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Medien: Nah am Wasser gebaut

„Günther Jauch“ wird zum gefühligen Flut-ABC. Analyse ist schütter, Reflexion fehlt ganz.

Die Redaktion von Günther Jauch hat zweifach reagiert. Inmitten der anhaltenden Flut und der permanenten „Brennpunkt“-Aufregung sollte ein Damm aus umarmender Empathie und beginnender Analyse gebaut werden. Eine nur umfassende wie notwendige Aufklärung, warum Teile Deutschlands bis an den Rand der Hilflosigkeit von den  Wassermassen überrascht werden können und welche unangenehmen Konsequenzen daraus zu ziehen wären, dieser Ansatz hätte kühl bis arrogant erscheinen können. So ist diese Talkshow nicht, so will Günther Jauch auf keinen Fall rüberkommen. Gefühle-Moderator, der er sein möchte, hat er Flutopfer in die Show geholt: Ilona Rosenberg aus Gohlis an der Elbe und Albert Schwinghammer aus Deggendorf an der Donau. Auf der „Betroffenen-Insel“ berichteten sie bewegend von dem Wassereinbruch in ihrem Leben.

Jauch ermunterte sie mit einfühlsamen Worten, erkennbar war seine Absicht, dass die Gäste eigen- und selbstständig von ihren Schicksalen erzählten und nicht an den Rand der Tränen souffliert würden. Der Moderator wollte da keine leichte Beute machen, er wollte Anteilnahme provozieren. Sollte die ARD jemals eine Spendengala für die Flutopfer überlegen, muss Jauch sie moderieren. Es wird ihm nicht schwerfallen, die überbordende Solidarität der Worte in eine Spendenflut münden zu lassen. 

Der Titel der Sonntagabendshow aber hieß: „Jahrhundertflut, die zweite – haben wir denn nichts gelernt?“ Nichts gelernt, so ein Vorwurf richtet sich in erster Linie an die Politik. Zwei Vertreter saßen in der Jauch-Runde: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Katrin Göring-Eckardt. Die Spitzenkandidatin der Bündnisgrünen nutzte den Vorteil, dass sie von tatsächlicher, praktischer Verantwortung weit weg ist; mit Wucht in der Stimme sprach sie wieder und wieder von „Bürgerbeteiligung“, wenn es um Hochwasserschutz geht. Mit „Bürgerbeteiligung“ – der Ringelpiez wurde nicht weiter differenziert –  ginge der Schutz schneller und erfolgreicher wäre er auch. Jauch ließ Göring-Eckardt heilsbringende Phrasen verbreiten und Herrmann Zahlen um sich werfen – ohne jeden Ehrgeiz auf Prüfung. Den schönsten Auftritt gewährte er Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, der per Live-Schalte nach Wittenberge sein Deich-Image erneuern durfte. Eindruck: Wo dieser SPD-Jesus seine Hände ausbreitet, da will das Wasser zurückweichen, was sonst.

Günther Jauch hatte vor vier Millionen Zuschauern noch den Leiter der Hochwasserschutzzentrale Köln, Reinhard Vogt, Hoch-und-Tief-Moderator Sven Plöger und Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur „Finanztest“, zu Gast. Vogt wurde als „Hochwasser-Papst“ vorgestellt, Plöger gab einen aktuellen Wetterbericht, Tenhagen sauste durch Versicherungsprobleme. Für sich genommen sicher interessante Fragen – nur faserte die Einstundensendung aus zu einem Potpourri aus Verbraucherberatung, Niederschlagsmengen-Report und „Was nun, Herr Politiker?“. Es hätte sich, zum Exempel, gelohnt, über Solidarität in Zeiten des Hochwassers und in Zeiten des Niedrigwassers zu reflektieren. Wer will seinen elegischen Blick auf den Fluss mit Schutzwänden zustellen lassen, wer für den Dammrückbau Grundstück oder Landwirtschaft aufgeben? Jauch hätte den Widerspruch zwischen Gemein- und Eigensinn stärker, schärfer akzentuieren können. Ist aber im Angesicht der Flutopfer eine Härte, die sich dieser Moderator nicht traut, nicht zutraut.

Die Sehnsucht, ja keinen (Opfer-)Aspekt auszulassen, machte aus „Günther Jauch“ ein ABC der Flut, die jetzt schon Jahrtausendflut heißt. Weil die jedoch nächstes Jahr von der Sintflut überholt werden kann, wird es Zeit, dass die TalkThemenbewältigung Abhilfe und Vorsorge ins Zentrum rückt –  und das mit kühlem Verstand und scharfem Blick. Alles andere ist „Brennpunkt“ – und der läuft um 20 Uhr 15. Joachim Huber

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