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Rüttgers

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Nachrichtenportale: Im "westen.de" was Neues

Die WAZ-Gruppe bietet bald Radio- und Fernsehbeiträge des WDR online an. "Der Westen" muss für die Inhalte bezahlen. Es ist die erste Kooperation eines Verlags mit einem öffentlich-rechtlichem Sender in dieser Form.

Zwei Medienunternehmen geben bekannt, dass sie auf einem Gebiet kooperieren wollen. Wer lädt da wohl zur Pressekonferenz? In Nordrhein-Westfalen ist es jedenfalls der Ministerpräsident von der CDU. Jürgen Rüttgers ist stolz, zufrieden und sieht sich als Anreger eines Versöhnungswerks zwischen privatwirtschaftlichem Verlagshaus und öffentlich-rechtlichem Sender. Es fehlte nur noch ein Transparent mit der Losung „Wir in Nordrhein-Westfalen“ beim Pressetermin in der Staatskanzlei am Dienstag, als der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und die WAZ Mediengruppe ihre Online-Kooperation der Öffentlichkeit vorstellten. Start wird in einigen Wochen sein.

„Richtungsweisend“, „Modellcharakter“, mit diesen Prädikaten strich WAZ-Chef Bodo Hombach die Bedeutung des Projektes heraus, das als Premiere einer derartigen Zusammenarbeit zwischen einem Verlagshaus und einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gelten darf. Zusammen mit WDR-Intendantin Monika Piel prägte er noch ein drittes Ziel: „Verbreitung von Qualitätsjournalismus“. Beide Parteien gehen mit Optimismus und mit Vorsicht heran, zunächst wurde eine einjährige Pilotphase vereinbart, „um erste Erfahrungen zu sammeln“, wie die WDR-Chefin sagte.

Die Eckpunkte sehen vor, dass der WDR dem Internetangebot der WAZ-Gruppe „derwesten.de“ gegen Entgelt Beiträge aus seinen aktuellen Regionalmagazinen – Radio und Fernsehen – zur Verfügung stellt. Der WDR bietet täglich neun Beiträge an, aus denen die „Westler“ auswählen können, hieß es. Es handele sich um Berichte, die vom Sender bereits ausgestrahlt worden und auch im Onlineangebot „WDR Mediathek regional“ zu nutzen seien.

Die journalistische und redaktionelle Unabhängigkeit der Kooperationspartner bleibt den Angaben zufolge gewahrt. Entsprechend würden die WDR-Beiträge im „Westen“ unverändert verbreitet, sie dürfen nicht mit Werbung versehen werden. Die WAZ wird dem WDR keine Texte liefern. Für die Nutzer von „westen.de“ ist der Klick kostenlos, anders für den Anbieter: Die Lizensierung der Beiträge für die WAZ erfolgt zu „marktüblichen Preisen“ durch die WDR-Tochter WDR Mediagroup. Summen wurden bei der Pressekonferenz nicht genannt. Bezahlt wird jedenfalls je Beitrag und nicht nach Klickzahlen. Im Rahmen der Kooperation wollen Mediagroup und WAZ New Media Modelle zur gegenseitigen Bewerbung entwickeln. Intendantin Piel betonte, ihr Sender sei offen für weitere Zusammenarbeit mit der Qualitätspresse. Insofern trügen Online-Kooperationen zur publizistischen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen bei. Zwar liege der Preis für einen WDR-Beitrag – wegen der Herstellungskosten – fast doppelt so hoch wie bei privaten Anbietern, trotzdem wird nach Piels Aussage „der Preis nicht so hoch, dass er kleinere Verlage in den Ruin treiben würde“. Für Ministerpräsident Rüttgers wird sich durch das Projekt „ein zusätzlicher Nutzen für die Menschen in NRW und darüber hinaus“ ergeben.

Auch der Mann, der einstmals als geschmeidiger Geschäftsführer der nordrhein-westfälischen SPD und als erfolgreichster Wahlkampfmanager für seinen Ziehvater Johannes Rau arbeitete, hat überhaupt nichts gegen die „Wir-inNordrhein-Westfalen“-Stimmung und die paternalistische Hand von CDU-Mann Rüttgers. Als Geschäftsführer der WAZ Mediengruppe, die Gruppe mit der höchsten Auflage im Land, will Hombach auch Nordrhein-Westfalen sein. Entsprechend wurde der Internetauftritt der Zeitungsmarken unter dem Label „derwesten.de“ zusammengefasst – bisher mit eher mäßigem Erfolg; da ist der Schub durch die WDR-Beiträge herzlich willkommen. Laut Hombach ist die Kooperation WAZ/WDR eine „Win-Win-Situaion“ für beide und ein Dienst am Kunden. Das Projekt könne Schule machen. Er glaube daran, dass sich mittelfristig „die Medien vermischen“ werden. Gleichzeitig warf Hombach die Frage auf, ob die bestehenden medienrechtlichen Rahmenbedingungen in NRW noch zeitgemäß sind. Daher sei die Vereinbarung zwischen WDR und WAZ „ein wichtiger Baustein, die Zukunftskonstellation der Medien in Deutschland zu erproben“.

Die nordrhein-westfälischen Zeitungsverlage begrüßten in einer Erklärung die Kooperation und forderten die Landesregierung zu weiteren medienpolitischen Initiativen auf. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlich-rechtlichen Sendern und Verlagen bei Bewegtbild-Angeboten im Internet könne die Attraktivität der Online-Portale der Zeitungen weiter steigern, erklärte der Vorsitzende des NRW-Verbandes, Clemens Bauer.

Trotz des Modellprojekts in NRW: Überall im Land streiten Verleger und Sender unverändert darum, was wer im Internet tun darf. Soeben haben die Verleger ein Rechtsgutachten vorgelegt, das nachweist, dass Seiten wie tagesschau.de eigentlich nichts anderes sind als Zeitungen, die öffentlich-rechtlichen Sender in ihren Internetoffensiven also verfassungswidrig handeln; allenfalls direkt Programmbegleitendes sei ihnen erlaubt. Die Verleger seien es doch, die sich mit dem Printgeschäft nicht mehr begnügen, sondern das Internet nutzten, um de facto Fernsehen zu veranstalten, nur eben ohne Lizenzen und Rechte, kontern die Fernsehveranstalter.

Auch hier verläuft ein Riss durch die Reihen, die Privaten sehen sich durch die öffentlich-rechtlichen Ambitionen in ihren Geschäftsmodellen bedroht und drohen wieder mit dem Gang zur Europäischen Wettbewerbs-Kommission in Brüssel. Längst gibt es erste Kooperationen. Der Privatsender RTL baut derzeit eine Agentur auf, die eigene Beiträge an Internetseiten von Verlagen verkauft. Erste Kunden sind die WAZ-Konkurrenz „Rheinische Post“ und das Holtzbrinck-Nachrichtenportal zoomer.de.

Der Privatsenderverband VPRT kritisierte die Zusammenarbeit zwischen WDR und WAZ als „Angriff auf die Meinungsvielfalt“. Dass die größte öffentlich-rechtliche ARD-Anstalt mit dem auflagenstärksten Verlagshaus Nordrhein-Westfalens eine Kooperation eingehe, mache den „zunehmenden Drang der Anstalten nach Marktbesetzung deutlich“, sagte der Verbandspräsident Jürgen Doetz.

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