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Für ihre Reportage "Die Kampfkinder" wurde Sandra Hoyn mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet.

© Hoyn

Nannen-Preis-Gewinnerin: Sandra Hoyn fotografiert vor dem Altar und in Afrika

Für ihre Bilder ist Sandra Hoyn schon mehrfach ausgezeichnet worden, gerade erst mit dem Nannen-Preis. Trotzdem arbeitet sie auch als Hochzeitsfotografin. Warum sich die Hamburgerin zwischen zwei Welten bewegen muss.

Für Sandra Hoyn beginnt in diesen Tagen die zweite Jahreshälfte. Im Mai geht die Hochzeitssaison los, Hoyn ist dann fast jeden Samstag in Hamburg und Umgebung unterwegs, um Paare im Standesamt, vor dem Altar und beim Walzertanzen zu fotografieren. Dies aber ist nur die eine Welt, in der sich die 37-Jährige bewegt. Im Herbst wechselt sie in die andere. Dann reist mit ihrer Nikon im Gepäck durch Kambodscha, Indien, Ghana und fotografiert Reportagen, die oft von Elend und Armut erzählen. Mehrfach ist Hoyn für diese Bilder national und international ausgezeichnet worden: mit dem Prix de la Photographie, dem International Photography Award und am Freitag vor einer Woche mit dem Henri-Nannen-Preis, der als einer der wichtigsten Journalistenpreise in Deutschland gilt. Trotz dieser zahlreichen Auszeichnungen kann sie als Fotojournalistin finanziell nur überleben, wenn sie sich in die Zuckerwattewelt von Braut und Bräutigam begibt.

„Manchen Kollegen ist es unangenehm, dass sie Hochzeiten fotografieren, weil sie glauben, dass das nicht so hoch angesehen ist. Oder weil sie das Gefühl haben, keine journalistische Leistung zu bringen“, sagt Hoyn, die nach einer Woche Glückwünsche entgegennehmen noch immer heiser ins Telefon spricht. „Aber ich sehe das anders. Hochzeitsfotografie heißt ja heute nicht mehr, dass sich das Paar neben einen Baum stellt und lächelt, sondern ich erzähle den Tag mit einer Reportage.“

Rund 250 Euro pro Tag verdient ein Fotojournalist nach Angaben des Verbandes Freelens – nicht wenig, wenn es jeden Tag Aufträge geben würde. Doch genau das ist nicht der Fall. „Es wird immer schwieriger, eine gute Fotoreportage unterzubringen. Zeitungen und Magazine wollen dafür immer weniger Geld ausgeben“, sagt Freelens-Vorsitzender Bertram Solcher. Gleichzeitig gebe es immer mehr Fotografen, da zumindest die technische Seite des Fotografierens im Zuge der Digitalisierung immer leichter werde. Viele Fotografen müssten wie Sandra Hoyn deshalb quasi einen zweiten Beruf ausüben, um sich ihren Beruf als Fotojournalist überhaupt leisten zu können.

Hochzeitsfotografie ist da ein lukratives Geschäft. Die Tagessätze liegen hier bei rund 1000 Euro oder mehr, also dem Vierfachen des Tagessatzes für eine journalistische Reportage – wobei die Arbeit nicht an einem Tag erledigt ist, sondern Dinge wie Bildbearbeitung und Erstellen von Hochzeitsalben dazugehören. „Für mich macht es am Ende keinen Unterschied, ob ich eine Sozialreportage in Indien fotografiere oder eine Hochzeit. Fotografie ermöglicht es mir, andere Welten zu betreten. Zu Menschen, die man in diesen Momenten fotografiert, dazuzugehören. Es geht immer um Menschen und Emotionen“, sagt Hoyn. Und dafür hat sie ein besonderes Auge.

{"Ich entscheide nicht danach, ob sich die Bilder vermarkten lassen"}

Ausgebildet an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, machte sie 2005 ihr Diplom. „Am Anfang dachte ich, dass ich mich jetzt mit meiner Mappe bewerbe und dann Aufträge bekomme“, erinnert sie sich. Doch schnell habe sie gemerkt, dass es kaum Aufträge, dafür aber viele Konkurrenten gibt. Deshalb ziehe sie jetzt einfach selbst los, wenn sie ein spannendes Thema entdecke. „Ich gehe nicht danach, ob sich die Bilder dann anschließend auch vermarkten lassen. Sondern ich fotografiere das, was ich interessant finde.“ Leisten könne sie sich das aber nur dank der Einnahmen mit den Hochzeiten. Wenn sie die Reportagebilder später Redaktionen anbiete, müsse sie manchmal Monate auf eine Antwort warten. Und oft komme eine Absage – oder gar keine Antwort.

Die mit dem Nannen-Preis ausgezeichnete Reportage hat sie auf dem Portal emerge-mag.com veröffentlicht. Entstanden sind die Bilder 2011 in Thailand. „Wie so oft war das eine Geschichte, auf die ich per Zufall gestoßen bin“, erzählt Hoyn. Sie sei im Urlaub gewesen und habe sich einen Muay-Thai-Wettkampf angeschaut, Nationalsport in Thailand. Für die Teilnahme gebe es kein Mindestalter. „Kinder gehen hier für einen Hungerlohn zwei bis drei Mal im Monat mit Boxkämpfen an ihre physischen und psychischen Grenzen“, sagt Hoyn. Vier Wochen begleitete sie Jungen zu Hause, beim Training, bei Wettkämpfen. „Die Kampfkinder“ heißt die Reportage, die dabei entstanden ist. Die Bilder „überzeugen durch Ehrlichkeit und Nähe, durch subtile Beobachtung und stringente Bildkomposition“, lobte die Jury, zu der auch Volker Hinz gehört. Der „Stern“-Fotograf ist im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen, seit 1974 hat er für das Hamburger Magazin gearbeitet. „Ich war der letzte festangestellte Fotograf des ,Stern‘. So jemanden wie mich gibt es heute nicht mehr“, sagt Hinz, der in vielen Redaktionen heute das Verständnis für Fotografie vermisst. „Ich habe das Gefühl, dass Fotografen heute wie eine Kamera behandelt werden: Einmal aus dem Regal geholt, benutzt und wieder zurückgestellt. Die Entwicklung einer blatteigenen Bildsprache ist dadurch gar nicht mehr möglich.“

Er habe vollstes Verständnis dafür, dass freie Fotojournalisten wie Hoyn ein zweites Standbein wie die Hochzeitsfotografie haben. „Ich hab das einmal sogar selbst gemacht. Das war ein lukrativer Auftrag: 4000 Euro gab’s. Allerdings ist die Ehe nach einem halben Jahr wieder geschieden worden“, erinnert sich Hinz. Trotz der schlechten Bedingungen würde er heute nicht von dem Beruf Fotograf abraten: „Man muss aber davon besessen sein, sonst wird das nichts.“

Sandra Hoyn hofft, dass sie es nach dem Nannen-Preis leichter hat, ihre Bilder in den Printmedien zu platzieren. Ihre nächsten Reisen hat sie schon geplant, es geht nach China und nach Burma. Aufgeben will sie die Hochzeitsfotografie aber auch dann nicht. „Ich mach das nicht nur, weil ich davon lebe, sondern weil es mir Spaß macht.“

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