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Medien: Neue Berliner Welle

Der Medienkrise zum Trotz: 29 Interessenten für zwei Frequenzen in der Hauptstadt

Eigentlich sollten Bewerber erst mal dieselben Voraussetzungen erfüllen, um überhaupt in die engere Wahl zu kommen. Die 29 Hörfunkveranstalter, die eine der beiden frei gewordenen Radiofrequenzen für Berlin und Brandenburg ergattern wollen, haben jedoch außer ihrem Interesse für dieselben Frequenzen so gut wie gar nichts gemeinsam.

Jeder der Kandidaten hat eine spezielle Programmvorstellung. Sie reicht vom Oldie- Sender übers Christen-Radio bis zum Programm für Homosexuelle. Es sind zum Teil „die üblichen Verdächtigen“, wie sie in der Branche genannt werden, die sich bereits mehrfach um eine UKW-Frequenz bemüht haben: Radio Russkij Berlin oder Radio Teddy, der Sender für Kinder, sind nur zwei davon. Manche Antragsteller sind bereits in anderen Bundesländern mit Radiosendern vertreten und versuchen mit der jetzigen Bewerbung ihr Programm auszuweiten, so etwa Sky Radio Deutschland mit Sky Radio Berlin oder die Burda Broadcast Media GmbH mit City Radio Berlin.

Wer am Ende auf den Frequenzen 93,6 und 105,5 MHz starten darf, darüber entscheidet in diesen Tagen der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), der für die Vergabe von Frequenzen im privaten Hörfunk zuständig ist. Dort war man über die vielen Bewerbungen überrascht. „Es wird nicht leicht werden, unter den Antragstellern die zwei passenden zu finden“, sagt Hans Hege, Direktor der MABB. „Schließlich gilt es, einen breiten Konsens im Rat zu finden.“ Mit „Programmvielfalt sichern“ beschreibt die Medienanstalt eine ihrer wichtigsten Aufgaben.

Einige Interessenten wie der türkischsprachige Sender Radyo Metropol FM haben allein deshalb schlechte Karten, weil sie mit ihrer Bewerbung lediglich auf eine bessere Sendefrequenz hoffen. Nicht besser sieht es für den Bewerber Eurocast aus: Sein speziell für „Männer zwischen 18 und 35“ geplantes Radio Cool FM wäre für Eurocast neben 94,3 r.s.2. der zweite Sender in Berlin.

Radio Russkij Berlin glaubt auch nach mehreren vergeblichen Anläufen an die Notwendigkeit eines russischsprachigen Senders. „In Berlin gibt es höchstens noch die Möglichkeit für einen polnischen Hörfunkanbieter“, sagt hingegen Friedrich Voß, Wellenchef von Radio multikulti, das in 19 Sprachen in der Hauptstadt sendet. Dimitri Feldmann, Geschäftsführer von Radio Russkij Berlin, sieht das anders: „Die paar Minuten, die ,multikulti’ am Tag auf russisch sendet, können kein wirkliches Angebot für die 200 000 in Berlin lebenden Russen sein.“

Gute Chancen für Spreeradio

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Medienanstalten in Deutschland bei vergleichbaren Fällen eher konservativ als innovativ entscheiden. Und gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit wird der siebenköpfige Medienrat ein besonderes Augenmerk auf die finanzielle Basis des Antragstellers haben. Für Berlin hieße das eine Fortsetzung von Spreeradio auf der Frequenz 105,5 MHz, da es hier lediglich Veränderungen auf der Gesellschafterebene gegeben hat. „Es gibt keinen Grund, an dem bestehenden Format etwas zu verändern“, sagt Geschäftsführer Christian Ziegler. „Wir haben eine gute Ausgangsposition, die sich erfolgreich vermarkten lässt.“

Bleibt die Frequenz 93,6 MHz, auf der noch bis Ende November das FAZ-Business- Radio sein Wortprogramm mit Wirtschaftsthemen ausstrahlte. Der ehemalige Chefredakteur, Michael Häutemann, würde gerne mit Radio Tipp 93,6 weiter auf dieser Frequenz senden, diesmal allerdings mit einem anderen Format. Auch wenn etablierte Radiosender die Chancen für Häutemann als nicht schlecht einstufen, bleibt abzuwarten, ob ein Programm mit „Verbraucherinformationen, Tipps und einer ausgewogenen Mischung aus guter Rock- und Popmusik“ eine Nische im Berliner Radiomarkt entdecken kann.

Das könnte schon eher BluRadio, das Radio für Homosexuelle. 350 000 Schwule und Lesben leben laut einer Emnid-Studie in Berlin. Dazu kämen jene 150 000, die sich vom eigenen Geschlecht „zumindest angezogen fühlen“. Die Idee für diese Art von Radio ist nicht ganz neu, bereits zum dritten Mal bemüht sich BluRadio um eine „Homofrequenz“. Unterstützt wird die Initiative von Prominenten wie Wolfgang Joop und Nina Hagen. Bereits vor Ende der Bewerbungsfrist überlegte der Medienrat, die Frequenz 93,6 MHz für den Offenen Kanal (bislang nur im Kabel) zu reservieren. Die Macher von BluRadio fänden das inakzeptabel: „Wenn das passiert, dann bleibt der Berliner Radiomarkt wie gehabt penetrant heterosexuell.“

Matthias Bartsch

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