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Netzbücher: Die Verletzlichkeit des Internets

Die Zeit-Autoren Thomas Fischermann und Götz Hamann zeigen in ihrem Buch "Zeitbombe Internet", warum das Netz so störanfällig ist und fordern, wichtige Infrastrukturen wie die Stromversorgung abzukoppeln. Eine Rezension.

Eines vorweg: Den Schutzumschlag kann man gleich zur Seite legen. Dieses Gesicht, das da entsetzt auf den Bildschirm seines gleich explodierenden Rechners starrt, wirkt trashig und ein bisschen albern. Es unterstreicht aber auch die Lust der Autoren und des Verlags an der Provokation. Und auf Diskussionen. Ebenso wie der Titel „Zeitbombe Internet“.

Mit ihrem Buch wollen die „Zeit“-Journalisten Thomas Fischermann und Götz Hamann gegen das Sicherheitsgefühl vieler Internetnutzer anschreiben. Das Netz, so die These, steuert gerade auf die größte Krise seiner Geschichte zu. Auf 250 Seiten schildern sie, warum das Internet überfordert ist – und wie verletzlich das die Nutzer macht. Das Netz sei nie auf seine heutigen Funktionen vorbereitet worden. Das Ur-Internet war völlig offen, es sollte einfach funktionieren – auch unter widrigsten Bedingungen.

Dieses Konstruktionsprinzip mache es sehr leicht, online auf Beutezug zu gehen, Daten zu sammeln, Nutzer auszuspionieren oder fremde Rechner in sogenannte „Zombie-Computer“ zu verwandeln, die dann quasi ferngesteuert werden. Das hat man schon öfter gelesen. Doch die Autoren reihen die Beispiele von leer geräumten Bankkonten oder gestohlenen Identitäten so geschickt aneinander, dass die Verunsicherung beim Lesen steigt. Zumal man längst kein raffinierter Technikkenner mehr sein muss, um das Netz wie einen Selbstbedienungsladen nutzen zu können. Ein solides Hackerprogramm kostet nicht viel.

Aufgelockert wird das dichte Faktengewebe durch reportagige Einschübe, etwa Begegnungen mit Mark Zuckerberg oder einem indischen Studenten, der die Rechner seiner Kommilitonen infizierte, um diese nachts beobachten zu können.

Die Verletzlichkeit des Netzes kann aber auch in das Szenario eines James-Bond-Films münden: Längst, so schreiben die Autoren, sind Hacker dazu in der Lage, Stromnetze abzuschalten, Krankenhäuser lahmzulegen oder Flugzeuge zum Absturz zu bringen. Oder Unternehmen und Staaten mit ähnlichen Drohungen zu erpressen.

Fischermann und Hamann plädieren für das „Entnetzen“, also dafür, ebensolche „kritischen Infrastrukturen“ schnellstens vom Internet abzukoppeln. Und genau zu überprüfen, welche Einrichtungen man künftig noch ans Netz legt. Die Bundesregierung müsse politischen Druck auf Länder ausüben, die Cybergangstern Unterschlupf bieten und Unternehmen durch strengere Gesetze in ihrer Datensammelwut bremsen.

Fischermann und Hamann schlagen eine Zweiteilung des Internets vor: in ein weiterhin offenes Netz und ein zweites, das die Surfer nur nach strengen Zugangskontrollen nutzen können.

Die Kapitel der „Zeitbombe“ sind übersichtlich, auch wenn das Buch alles in allem etwas zu vollgepackt ist. Richtig schockiert ist man nach der Lektüre zwar nicht. Nachdenklich machen die „Zeitbomber“, wie sich die Autoren auf der Website zum Buch nennen, aber auf jeden Fall. Rita Nikolow

Thomas Fischermann, Götz Hamann: Zeitbombe Internet. Warum unsere vernetzte Welt immer störanfälliger und gefährlicher wird. Gütersloher Verlagshaus, 248 Seiten, 17,99 Euro.

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