskieren, in dem sie sich einzig mit einem Mundschutz versehen ins Sperrgebiet wagt.

Während Folkerts den Beweis sucht, wird in Rückblenden gezeigt, wie die Katastrophe ihren Lauf nahm, von der riskanten Laufzeitverlängerung über einen unter den Teppich gekehrten Brand im Transformatorgebäude bis zum Gau. Die Aufnahmen zum Film entstanden übrigens in einem Atomkraftwerk nahe Wien, das allerdings nie in Betrieb ging.

„Restrisiko“, 20 Uhr 15, Sat 1. Im Anschluss wird um 22 Uhr 15 die Dokumentation „Restrisiko Atomkraft – mit Sicherheit unsicher?“ ausgestrahlt.

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